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Copwatch

Die Bayerische Polizei verbietet Linken, gegen die AfD zu protestieren

Einige linke Aktivisten müssen ihr Wochenende auf dem Rosenheimer Polizeirevier verbringen. Die Polizei will so verhindern, dass sie in Köln gegen den AfD-Parteitag auf die Straße gehen.
Die 28-jährige Carda auf einer Demo gegen die Meldeauflagen der Polizei | Alle Fotos von der Autorin

Als die Polizei das Gelände gestürmt hat, gab es gerade die Nachbesprechung. Peter sagt, sie waren dabei, die letzten Fragen zu klären. Wie ihnen der Tag gefallen habe, ob sie sich jetzt sicherer fühlten, wann Sitzblockaden denn nun sinnvoll seien. Über die Polizei hatten sie auch schon viel geredet, klar. Immerhin war das ein Blockadetraining, um zu lernen, wie man Aufmärsche von Nazis blockiert. "Wir sind so in einem Kreis im Garten rumgestanden", sagt Peter, "und plötzlich ist einer aus dem Haus gerannt gekommen und hat geschrien: 'Echte Cops!' Und da war eigentlich schon alles voll mit blauen Helmen." Konrad sagt: "Die waren vermummt und bewaffnet." Und Tom: "Bestimmt 50 Mann." "Ich bin instinktiv sofort losgelaufen", sagt Peter.

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Ein Großeinsatz der Polizei in Rosenheim.

Weil 30 junge Antifaschisten in einem Garten Sitzblockaden üben. Das war vor zwei Wochen.

Letzte Woche kam dann der Brief: Die Leute sollen sich am Samstag, den 23. April, zwischen 9 und 11 Uhr und zwischen 15 und 17 Uhr in ihrem örtlichen Polizeirevier melden.

Das ist einer der Bescheide

Damit sie nicht nach Köln fahren können an diesem Tag. Dort findet am Wochenende der Parteitag der AfD statt, gegen den massive Proteste von links erwartet werden, und die jungen Leute, so steht das in dem Meldebescheid, "verfügen nun über das Wissen und praktische Knowhow, sich gegen polizeiliche Maßnahmen zu wehren". Es sei zu erwarten, "dass sie dieses bei kommenden Großdemonstrationen auch anwenden werden". Sollten die Aktivisten sich auf dem Polizeirevier nicht einfinden, wird "unmittelbarer Zwang" angedroht. Für die Ausstellung des Bescheids sollen zudem 100 Euro gezahlt werden. Verwaltungsgebühren. Zu überweisen auf das Konto der Stadt Rosenheim.

Ein Demonstrationsverbot also. Für mehr als ein Dutzend linke Aktivisten. "Ein direkter Angriff auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit", sagt Mathes Breuer, Rechtsanwalt für Straf- und Polizeirecht und Verteidiger einiger der Betroffenen.

Anfang dieser Woche haben Peter und seine Freunde Klage gegen den Bescheid eingereicht. Am Freitag soll darüber das Verwaltungsgerichts entscheiden. Darf die Stadt Rosenheim ein Reiseverbot gegen Menschen verhängen, weil diese Sitzblockaden geübt haben?

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"Blockadeverhalten praktisch gelehrt und geübt" – für die bayerische Polizei Grund für ein Demonstrationsverbot

Der Grund der Sorge der Polizei : 50.000 linke Gegendemonstranten werden beim AfD-Parteitag in Köln erwartet. Ein "schwieriger Einsatz" werde das, zitiert die Welt den Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies. Es gebe nämlich "Erkenntnisse, dass mehrere tausend Linksextreme nach Köln kommen werden".

"Blockadetrainings" zur Vorbereitung auf Großdemonstrationen sind in der linken Szene nichts Ungewöhnliches. In Köln hat vor zwei Wochen ein ähnliches Training stattgefunden, beobachtet und fotografisch festgehalten von der örtlichen Presse. In Rosenheim war keine Presse dabei, dafür hat die Polizei einen Hubschrauber geschickt, um die Veranstaltung aus der Luft zu filmen. Auch das erfährt man aus dem Meldebescheid. Die Hubschrauberdokumentation zeige, dass die teilnehmenden Personen "vor Gewaltanwendung gegen staatliche Vollzugsorgane nicht zurückschrecken".

"Gewalt?", Peter fängt an zu lachen. "Wir sind ja kein Boxclub", sagt er. Sie hätten geübt, wie man Polizeiketten "durchfließt". Da haben dann ein paar Leute die Polizei gespielt und sich nebeneinander aufgestellt und der Rest hat versucht, an ihnen vorbeizulaufen. Die "Polizei" hatte zusammengerollte Zeitungen in der Hand, die haben die Knüppel symbolisiert, "ob sie das wohl mit Gewalt meinen?".

Die Gruppe lernte so, möglichst langsam zu gehen und möglichst gleichzeitig. Denn die Polizei kann nicht 20 Leute auf einmal aufhalten – und langsam zu gehen, erhöhe die Hemmschwelle der Polizisten, auf die Demonstranten einzuhauen. Einen Rechtsvortrag gab es auch – von einem linken Rechtshilfeverein, zur Frage, was genau man alles darf auf Demonstrationen. Peter ist 18 Jahre alt und seine Stimme überschlägt sich noch immer, wenn er von dem Polizeieinsatz bei dem Blockadetraining erzählt. Nie, sagt er, hätte er damit gerechnet, dass die Polizei das Gelände stürmt. "Warum auch?" Und überhaupt: Woher wussten die Beamten davon? "Wir haben das nur im Bekanntenkreis ausgemacht, das wurde nirgendwo öffentlich beworben."

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Der Meldebescheid legt auf jeden Fall nahe, dass die Aktivisten überwacht werden. Der Betroffene, steht in einem der Behördenbriefe, habe sich bereits mehrmals an linken Demonstrationen und Protestveranstaltungen beteiligt. Ob man schon einmal rechtskräftig verurteilt worden sei, spiele für die Auflage keine Rolle, heißt es an einer anderen Stelle. Der Anwalt Mathes Breuer sagt: "Da stellt sich schon die Frage, woher die Polizei wissen will, dass die Leute manchmal an Demonstrationen teilnehmen."

Es scheint aber, als seien die Überwachungsmethoden der Polizei noch nicht wahnsinnig ausgefeilt: "Ich gehe eigentlich nie zu politischen Veranstaltungen", sagt die 28-jährige Carda. Auch sie muss sich am Samstag auf der Polizeistation melden. Dabei hat sie an dem Demonstrationstraining gar nicht teilgenommen. Sie war auf dem Weg zu einer Theaterprobe in der Nähe des Blockadetrainings, als die Polizei sie aufgehalten und ihren Ausweis verlangt hat. "Die dachten wahrscheinlich wegen meiner bunten Haare, dass ich zu dem Training dazugehören würde", sagt sie. "Die anderen Leute aus meiner Theatergruppe haben sie nicht kontrolliert, dabei standen die daneben." Carda wollte eigentlich am Donnerstag nach Italien fahren. Statt am Gardasee am Strand zu liegen, muss sie dieses Wochenende jetzt auf der Polizeiwache verbringen. "Dabei haben die Polizisten mich nach der Kontrolle sogar noch gesehen, wie ich in meinem Römerkostüm über die Wiese gehüpft bin", sagt sie.

Anruf beim Rosenheimer "Amt für Sicherheit und Ordnung". Der Beamte S., der als Ansprechpartner auf dem Meldebescheid notiert ist, arbeitet dort. Allerdings ist er seit dem 14. April im Urlaub, das sagt sein Anrufbeantworter. Der Meldebescheid wurde am 18. April ausgestellt. Wie kann das sein? Die Pressestelle steht aktuell unglücklicherweise "wirklich unter Stress" und hat keine Zeit, kurzfristig Fragen zu dem Bescheid zu beantworten.

Bei der Polizei Rosenheim geht zumindest jemand ans Telefon. "Ob so ein Blockadetraining verboten ist, weiß ich nicht, aber es war zumindest ungewöhnlich", sagt der Beamte Z. Der Grund für den Polizeieinsatz sei zudem nicht das Demotraining gewesen, sondern die Prognose, dass es beim Parteitag in Köln Ausschreitungen geben könnte. Worauf die beruhen? Der Beamte Z. sagt, er habe keine Zeit, sich an Spekulationen zu beteiligen. "Rufen Sie Montag noch einmal an auf der Dienststelle. Ich habe wirklich anderes zu tun."

Rechtsanwalt Mathes Breuer ist überzeugt, dass bis dahin der Bescheid bereits für rechtswidrig erklärt sein wird. "Alles andere wäre wirklich absurd", sagt er. Den Polizeieinsatz und die Meldeauflagen hält er für "reine Einschüchterungsversuche". Ob das stimmt? Die Betroffenen – außer Carda – haben zumindest darum gebeten, in diesem Artikel ihre Namen zu ändern. "Mein Vertrauen darin, dass man in Deutschland als Antifaschist offen auftreten kann", sagt einer von ihnen, "ist in den letzten Wochen nicht unbedingt gewachsen."

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