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Drohnen über Amerika

Unbemannte Flugsysteme erobern auch den Luftraum außerhalb von Kriegsgebieten. In den USA ist die Debatte um die Regulierung der zivilen Nutzung von Drohnen schon im vollen Gange und die Fronten sind verwirrend verteilt.

Von der etablierten Vorstellung, dass Drohnen nur über Kriegszonen fliegen, sollten wir uns verabschieden.

Wenn es einen Technologie-Giganten gibt, der wegen der rasanten Verbreitung ziviler, mit Kameras ausgerüsteter Drohnen, in Amerika vor Glück total aus dem Häuschen sein sollte, dann ist das Google. Das Unternehmen bewirbt die Demokratisierung von Technologie offensiv und schickt Flugzeuge und Autos (bald auch unbemannte) um die ganze Welt, um Fotos von wirklich allem und jedem zu machen. Der Vorstandsvorsitzende Eric Schmidt brachte das beliebte Dogma aller Anti-Privatssphären Verfechter einst prägnant auf den Punkt: Wenn du Angst um deine Privatsphäre hast, dann hast du wahrscheinlich etwas zu verbergen.

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Vor ein paar Jahren wurde Google sogar beschuldigt, es experimentiere mit seinen eigenen Drohnen. Auch die Google-Glasses, deren Verkaufstart früher oder später ansteht, bieten Drohnen-ähnliche Überwachungsmöglichkeiten. Auf seinem Trip nach Nordkorea hat Schmidt die neuen Brillen jedoch nicht getragen, denn er habe sie „nicht aufregen wollen. Die haben eine Menge Knarren.

Noch vorsichtiger, und fast zum gesellschaftskritischen Mahner, wird Eric Schmidt ironischerweise, wenn es um eine Zukunftsvision geht, in der jeder eine mit Kameras ausgestattete Drohne kaufen und bedienen kann. Besorgt warnt Schmidt vor dem Eindringen von Drohnen an den heimischen Himmel, denn diese könnten auch mit Waffen ausgestattet werden.

Deshalb hat Eric Schmidt schon im Januar eine Diskussion angestoßen, und für ein Verbot von zivil genutzten Drohnen plädiert. Sein im April erschienenes Buch beinhaltet ein umfangreiches Kapitel über die Fluggeräte. Und dem britischen Guardian gab der Google-Boss ein Interview – nur um es kurz daraufhin wieder löschen zu lassen –, in dem dieser folgendes Szenario postulierte: „Stell dir vor, du hast einen Streit mit deinem Nachbar. Wie würdest du dich fühlen, wenn dein Nachbar sich einfach eine Drohne kauft, die er von seinem Garten aus steuern kann und dann den ganzen Tag über dein Haus fliegt? Wie würde sich das anfühlen?“ Das klingt so ironisch, dass man kaum glauben mag Schmidt hätte ein Satire Interview gegeben, statt mit vollem Ernst zu sprechen.

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Schmidt hat mit seinen Warnungen genau den Nerv einer Zeit getroffen, in der der Schutz der Privatsphäre eines der wichtigsten Themen ist. Denn obwohl eine Mehrheit der Amerikaner den Einsatz unbemannter bewaffneter Flugobjekte der CIA im Ausland durchaus unterstützt, hat die Perspektive privater Drohneneinsätze einen heftigen Meinungskrieg in den Staaten ausgelösten.

Im US Bundesstaat Texas, gab es eine kontroverse Debatte um die Verwendung der kleinen ferngesteuerte Flugobjekte durch Polizei, Wissenschaftler, Fotografe oder einfache Bürger. Im State Capitol in Austin haben ernsthafte Bedenken über die Privatsphäre und Sicherheit der Bürger den republikanischen Abgeordneten Lance Gooden dazu veranlasst, einen Gesetzesantrag einzureichen, der den Gebrauch von Drohnen nur dann erlaubt, wenn man eine Lizenz oder eine polizeiliche Erlaubnis hat. Angeblich habe Gooden sich zu diesem Schritt entschieden, da sich einer seiner Wähler—ein wohlhabender Rancher— äußerst besorgt darüber zeigte, dass seine Nachbarn Drohnen über sein Anwesen fliegen lassen könnten.

Aber nicht nur in Texas wachsen die Bedenken: mehr als 30 weitere Staaten in Amerika denken nun über ähnliche Gesetze nach. Einige Stadtverwaltungen haben sogar mit sofortiger Wirkung den Einsatz von Drohnen durch die Polizei verboten. Die Stadt Charlottesville in Virginia verabschiedete eine Resolution, die den Kongress bittet, den Einsatz von Foto- und Videomaterial, das anhand von Drohnen erstellt wurde, in Bundes- und Ländergerichten zu verbieten.

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Die Befürworter von Drohnen hingegen argumentieren, dass die Maschinen das Recht der Amerikaner auf Privatsphäre nicht bedrohen würden, wenn man nur eine gute gesetzliche Kontrolle einführe. Zudem behaupten sie, dass jegliche Verbote nicht nur absolut sinnlos sind, sondern auch technologische Innovationen unterdrücken und neue Verfahren für die Rettungssuche, Polizeieinsätze und die Landwirtschaft verhindern könnten. Sie würden auch eine wachsende Drohnenindustrie ernsthaft in Schwierigkeiten bringen, die dann gezwungen wäre, ihre Produktionsstätten in andere Bundesstaaten oder gar ins Ausland auszulagern. Die US-Bundesbehörde für zivile Luftfahrt (FAA) arbeitet sowieso schon daran, Fakten zu schaffen, indem acht nationale Standorte bestimmen werden sollen, die als Testzentren für Drohnen dienen sollen.

In Texas jagt ein Drohnenverbot den Menschen durchaus berichtigter Weise Angst ein. Dort nutzen bereits eine Vielzahl von Universitäten und Unternehmen Drohnen geschäftlich und für die Forschung. Die FAA, die sich nur um die Luftsicherheit und nicht um die Privatsphäre kümmert, hat überhaupt noch keine Richtlinien zum kommerziellen Einsatz von Drohnen herausgegeben. Das wiederum bedeutet, dass „Drohnenunternehmen“—was meistens Filmcrews sind—dazu gezwungen sind unbemerkt zu fliegen. Wenn sie überhaupt fliegen. Sogar die Polizei muss sich von der FAA Erlaubnis einholen, um eine kleine unbewaffnete Drohne (UAV) zu fliegen. Unterlagen aus dem letzen Jahr, die MuckRock und der Electronic Frontier Foundation vorliegen, zeigen jedoch, dass die Polizeihauptstelle in Austin sich nicht um eine offizielle Erlaubnis bewarb, als sie Anfang 2012 überlegte, eine Drohne zu kaufen. (Das Vorhaben scheiterte einerseits an zu hohen Versicherungskosten, andererseits jedoch vor allem an den Vorbehalten des Polizeichefs, der „weitere Bedenken zu dem Einsatz solcher Geräte hatte“)

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Momentan gibt die FAA Drohnenfluglizenzen nur an Privatpersonen raus, die luftfahrtbezogene Forschung betreiben, und an Staatsbedienstete, die beweisen können, dass sie die Drohnen nur für Dinge wie „Gesetzesvollzug, Feuerbekämpfung, Grenzkontrolle, Katastrophenhilfe, Bergungen, Truppenübungen und anderen staatlichen Einsätzen“ nutzen. Drohnenpiloten ist es verboten, über bewohnte Gebiete zu fliegen und müssen zudem meist ihr Flugobjekt in Sichtnähe halten. Größere von der Regierung betriebene UAV wie der Predator scheinen aber nach anderen Gesetzen eingesetzt zu werden. Das Department of Homeland Security (DHS) hat die meisten seiner Predators auf der texanisch-mexikanisch Grenze im Einsatz. Der Stützpunkt der Air National Guard in Ellington hingegen ist verantwortlich für viele der Drohneneinsätze in Afghanistan. Es gibt aber auch schon einige Berichte darüber, dass das DHS die Polizei mit dem Einsatz von Predators unterstützt habe. Die FAA hat dazu bislang noch keine Freedom of Information Acts-Anfragen—die es normalen Bürgern und NGOs eigentlich erlauben sollten, Transparenz von Regierungsbehörden einzufordern—von der Electronic Frontier Foundation beantwortet.

Ein mögliches Verbot beunruhigt allerdings auch lokale Hersteller von Drohnen. Colin Guinn, der Präsident von DJI-North America, des texanischen Ablegers einer chinesischen Firma, die eine Vielzahl von autonomen Fahrzeugen verkauft—unter anderem Phantom, eine 700$ Drohne, einem lächerlich einfach zu bedienenden Quadrocopter mit einer GoPro Kamerahalterung—ist besorgt, dass die Öffentlichkeit sich nur auf die negativen Aspekte der „Drohnen“ einschießt. „Das sind nicht die gleichen Geräte, die im Nahen Osten Menschen töten,“ stellte er klar, bevor er uns eine Führung durch ihren Präsentationsraum in Austin gab. Wie haben es uns natürlich nicht nehmen lassen ein Video von der glänzende Phantom-Drohne zu drehen.

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„Ich hasse das Wort Drohne,“ sagt Gene Robinson, ein erfahrener Pilot bemannter sowie nicht bemannter Flugzeuge. Robinson ist der Leiter einer Gruppe, die der Polizei bei schwierigen Such- und Rettungseinsätzen hilft. Sie arbeiten gemeinnützig nicht nur wegen persönlicher Überzeugung, sondern auch wegen der Regulierungsbestimmungen. Nebenher baut Robinson die Spectra Flying Wing, eine schnittige professionelle Drohne, die mit einer einzigen Akkuladung kilometerweit fliegen kann und ein Video live in die Basis streamen kann. Robinson ist besorgt, dass Ablehnung von Drohnen von Seiten der Bürger Leben bei Bergungs- und Rettungseinsätzen kosten könnte. Bei einer Katastrophe wie der Explosion einer Düngemittelfabrik in Texas im April diesen Jahres kann der Einsatz von Drohnen lebensrettend sein. Genes Flugzeuge sind bereits in mehr als 29 Staaten und vier Ländern zum Einsatz gekommen und haben zur Rettung von zehn Vermissten geführt. Ohne eine sinnvolle Regulierung werden zudem ausländische Unternehmen wie DJI gegenüber ihren amerikanischen Mitbewerbern vermutlich einen wesentlichen Marktvorteil haben. Für Gene hat sich diese Befürchtung bewahrheitet, als er feststellen musste, dass ein anderes chinesisches Unternehmen eine Drohne baut und verkauft, die verdächtige Ähnlichkeit zu seinem Modell hatte.

Gene Robinson von RPSearchServices mit der Spectra, die er gebaut hat.

Am State Capitol in Austin bahnt sich inzwischen eine heftige Debatte über Goodens Drohnenverbot an. Der Lobbyist Buddy Garcia, der für DJI und andere Drohnenbefürworter arbeitet, hat als einer der Experten bei der Ausschusssitzung ausgesagt. Dort ging es um die genaue Formulierung des Gesetzes. „Wir haben ein Verbot des Einsatzes von UAVs für Überwachung und ihrer Ausstattung mit Waffen vorgeschlagen,“ sagte er. Die Privatsphäre ist eine Sache, doch Drohnen und Terroristen sind auch eher eine ungute Mischung.

Momentan aber betreffen die Hauptbedenken von Google-Chef Schmidt und von zig anderen Gesetzgebern noch die Auswirkungen auf die Privatsphäre. Schmidt behauptet, dass die Google-Glasses dabei wesentlich von Drohnen zu unterscheiden seien. Diese stelle nämlich „eine Möglichkeit zur Verfügung, die Demokratie weltweit zu verbreiten. Die Google-Brille befähigt die Menschen überall Informationen zu erhalten und festzuhalten, was um sie herum passiert.“
Das Gleiche könnte jedoch auch von nicht-militärischen Drohnen behauptet werden. Irrelevant macht das Schmidts Sorgen nicht. Denn die Aussicht auf den unkontrollierten Einsatz von unbemannten Flugobjekten, egal ob durch Polizei oder Privatpersonen, ist ein Thema, das diskutiert werden muss.

Ganz gleich wie die kommenden Regulierungen aussehen werden: der gegenwärtige Drohnenkrieg zwingt die Amerikaner – und sogar den Chef von Google – dazu sich ernsthaft mit dem Schutz ihrer Privatsphäre auseinander zu setzen. Denn noch nie war sie so sehr in Gefahr wie heute.