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Wie ein eng anliegender, schwarzer Latexhandschuh—Louisahhh!!! und Bromance zwischen Licht und Schatten

„Entweder verhalte ich mich wie eine Pussy, oder wie eine Kriegerin.“
Foto: Promo

Irgendetwas ist anders, vielleicht sogar widersprüchlich an Louisahhh!!!, der in New York geborenen, inzwischen in Paris lebenden DJ mit einem der wiedererkennbarsten Künstlernamen der jüngeren Zeit.

Die Extrabuchstaben und Ausrufezeichen in ihrem Namen und die Bemerkung in ihrer Biografie—„LOUISAHHH!!! is thrilled to be alive and loves you very much"—ergeben zusammen das Bild eines unglaublich aufgedrehten Menschen. Gerade so, als würde sie schreiend und mit rudernden Armen der Welt entgegenstürmen. Dieses Bild einer ekstatischen Persönlichkeit gerät aber sofort ins Wanken, sobald man ihre Musik hört: düster, sexy und unverkennbar französisch; House- und Technotracks, über denen oft Louisa Pillots—so ihr bürgerlicher Name—tiefe und rauchige Stimme zu hören ist. Sie spricht mit Eiseskälte über brodelnde Basslines—ein bisschen so wie bei Ladytron.

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Ihre neuste EP, Traces, enthält Remixes der beiden Tracks „Night Clubbing" und „Rough & Tender" seitens der Techno-Produzenten bzw. DJs Perc und Dave Clarke. Beide Songs hatte sie zu Beginn diesen Jahres ursprünglich mit einer anderen Technoinstitution rausgebracht: Maelstrom, den sie als ihr „liebstes menschliches Wesen" bezeichnet.

Wie fast alle ihrer anderen Arbeiten wurde die EP von ihrem Kumpel und regelmäßigen Kollaborateur Brodinski auf dessen Label Bromance Records veröffentlicht. Bromance ist eine überaus beliebte Anlaufstelle für treibenden, tanzfreundlichen Techno, die vor allem durch die sagenumwobene menschliche Zigarette namens Gesaffelstein bekannt wurde.

Louisahhh!!! und die komplette Bromance-Crew befinden sich derzeit auf einer ausgedehnten Sommertour durch die USA. Von ihrem Hotelzimmer in Seattle aus erklärte sie mir per Telefon ihren eigensinnigen Namen mit ihrer Jugend „in New York, dem Konsum vieler Drogen und unglaublich vielen Partys". Die Band !!! war während Louisahhh!!!s hedonistischster Jahre recht beliebt, und ihr gefiel die Idee, dass man den Bandnamen aussprechen konnte, wie auch immer man wollte—indem man wirklich jedes Geräusch dafür einsetzt, was einem gerade in den Sinn kommt. „Eigentlich wollte ich schon länger [meinen Namen] ändern. Ich bin erwachsener geworden und sollte etwas ernster genommen werden. Aber ich glaube, dafür ist es inzwischen zu spät", sagt sie mir, ohne dass ich großes Bedauern in ihrer Stimme hören konnte.

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Was die Dichotomie der quirligen Fröhlichkeit ihres Images und der Dunkelheit ihrer Musik angeht, sieht sie diesen Gegensatz als zentrales Kernstück ihrer Musik. „Viele meiner persönlichen Vorteile bestehen darin, dass ich die Dunkelheit nutzen kann, um das Licht zu sehen—diese düsteren Dinge anzufassen und sich davor nicht zu fürchten, während ich weiterhin meine Begeisterungsfähigkeit und Dankbarkeit beibehalte." Bromance Records passe dafür einfach perfekt, da sich bei ihnen „alles um abgründige Clubmusik dreht und deswegen meine Arbeiten dort super aufgehoben sind."

Ihr Sound steht Bromance vielleicht so gut wie ein eng anliegender, glänzender, schwarzer Latexhandschuh, aber Louisahhh!!! ist sich bewusst, dass sie eine Art Außenseiterrolle spielt—sie ist das einzige amerikanische Mädchen in einer Horde französischer Kerle. Damit rückt sie in die Nähe von Uffie auf Ed Banger Records damals: Amerikanerin, Puppenaugen, Affinität zu französischen Labels und Manic Pixie Dream Girl-Vibes. „Der Grund, warum ich Teil der Crew bin, ist, dass ich anders bin als alle anderen. Ich versuche mir darauf nicht zu viel einzubilden", so Lousiahhh!!! weiter.

Zu Beginn war sie skeptisch, die Rolle der Sängerin in der Gruppe einzunehmen. Es sah einfach zu sehr nach Aushängeschild und Klischee aus. „Mein Zögern hatte vor allem damit zu tun, dass ich nicht so eine Sängerin sein wollte, die House-Tracks macht—das ist einfach nur langweilig. Ich wollte, meine Ansprüche nicht runtersetzen", sagt sie. Nichtsdestotrotz machte sie es letztlich doch—vor allem zusammen mit Brodinski auf der ersten Bromance-Veröffentlichung „Let The Beat Control Your Body", auf der Louisahhh!!! bestimmend schnurrt: „Raw power, ecstasy. Liberate, don't hesitate. And let the beat control your body."

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Sie sagt über ihre Entscheidung, dann doch entgegen ihrer ganzen Befürchtungen die Vokalistinnen-Schiene eingeschlagen zu haben: „Um sich verbessern zu können, muss einem erst mal etwas unangenehm sein. Ich versuche, das zu schätzen zu lernen."

Diese Aspekte künstlerischer Bewältigung emotionalen Unbehagens und der Balanceakt auf dem schmalen Grat zwischen Licht und Schatten sind auch in „Rough & Tender" zu hören, dem zweiten Song ihrer Traces-EP. Schon der gegensätzlich formulierte Titel suggeriert einen Konflikt. Er beginnt damit, wie Louisahhh!!! in ihrer typischen, eiskalten Art anstimmt: „Be careful with that precious heart. Kid, it's really all you got. Just a little, just enough. Rough and tender. Tender tough."

„Diese Zeile stammt aus einem Buch von meinem Ex-Freund", erinnert sie. „Es war ein sehr intensiver Moment—in der Art von, wie weit willst du gehen? ‚Just a little, just enough.'" Wieder ist sie auf ihre Sicht von Schmerz als Mechanismus für die eigene Weiterentwicklung zurückgekommen. „Für eine gewisse Zeit habe ich ihn gehasst. Das war einer dieser Momente im Leben, an dem man vor dem Abgrund steht, sich überwinden muss, um sich geistig weiterzuentwickeln."

Sie legt eine Pause ein und formuliert dann das, was auch ihr persönliches Motto zu sein scheint.

„Entweder verhalte ich mich dann wie eine Pussy, oder wie eine Kriegerin."

Louisahhh!!!:
21.06. Berlin - Freischwimmer (BNR BBQ x Fête de la Musique)
09.07. Montreux - Montreux Jazz Festival
22.08. München - Utopia Festival

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Louisahhh!!! and Maelstrom, Traces-EP (Deluxe Edition), Bromance Records / The Vinyl Factory, 25. Juni 2014 Vinyl / Digital

Michelle Lhooq ist eine Kriegerin. Folgt ihr auf Twitter: @MichelleLhooq

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