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Apfel

Cider trinken gegen Lebensmittelverschwendung

Ein Londoner Getränkeproduzent verwandelt die ungewollten Äpfel Londons zu Craft Cider.
Phoebe Hurst
London, GB

In deutschen Haushalten landen jedes Jahr 6,6 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, von denen mehr als ein Drittel Obst und Gemüse ist. In der gleichen Zeit trinkt der durchschnittliche Deutsche 9,5 Liter puren Alkohol.

In Großbritannien sind es sogar 11,6 Liter pro Kopf. Eine Statistik, die das Land nicht gerade in das beste Licht rückt. (Sex in Autos haben können sie dafür ganz gut.) Vielleicht waren es deshalb die Briten, die einen Weg gefunden haben, unsere Unfähigkeit, einzuschätzen, wie viele Orangen wir in der kommenden Woche essen, mit der Liebe zu Alkohol zu verbinden. Am liebsten mit einem schönen Craft Beer-Etikett.

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Das Getränkeunternehmen Hawkes aus London launchte letzte Woche Urban Orchard, ein Cider, der aus kulinarischen Äpfeln sowie gespendeten Äpfeln von privaten oder Gemeinschaftsgärten produziert wird. Jeder, der nicht weiß, was anfangen mit seinen Äpfeln, kann sie spenden und erhält im Gegenzug eine personalisierte Flasche Urban Orchard. Hawkes will außerdem zehn Prozent seines Nettogewinns mit den Gemeinschaftsgärten teilen, die ihr überschüssiges Obst spenden.

„Unser Gedanke hinter Urban Orchard war: Wie cool wäre es, wenn du einfach ein paar Äpfel sammeln könntest, sie uns geben und dann einen Cider trinken könntest mit dem Wissen, dass irgendwo da drin dein Apfel steckt?", sagt der Hawkes-Gründer Simon Wright. „Jeder weiß, dass unsere Lebensmittlelverschwendung ein absurdes Ausmaß erreicht hat, es ist ein Verbrechen. In Gemeinschaftsgärten gibt es Obstbäume und Leute können übriges Obst abholen. Aber es gibt nicht ein greifbares Produkt aus diesen überschüssigen Lebensmitteln, das ganz London in die Arme schließen kann."

In London auf der Suche nach Hobbyapfelbauern zu sein, scheint irgendwie ein bisschen fehl am Platz. Wer in der Innenstadt lebt, kann sich glücklich schätzen, ein paar Kubikmeter Außenfläche neben seiner Mülltonne zu haben, ganz zu schweigen von einer Grünfläche mit Apfelbäumen, die Früchte tragen.

Aber der Trend des urbanen Obstanbaus ist auf dem Vormarsch. Das Urban Orchard-Projekt arbeitet mit Gemeinschaften in großen Städten in ganz Großbritannien, um Obstbäume anzupflanzen und den Stadtbewohnern den Genuss selbst angebauter Erzeugnisse näher zu bringen. Im Dezember pflanzte die Wohltätigkeitsorganisation einen Obstgarten mit 26 Bäumen im Alexandra Park im Norden Londons und im Zuge ihres neuen Projektes Helping Britain Blossom bekam Camden Town seinen ersten Obstgarten mit Pflaumen-, Birnen- und Apfelbäumen. Hawkes' neuer Cider reitet auf der goldenen Welle eines wiederentdeckten Interesses an Äpfeln.

„Die letzte Ernte war ein Wettlauf gegen die Zeit, weil wir erst im Juli die Ressourcen hatten, die Äpfel zu beschaffen und im September oder Oktober werden sie reif", sagt Wright. „Wir fuhren überall mit unserem Van vorbei und füllten ihn mit Äpfeln. Wir verbrachten auch einige Tage mit unseren Freiwilligen, überall Äpfel aufzusammeln, wo wir die Erlaubnis hatten—und manchmal auch nicht."

Aber wie schafft es Wright, dass Urban Orchard aus all diesen Äpfeln, die sie in der Hauptstadt zusammengeklaubt haben, nicht zu irgendeinem ekligen Gesöff zusammengebraut wird?

„Der Großteil unseres Ciders wird aus kulinarischen Äpfeln hergestellt, von denen wir wissen, um welche Sorten es sich handelt", erklärt er. „Dann mischen wir den Saft der gespendeten Äpfeln zur restlichen Flüssigkeit. Jedes Mal, wenn wir eine neue Ladung brauen, verändert sich der Geschmack ein bisschen. Das ist aber nur ganz subtil. In der Zukunft wollen wir den Anteil an gespendeten Äpfeln in unserer Mischung erhöhen und auch kleinere Ladungen mit 100 Prozent gespendeten Äpfeln produzieren."

Ob es nun mit Absicht war oder nicht, Hawkes hat das Tierheim der Alkoholwelt erfunden: ein Ort, an dem für ungewollte Äpfel noch Hoffnung besteht.