Warum ich alte, fette Kühe liebe

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Warum ich alte, fette Kühe liebe

Fett ist nicht der Teufel, nicht bei diesen Steaks.

„Wir essen alte und sehr fette Kühe", sagt der baskische Fleischer Imanol Jaca. In seiner Fleischerei im Norden Spaniens wird Alter verehrt und nicht verachtet.

Wenn das exquisite, saftige Steak aus seiner Fleischerei, das txuletón, der Heilige Gral des Fleisches ist, dann ist Imanol Jaca der Hohepriester.

Der Spanier ist durch und durch Fleischer und hat sich diesem Handwerk komplett verschrieben. Er exportiert sein txuletón (sprich: tschu-le-ton) in die ganze Welt. Heute ist er in London und verrät mir sein Geheimnis, wie man das heißbegehrte Fleisch richtig zuschneidet.

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Feinstes txuletón aus dem nordwestlichen Spanien. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Sagardi.

Wir treffen uns im Sagardi, einem baskischen Restaurant im Osten Londons. In der Küche liegt bereits die Hochrippe eines Ochsen auf dem Hackblock, die Jaca gleich in Steaks zerlegt. Mikel Viñaspre, Mitbegründer des Sagardi, wird sie dann grillen.

Jaca tätschelt sanft die gelbe Fettdecke, mit der die Rippe bedeckt ist und erklärt mir: „In keinem anderen Land isst man Kühe so wie bei uns. Jede Woche fasse ich tausend Schlachtkörper an und weiß allein schon durch das Anfassen des Fetts, ob sie gut sind oder nicht."

Txuletón kommt nicht von irgendwelchen alten Kühen aus Farmhaltung. Für Imanol Jaca müssen es vacas, liebevoll gepflegte ehemalige Milchkühe, oder bueyes, Ochsen, sein.

„Am wichtigsten für uns ist, dass die Kuh 12 bis 20 Jahre alt ist", meint er. „Warum? Weil das Fleisch dann am besten schmeckt, es ist alt und stark."

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Solche Tiere zu finden ist nicht einfach. Ochsen und alte Milchkühe sind fast verschwunden, seitdem Traktoren und die massenhafte Milchproduktion in Spanien die alten Landwirtschaftsmethoden, die eher der Eigenverpflegung dienten, verdrängt haben. Tagelang reist Imanol Jaca in die entferntesten Ecken Galiziens und Portugals, um genau diese Tiere aufzuspüren.

„Der Ochse ist meist jeden Tag beim Bauern, das Tier isst also gut und lebt wie ein König", erklärt er. „Aber eine Milchkuh hat das beste Fett."

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Wie auch immer: Die Tiere müssen verwöhnt werden und über die Jahre hinweg von einem liebevollen Bauern langsam gefüttert werden. Nach dem Schlachten muss das Ochsenviertel mindestens zwei Stunden lang auf Zimmertemperatur gebracht werden. Beim restlichen Prozedere gelten weniger Regeln.

„Manche Dinge kann ich einfach nicht anderen beibringen, es ist Intuition, Instinkt", erklärt Jaca. Er reibt mit seiner Hand einmal über das Fett und zeigt sie mir: Sie glänzen, als hätte er sich gerade eine Spa-Maniküre verpassen lassen. „Wenn man dran reibt, muss das Fett abgehen. Wenn die Kuh nicht sehr viel Fett hat, nützt sie nichts. Das Fett riecht nach Grill, nach Käse und Gras."

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Ein frisch geschnittenes txuletón vom baskischen Fleischer Imanol Jaca

Jacas Hände riechen für mich wie pata negra, der verführerisch gute spanische Schinken, bei dem man für eine ordentliche Keule schon mal über 2.000 Euro zahlt.

Endlich wird angeschnitten. Mit einem Hackbeil und einem Messer schneidet Imanol einmal sauber waagerecht durch die Ochsenrippe.

Mit glückseligem, sanftem Blick schaut Mikel Viñaspre zu. Er hat es zwar alles schon einmal gesehen, doch das Spektakel fasziniert ihn immer wieder. Er nimmt ein Stück weg und meint: „Das hier wollen wir nicht an einem txuletón haben, wir nennen es tapa, Deckel. Das kommt in die Suppe."

Jaca zerlegt vor unseren Augen das restliche Fleisch. Während er die Steaks abschneidet, bewegen sich seine Finger könnerhaft über die Muskeln. In nur ein paar Sekunden hat er einen großen Berg fünf Zentimeter dicker Steaks geschnitten. Das Fleisch ist dunkelrot und mit Fett marmoriert.

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Jetzt ist Viñaspre an der Reihe. Die Kunst des baskischen Steaks liegt auch in seiner Zubereitung.

„Das hier ist der Grill", erklärt er. „Aus Edelstahl und immer sehr sauber, weil wir hier kein Feuer wollen, sondern die Hitze der Holzkohle, die außerdem Top-Qualität haben muss. Wir wollen nicht, dass das Steak nach Kohle schmeckt."

Salz ist der Schlüssel für ein perfektes txuletón, meint Viñaspre, der auf das Essen seiner Region genauso stolz ist wie Jaca. Zum Kochen nehmen sie sehr grobkörniges Salz, damit das Steak versiegelt wird. Vor dem Servieren wird dann noch etwas feineres Salz von der Île de Ré darüber gestreut.

Das ist das genaue Gegenteil zum Grillen von amerikanischen Steaks. Das Fleisch wird nicht die ganze Zeit gewendet, sondern nur einmal, sobald es schön goldbraun ist.

„Das Salz sollte immer auf die gegrillte Seite gegeben werden, niemals auf die rohe—dadurch würde Wasser entzogen werden", meint Viñaspre.

In den folgenden Minuten herrscht hochkonzentriert Spannung. Viñaspre wartet, dass das Fett und der Saft im Inneren durch die heißen Kohlen „verschmelzen", dann legt er das Steak auf die nicht ganz so heiße Seite des Rosts. Dicht zusammengedrängt warten wir und trinken gespannt unseren baskischen Apfelschaumwein. Als kleinen Appetitanreger gibt es eine Suppe aus schwarzen Bohnen aus Tolosa mit morcilla, spanischer Blutwurst. Die Bohnen sind, wie auch das Ochsenfleisch, eine Delikatesse aus der baskischen Provinz Gipuzkoa.

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Doch wir alle warten nur auf das Highlight: den Ochsen.

Endlich ist das Fleisch fertig. In einem Kreis stellen wir uns um den Tisch und schlagen zu. Dieses Steak schmeckt intensiver und stärker als jedes, das ich zuvor gegessen habe. Das Fett ist cremig und trieft. Da haben mich die beiden baskischen Rindfleisch-Schamanen auf einen ganz schönen Trip geschickt.