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Neurowissenschaftler kommen dem Geheimnis des Déjà-vu auf die Spur

In einem Experiment ist es Wissenschaftlern endlich gelungen, die mysteriösen Déjà-vus bei Testpersonen bewusst auszulösen. Gute Nachrichten: Wenn du dieses Phänomen kennst, ist das keineswegs ein Hinweis auf eine Psychose, sondern auf eine gut...
Bild: Shutterstock

Moment, habe ich das nicht schon einmal gelesen? Wir alle kennen das faszinierende Phänomen: Ein klassisches Déjà-vu (französisch für „bereits gesehen") lässt uns felsenfest überzeugt davon sein, eine gerade erlebte Situation genau so schon einmal durchlebt zu haben oder einen Ort irgendwann schon einmal besucht zu haben, obwohl das eigentlich nicht sein kann. Alles scheint vertraut—als hätte jemand für einen kurzen Moment die Rückspultaste gedrückt. Was geschieht in solchen Momenten in unserem Gehirn und welche Funktion haben diese verwirrenden Zustände?

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Lange Zeit rätselte die Wissenschaft über die Entstehung von Déjà-vus, erst jetzt kommen Neurowissenschaftler anhand von MRT-Scans der Entschlüsselung des Mysteriums ein wenig näher. Es gelang einem Team endlich, Déjà-vus bewusst auszulösen. Dabei konnten sie beruhigenderweise keine substantiellen Zusammenhänge zwischen Déjà-vu-Erlebnissen und psychischen Krankheiten wie Schizophrenie oder einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung feststellen. Frühere Forschungen hatten diese Krankheiten mit dem Phänomen in Verbindung gebracht.

Ein Déjà-vu ereignet sich in der Regel nicht, bevor wir ein Alter von acht oder neun Jahren erreicht haben. Besonders anfällig sind Teenager und Personen zwischen 20 und 30 Jahren für die Erinnerungstäuschung, mit fortschreitendem Alter tritt das Phänomen immer seltener auf. Es liegt also nahe, die Ursache in der Entwicklung des Gehirns zu suchen, welches bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen erhebliche Reifungsprozesse durchläuft.

„Das frustrierende bei einem Déjà-vu ist, dass zwar viele Menschen schon einmal diese Erfahrung gemacht haben, sich das Phänomen jedoch relativ selten ereignet", so Akira O'Connor von der School of Psychology and Neuroscience an der University of St. Andrews, gegenüber Digital Trends. „Die Möglichkeit, so etwas zu messen, ist deswegen schwierig. Wir mussten uns deswegen auf die retrospektive Beurteilung dieser Ereignisse verlassen."

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Um die Déjà-vus künstlich zu erzeugen, machten sich O'Connor und sein Team eine Standardmethode zur künstlichen Einpflanzung einer falschen Erinnerung zu nutze. Hierfür präsentierten die Wissenschaftler 21 Freiwilligen eine Reihe von Wörtern, die eine ähnliche Situation beschreiben, ließen jedoch ein wichtiges aus. Beispielsweise kombinierten sie die Worte Kissen, Bett und Nacht, verzichteten in der Aufzählung jedoch bewusst auf das Wort Schlaf. Im Folgenden fragten sie die Versuchsteilnehmer, ob ein Wort mit dem Anfangsbuchstaben S in der Reihe aufgetaucht sei. Die Antwort der Probanden war negativ, also völlig korrekt.

Als O'Connor die Probanden ein wenig später wieder fragte, welche Worte die Liste beinhaltete, nannte der Großteil der Teilnehmer ebenfalls das Wort Schlaf. Sie gingen nun automatisch davon aus, dieses Wort gehört zu haben, da es sich sinnvoll in die Reihe einfügt. Indem die Teilnehmer nun also ihre eigenen Erinnerungen „überinterpretierten", gaukelte ihr Gehirn ihnen ein klassisches Déjà-vu vor. Diesen Zustand visualisierten die Forscher mittels eines MRT-Scans und entdeckten dabei, dass während eines Déjà-vus die gleichen Hirnregionen aktiv sind wie bei der Entscheidungsfindung—und nicht, wie bisher angenommen, die für die Erinnerung zuständigen Areale im Hippocampus.

Hirnregionen, die bei einem Déjà-vu aktiv sind | Bild: Akira O'Connor

„Bisher ging die Forschung davon aus, dass Déjà-vus durch falsche Erinnerungen entstünden", schreibt O'Connor auf seiner Website. „In Wirklichkeit reagieren jedoch die Areale für kognitive Steuerung, Fehlerüberwachung und Konfliktlösung, welche in den vorderen Hirnregionen angesiedelt sind und zeigen bei solch einem Ereignis größere Aktivität."

Der Neurowissenschaftler geht davon aus, dass diese Regionen unsere Erinnerungen durchforsten und nach Fehlern in diesen suchen. Und genau das könnte das Gefühl eines Déjà-vus auslösen. Unser Hirn überprüft also die Qualität unserer Erinnerungen dahingehend, ob wir etwas wirklich erlebt haben oder nur denken, wir hätten es erlebt. Erkennen sie einen Fehler, werden die genannten Hirnareale im Frontallappen besonders aktiviert und die Person erlebt das seltsame Gefühl eines Déjà-vus.

Die Untersuchung zeigt also, dass ein Déjà-vu auf ein gut funktionierendes Gehirn hinweist und keinen Grund zur Sorge darstellt. Mit der Erinnerungstäuschung scheint eher eine Aufräumaktion im Hirn vonstatten zu gehen, was bedeutet, dass sich der Betroffene besonders korrekt an die gewesenen Ereignisse erinnert. Allerdings muss er sich trotz Chaosbereinigung im Hirn nichts auf seine besonders adäquaten Erinnerungen einbilden. Denn O'Connor fügt an: „Menschen, die keine Déjà-vus haben, scheinen von vornherein bessere Erinnerungssysteme zu besitzen. Wenn sie keine Erinnerungsfehler haben, dann gibt es auch keinen Auslöser für ein Déjà-vu."

Akira O'Connor präsentierte diese faszinierenden Ergebnisse vergangenen Monat bei der International Conference on Memory in Budapest. Bis diese Theorie vollständig bestätigt werden kann, sind jedoch noch einige zusätzliche Untersuchungen nötig. Auch die Frage, ob ein Déjà-vu wirklich von Nutzen für die betreffenden Personen ist, wird dann noch weiter untersucht werden. „Es könnte sein, dass Déjà-vus die Menschen vorsichtiger werden lässt, da sie sich nicht auf ihre Erinnerungen verlassen können", regt Stephan Köhler von der University of Western Ontario, Kanada und Vorsitzender eines Memory Lab die weitere Forschung an.