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Dieser virtuelle Club verlangt 10 Euro eintritt, lohnt sich das?

"Ich sage bis später, aber wie das so ist beim Feiern, sehen wir uns dann wahrscheinlich nie wieder", erklärt einer der Clubbesitzer.
Eine Collage aus tanzenden Avataren und einem Türsteher vor dem virtuellen Club Rave Space
Fotos: Rave Space | Collage: VICE
In dieser Serie berichten wir über das Lockdown-Leben: Über Stimmungen und Hoffnungen und über alles, was wir vermissen.

Der Türsteher dreht sich einmal um, schaut, ob sich im Eingangsbereich noch keine Schlange gebildet hat, und sagt: "Oh, welcome. Come on in." Ich dränge mich vorbei an den glänzenden Körpern. Zu meiner Linken führt ein Gang zur Tanzfläche. Die Musik, die anfangs nur gedämpft zu mir rüber drang, wird mit jedem Schritt lauter.

Bevor ich mich zwischen die tanzenden Körper auf der Tanzfläche schieben kann, fragt mich mein Laptop-Bildschirm, ob ich einen Anruf eines anderen Users entgegennehmen möchte. 

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Statt in einem Club bin ich gerade zu Hause in meiner Wohnung. Hier tropft kein Schweiß von der Decke oder den Wänden. Hier sitzt kein Ticker vor der Toilette. Alles, was ich gerade vermisse, passiert auf meinem Laptopscreen. Im Rave Space kann man tanzen, sich betrinken, stickern und fremde Clubbesucher ansprechen.


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Ich drücke auf "Accept" und rede mit einem der drei Gründer von Rave Space. Er und zwei Kollegen haben den virtuellen Club ins Leben gerufen. Er fragt mich, ob ich schon einen Sticker an die Wand geklebt oder einen Shot an der Bar getrunken habe. 

"Ich bin gerade erst gekommen. Ich musste noch ein Bild hochladen für meinen Sticker", sage ich.

Ich will erst einmal den Club erkunden und er verabschiedet sich:

"Ich sage bis später, aber wie das so ist beim Feiern, sehen wir uns dann wahrscheinlich nie wieder."

Auf der Tanzfläche tanzen einige Avatare dicht an dicht. Sie alle glänzen schwarz und sehen aus, als würden sie ein Ganzkörperlatexoutfit tragen. Nur der DJ, der am oberen Ende hinter dem Pult steht, hat ein Gesicht und sieht täuschend echt aus. Er bewegt sich mit der Musik. An der Bar in einem anderen Raum bekommt man für einen halben Ravecoin, die man sich im eigenen Profil mit echtem Geld kaufen kann, einen Pfeffi oder eine Wodka Mate. Ich entscheide mich für einen Pfeffi und meine Sicht im Rave Space verschwimmt, weil mein Avatar jetzt ein bisschen betrunken ist. 

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Wenn ich eine Zahl zwischen eins und vier drücke, macht mein Avatar einen Dancemove.

Wenn man sich ins eigene Profil einloggt, gibt es die Option, ein Bild hochzuladen, das man später im Club als Sticker irgendwo platzieren kann. Mit einer Tastenkombination kann ich den Sticker an einer Wand platzieren, wo er auch bei zukünftigen Partys zu sehen ist. 

Je nach Raum ist die Musik lauter oder leiser. Kurz verstummt sie, bevor der dritte DJ des heutigen Line-ups sein Set beginnt. Bei jedem Event legen hier DJs auf, die während einer Pandemie gerade wenig Möglichkeiten haben aufzutreten.

In einem Chat verabreden sich die User, bei den Toiletten zu tanzen. Ich gehe mit.

In der Pandemie findet unser Leben digital statt, beim Nachtleben ist das schwierig umzusetzen. Angebote gibt es trotzdem viele. Die Griessmühle, ein Club in Berlin, erstellte eine digitale Version des Clubs auf Minecraft. Der Kauz Club in Zürich tat dasselbe, bloß über das Online-Spiel Second Life. Mit Videoübertragungen von DJ-Sets sammelt die Website United We Stream Geld, um die Clubkultur während Corona zu unterstützen. Über Zoom lädt der Club Q innerhalb einer queeren Partyreihe zum Tanzen ein.

Aber nach über einem Jahr Pandemie spüren wir die Zoom-Müdigkeit. Um aus der Masse an Angeboten herauszustechen und interessant zu bleiben, müssen neue Partyangebote mehr bieten können als nur ein Stream.

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Der Rave Space ist etwas interaktiver. Fabian und zwei Kollegen gründeten die virtuelle Plattform mit dem Ziel, einen möglichst authentischen Berliner Club-Abend darzustellen. Inklusive Look und Feel des Clubs, Interaktionen und Lineup. 

Fabian hat vor fünf Jahren den Berghain-Trainer entwickelt, mit dem man herausfinden kann, ob man es ins Berghain schaffen würde. Sechs Monate arbeiteten er und zwei seiner Kollegen jetzt an dem digitalen Club.

Über den Voicechat ruft mich einer der User an. Ich bestätige, dass ich den Anruf entgegennehmen möchte. Ich bin gespannt: 

"Hi." Dann lachen wir beide. 

Er sagt: "Oh, sorry! Ich wollte nur etwas ausprobieren." Die Verwirrung erinnert mich an einen Abend, an dem ein Typ auf einer Party überzeugt davon war, dass ich Jasmin heiße und er mich kennt. Kurz fühlt sich das Feiern echt an.

Der Rave Space verbindet Nähe und Anonymität. Ich kann mit den anderen Usern sprechen, weiß jedoch nicht, wie sie aussehen. Dieses Zusammenspiel gibt es auch in Clubs, die nicht virtuell sind. Jemanden in einem dunklen Club umgeben vom Rauch der Nebelmaschine anzustupsen, fühlt sich ähnlich an, wie einen fremden Avatar zu einem Voice Call aufzufordern. 

Aber die Musik und die glänzenden Körper erinnern mich auch daran, wie sehr ich richtige Clubs vermisse. Hier kann ich nicht einer Person, die ich vor einer Stunde in der Sitzecke des Clubs kennengelernt habe, verschwitzt in die Arme fallen, weil ich nicht weiß wohin mit dem ganzen Glück. 

Im Club fühlt es sich so an, als würde das Leben mich suchen. Wenn ich versuche, online zu feiern, dann suche ich nach dem Leben. Mit mehr Absicht und weniger Zufall.

Wie eine richtige Party im Club ist das Feiern so nicht. Aber ich kann mich mit anderen danach sehnen. Und vielleicht reicht das gerade.

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