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Sex

Ich bin Mitte 20, Jungfrau, katholisch – und liebe Sex

Ja, das funktioniert auch ohne multiple Persönlichkeit. Und in Deutschland bin ich damit längst nicht allein.

Nach vielen Shots und noch mehr Küssen liegt ein dunkelhaariger Typ in meinem Bett. Er fasst mir unters Shirt, ich ihm in den Schritt. Wir fangen an, uns auszuziehen. Spätestens jetzt muss ich es ihm sagen. "Ich bin noch Jungfrau", gestehe ich. "Und das wird sich heute nicht ändern." Der halbnackte Kerl guckt mich ungläubig an. Schließlich habe ich ihn aufgerissen – und zu mir nach Hause eingeladen. "Oh krass, echt jetzt? Das glaub ich nicht", sagt er – nicht unbedingt enttäuscht, aber ziemlich überrascht. Jungfrauen mit Mitte 20 stellen sich die meisten als schüchterne Mauerblümchen vor. Ich bin selbstbewusst, alles andere als verklemmt – und kriege genug Komplimente und Pfiffe auf der Straße, um sicher sein zu können, dass mein Aussehen eher ein Vorteil als ein Nachteil ist.

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Ja, ich habe Bock, mit dem Dunkelhaarigen zu schlafen, aber mein Gehirn sagt mir, dass es nicht die beste Idee wäre, mein erstes Mal mit einer zufälligen Clubbekanntschaft zu haben – oder wahlweise mit einem netten Typ von nebenan, für den ich keine Gefühle habe, nur um es hinter mich zu bringen. Ich halte nach wie vor an der Vorstellung fest, das erste Mal mit jemandem zu haben, für den ich mehr als nur Sympathie empfinde. Auch wenn das bedeutet, in den Zwanzigern noch Jungfrau zu sein.


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Das heißt nicht, dass das Thema Sex für mich keine große Rolle spielt. Meine Libido funktioniert nicht nur beim Masturbieren einwandfrei, auch sonst hatte ich durchaus den ein oder anderen Herrenbesuch zu Hause, der alles andere als jugendfrei war und mir auch Spaß gemacht hat. Nur Spaß ist eben nicht alles. Zumindest nicht für die Frau. Das sagt mir die Erfahrung – und die Studie von Anne Campbell aus der Durham University. Sie zeigt, dass gerade mal 54 Prozent aller Frauen nach einem One-Night-Stand zufrieden sind. Der Rest hat das Gefühl, benutzt worden zu sein. Ich bin mir sicher, so ginge es auch mir auch, wenn ich mein erstes Mal mit jemanden erlebe, für den ich keine Gefühle habe. Deshalb muss ich mich solange mit den Alternativen vergnügen, die eine Penetration ausschließen. Klar, auch Lecken und Fummeln ist Sex – aber dieser letzte Schritt ist zu intim, als dass ich ihn mit jemand Fremdem erleben möchte, weil ich der Person dann körperlich so nah wäre, wie ich es noch nie zuvor gewesen bin, und mich außerdem immer an sie erinnern müsste. Die Erfahrungen von Freundinnen zeigen darüber hinaus: Das erste Mal tut manchmal weh und ist zumindest selten entspannt. Deshalb ist es etwas, das ich mit jemandem erleben will, dem ich vertraue.

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Meine Freunde wissen, dass ich noch keinen Sex hatte. Für sie ist es normal. Und ich sitze auch nicht schweigend daneben, wenn sie über Sex reden. Ich habe ihnen von meinem ersten Blowjob genauso aufgeregt erzählt wie sie mir von ihrem ersten Mal. Das erleben die meisten Mädchen in Deutschland im Schnitt übrigens im Alter von etwa 15 Jahren. Lediglich 11 Prozent aller deutscher Frauen hatten mit 20 Jahren noch keinen Sex. Vor Leuten, die ich neu kennenlerne, verberge ich meine Jungfräulichkeit auch nicht – schließlich ist sie meine Entscheidung. Diesen Text schreibe ich aber unter einem Pseudonym, weil ich nicht möchte, dass das ganze Internet über mein Sexleben Bescheid weiß. In meinem Alter noch Jungfrau zu sein, gilt für viele in Deutschland als ein Zeichen, dass etwas nicht stimmt, dass man Komplexe hat, schwierig ist – oder eine Hardcorechristin, die bis zur Ehe warten möchte.

Collage: FreeImages.com | Oliver Gruener | Collage von VICE Media

Ich bin zwar Christin, aber keine Glaubenskriegerin mit zwei geflochtenen Zöpfen und langem Rock. In meiner Freizeit missioniere ich auch nicht Leute, die auf den falschen Weg gekommen sind, sondern gehe feiern, date Männer jenseits der 30 und habe ab und an einen ordentlichen Vollrausch. Aber ja, ich glaube an Jesus. Mit dem Sex warte ich nicht deshalb, weil es mein Glaube oder irgendeine Institution von mir verlangt, sondern weil ich einfach auf den richtigen Kerl warte, bei dem ich mich gut aufgehoben fühle. Ich muss ihn dafür aber nicht unbedingt erstmal heiraten.

Die Männer, mit denen ich was hatte, hat es nie gestört, dass ich keine Penetration wollte. Wahrscheinlich waren sie sich bewusst, dass eine Entjungferung mehr Verantwortung mit sich bringt als ein One-Night-Stand mit jemanden, der schon öfter Sex hatte. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass ich nach dem Sex mehr Nähe brauchen werde als eine erfahrenere Frau. Die Männer, mit denen ich im Bett war, haben auch verstanden, dass ich diesen Schritt nur mit jemandem gehen will, der mir wichtig ist. Wir haben uns dann einfach anders vergnügt. Nicht einer hat mich jemals dazu gedrängt, mit ihm zu schlafen.

Denn Sex ist sowieso so viel mehr als Penetration. Und gut im Bett zu sein, heißt ja auch nicht, das Kamasutra nachturnen zu können, sondern dass man selbstbewusst ist, weiß, was man will – oder auch gerade nicht will – und sich auch traut, das auszusprechen. Es hört sich zwar paradox an, aber ich bin Jungfrau und liebe Sex – nur ist der bei mir halt nicht penetrativ. Jungfrau zu sein und sexuelle Aufgeschlossenheit schließen sich für mich nicht aus. Genauso wie Glaube und ein offenes Verhältnis zu Sex. Erst neulich hatte ich einen hübschen Norweger – und bin danach in die Aschermittwoch-Messe gegangen, um die Fastenzeit gebührend einzuleiten.

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