Gianni Berghella – der Boss des italienischen Street Food in Berlin

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Interview

Gianni Berghella – der Boss des italienischen Street Food in Berlin

Ob es nun Piadina, kleine Polpette oder Büffelmozzarellasalat ist, Giannis Häppchen werden dich sofort auf deine eigene italienische Piazza transportieren.

In unserer Kolumne „I Got It From My Mama" fragen wir Persönlichkeiten, Foodies und auch Leute, die mit Essen gar nichts am Hut haben, woran sie denken, wenn sie an Essen denken.

Gianni ist der Boss des italienischen Street Food in Berlin. In seinem Deli Pic Nic 34 mit Ausblick auf den Görlitzer Park schwingt er den Kochlöffel und kocht saucige Leckereien. Ob es nun Piadina, die gebackenen Fladenbrote mit gepökeltem Fleisch und Käse, kleine Polpette (Fleischbällchen) oder der Büffelmozzarellasalat ist, diese kleinen Häppchen werden dich sofort auf deine eigene italienische Piazza transportieren … Beim Bite Club steht Gianni grinsend hinter einem heißen Grill. Halt Ausschau nach Salsiccia mit wildem Brokkoli und Arrosticini—diese Spieße sind in den Abruzzen ein Street Food-Klassiker und schmecken wahnsinnig gut.

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arrosticini

Wenn du die Augen schließt und an Essen denkst, was fällt dir ein?

Ein großer Tisch voll mit Käse, Schinken, Wurst … Ich weiß nicht, irgendetwas Großes mit viel geräuchertem und gepökeltem Fleisch aus meiner Heimatregion und meiner Kindheit.

War gutes/gemeinsames Essen wichtig in deiner Familie? Wie ist es jetzt? Ich glaube, das war eines der wichtigsten Dinge in meiner Familie, dass alle um halb neun Uhr abends ungefähr zusammenkamen, auf das Essen warteten, gemeinsam aßen, über Probleme und über schöne Dinge redeten, während vor uns das Essen stand. Es war die einzige Zeit des Tages, die wir alle gemeinsam verbrachten. Und das ist immer noch so. Zwar zu einer anderen Uhrzeit, so zwischen halb zehn und halb elf, aber ansonsten ist es immer noch das Gleiche. Man setzt sich hin und spricht über alles. Für mich ist es das Schönste, mich mit jemandem zu unterhalten, während Essen vor mir steht. Wenn man ein Problem hat, ist es immer besser, mit etwas Leckerem im Mund darüber zu reden. Das ist der Gedanke dahinter.

gianni-salsiccia

Wie wurde das Essen bei euch in der Familie gehandhabt? Wurde es so richtig zelebriert oder war das eher etwas, das man nebenbei gemacht hat? Haben Mama/Papa/Oma regelmäßig gekocht? Ja, alle Frauen in meiner Familie. Ich bin mit meiner Oma und meiner Mutter aufgewachsen und die beiden kochen ständig. Immer etwas anderes, aber mindestens ein Mal pro Tag.

Und wie war das am Wochenende? Gab es da etwas Spezielles? Gab es ein gemeinsames Sonntagsessen? Sonntag war immer das Beste, manchmal aber auch das Schlimmste, wenn man am Vorabend feiern war und dann am Sonntag zum Mittagessen um halb zwei antanzen musste. Der Tisch war immer voll mit Lasagne, Cannoli, Pasta al forno … und ich hatte immer noch einen Kater. Als ich schon älter war, dachte ich mir dann immer so, Aaaaah! Heute vermisse ich es. Heute arbeite ich oft am Sonntag oder mache etwas anderes und die Atmosphäre ist nicht mehr die gleiche. Manchmal versuche ich dieses Gefühl bei einem Brunch mit Freunden, zu dem jeder etwas mitbringt, wieder aufleben zu lassen. Dann entsteht das gleiche Gefühl damals: viele verschiedene Hände, die das Essen zubereiten, verschiedene Techniken, Geschmäcker und Gerüche.

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gianni-food-truck

Wo/Was und mit wem hast du gegessen und wirst es wahrscheinlich nie vergessen? Als ich Laura [Anm. d. Red.: Giannis Verlobte] meiner Mutter vorgestellt habe. Sie führte uns in eines der besten Fischrestaurants aus und es gab nur Fisch und Meeresfrüchte. Wir aßen so viele Dinge, die ich noch nie probiert habe, wie Lithophaga-Muscheln oder Doraden-Carpaccio in Zitronen- und Orangensaft. Manchmal denke ich mir, das sollte wie ein Traum sein, der wiederkehrt, aber es ist nie mehr passiert.

Wo/was und mit wem würdest du jetzt am liebsten essen? Chato Chaci in Bangkok wäre jetzt super, mit meinem Vater. Ich habe noch nie nur mit meinen Vater allein zu Mittag gegessen, ein Mal im Leben sollte ich das machen.

Was ist dein Lieblingsessen? Keine Ahnung. Gutes Essen. Gut gemacht, gute Qualität, gutes Handwerk. Es ist egal, woher es kommt, es können auch Fish & Chips sein, wenn sie gut gemacht sind.

Gibts ein Essen, auf das du Lust hast, wenn du verkatert bist? Pizza! In Berlin habe ich drei Lieblingspizzerias. Die eine ist Standard Pizza, die andere Mami Cammi und die dritte Masinello. Dort fühle ich mich wie Zuhause, weil ich dem Besitzer sehr nahe stehe. Pasquale mag mich unglaublich gerne und er hat mir viel dabei geholfen, meinen Laden zu eröffnen. Er war wie ein Vater und er gab mir die Kontakte, um das richtige Fleisch und Importeure zu finden. Er ist mehr wie mein Pate.

Hat dein Wohnsitz mit dem kulinarischen Angebot vor Ort zu tun? Manchmal beeinflusst mich die Stadt. Die Deutschen mögen gerne strukturiertes Essen. In Italien mögen wie sehr einfache Dinge wie Bruschetta mit guten Tomaten, gutem Öl, gutem Salz und gutem Brot. Das war's. Keine Saucen. Die Deutschen hingegen lieben Saucen. Ich mache mein Rucolapesto mit Mandeln, weil das den Leuten schmeckt oder so etwas wie Paprika und getrockneten Tomaten, das mögen sie. Meine Mayonnaise mochten sie anfangs überhaupt nicht, weil man in der deutschen Kultur die Mayonnaise nicht selber macht. Wenn sie sie aber mit Parmesan oder Blauschimmelkäse probieren, schmeckt es ihnen super. Als ich aufwuchs, spielten Saucen keine besonders wichtige Rolle. Aber weil die Deutschen Saucen so lieben, mache ich jetzt vieles Essen mit Saucen. Ich mache sie aus qualitativ hochwertigen Zutaten und bleibe so meinen eigenen Ideen und Vorstellungen treu, aber ich füge dieses eine Element hinzu, um die Kunden noch glücklicher zu machen. Ja, das hat Berlin mit mir angestellt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Nachsatz: Am Freitag ist wieder Bite Club!