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Restaurant Confessionals

Ich bin eure Flugbegleiterin und sage, ihr seid alle ein Haufen Säufer

Ich weiß, dass das schon dein vierter Bloody Mary ist und du high auf Schlaftabletten bist. Also sag mir bitte nicht, dass ich eine sexy Assistentenstimme habe und frag auch nicht nach Mineralwasser – sowas gibt's im Flugzeug nicht.
Foto: Christina Xu​ | Flickr​ | CC BY-SA 2.0

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal erweitern wir unsere Kolumne und geben das Wort an Barkeeper weiter, die der Schwerkraft trotzen, und mit denen wohl fast jeder schon zu tun hatte: Flugbegleiter.

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Ich fliege ungefähr 75 Stunden pro Monat. Hauptsächlich Inlandsflüge, obwohl ich auch schon einige internationale hinter mir habe. An den Tagen, an denen ich arbeite, mache ich normalerweise mindestens zwei Flüge pro Tag. Je nach Reiseziel und Flugzeiten befinden sich dann mehr oder weniger betrunkene Leute an Bord.

Kürzlich habe ich zu Thanksgiving gearbeitet, da waren sehr viele besoffene junge Leute. Sie kaufen sich massenhaft Getränke am Flughafen oder im Flugzeug, weil sie wissen, dass ihre Eltern sie abholen kommen und sie nicht mehr fahren müssen. In solchen Fällen steigt der Alkoholkonsum deutlich an.

Vielleicht haben sie aber auch einfach das Gefühl, dass sie sich vor dem Wiedersehen mit der Familie ein bisschen gesellschaftsfähig trinken müssen.

Das Fliegen bringt die schlimmsten Eigenschaften der Menschen zum Vorschein – viele sind so gestresst. Sie werden richtig wütend, wenn ihr Gepäck nicht in den Fächern über den Sitzen Platz hat und sie bitten uns, es hochzuheben. Das dürfen wir aber gar nicht, weil wir uns dabei verletzen könnten und dann geht es um Haftung. Außerdem – wenn du deinen eigenen Koffer gepackt hast, solltest du auch in der Lage sein, ihn zu tragen und hochzuheben. Wenn ein nervender oder verrückter Fluggast an Bord ist, verbreitet sich die Info schnell unter allen Flugbegleitern. Ich sehe, wie mein Freunde Status-Updates posten wie: „Oh Gott, ich musste mich gerade mit diesem verrückten Mädel herumschlagen, das wir fast aus dem Flugzeug geschmissen hätten!"

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Allgemein haben Leute in der ersten Klasse ihren Alkoholpegel viel besser unter Kontrolle – die stockbesoffenen Passagiere sind meistens in der Economy Class.

Die häufigsten Getränkebestellungen sind Wodka-Orange und Bloody Marys. Was mich bei einer Bestellung wirklich nervt, ist, wenn Leute nach bestimmten Alkoholmarken fragen. Sie wollen manchmal eine schweineteure Wodkamarke und ich denke mir nur so: Kommt schon, das ist keine voll ausgestattete Bar.

VIDEO: How-To: Bloody Mary mit Gin

Aber das Dämlichste, nach dem die Leute fragen, ist „Mineralwasser". Alles klar – hier ist dein Club Soda mit Limette.

Ich arbeite lieber in der ersten Klasse, wo die Getränke gratis sind. Die Leute dort fliegen öfter und sie wissen, was sie von uns erwarten können und was nicht. Die meisten von ihnen sind Businessleute, auf die am Flughafen ein Fahrer wartet. Normalerweise sind sie sehr nett – solange du ihr Getränk immer wieder brav auffüllst, wollen sie meistens nichts Anderes von dir. Oft fühle ich mich aber, als wäre ich als Barkeeperin angestellt worden.

Es ist mir schon einige Male passiert, dass ich den Leuten nichts mehr zu trinken geben konnte. Das ist in der Economy Class definitiv leichter als in der First Class. Man kann ja schlecht sagen: „OK, du hast dieses scheißteure First Class-Ticket gekauft, aber du musst jetzt trotzdem aufhören zu trinken." Dort haben sie eher das Recht dazu, weil die Getränke gratis sind.

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In einer Welt post-9/11 werden wir angehalten, es nicht zuzulassen, dass die Leute sich zu sehr betrinken. Wenn es doch passiert, ist es meistens, weil sie sich davor irgendeine Tablette eingeworfen haben und darauf reagieren, oder weil sie schon am Flughafen an der Bar ein paar Getränk runtergekippt haben. Allgemein haben Leute in der ersten Klasse ihren Alkoholpegel viel besser unter Kontrolle – die stockbesoffenen Passagiere sind meistens in der Economy Class.

Meistens ist es offensichtlich, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dass du ihnen nichts mehr servieren solltest, weil sie nicht mehr gehen können. Kürzlich hatten wir eine Frau an Bord, die von ihrem Mann gestützt ins Flugzeug geführt wurde, weil sie schon so viel getrunken hatte. Die Kollegin am Gate sagte: „Wie wär's, wenn wir ihren Flug umbuchen? Sieht so aus, als hätte ihre Frau vielleicht schon ein bisschen zu viel getrunken. Möchte sie vielleicht ein Wasser?" Und er sagte: „Naja .. OK, ich glaube, Sie haben recht."

Wenn jemand beim Einsteigen schon sehr betrunken ist, können wir das dem Piloten sagen, aber am Ende entscheidet er, wer in seinem Flugzeug sitzt und wer nicht. Das gilt auch für Leute, die sich uns gegenüber extrem unangemessen verhalten. Die meisten Piloten sagen, „Gib mir einfach Bescheid, wenn es ein Problem gibt und ich schmeiße sie raus, bevor wir abheben."

Oft kommt es vor, dass Leute auf transkontinentalen Flügen eine Schlaftablette nehmen. Wenn sie dann Alkohol trinken und nicht einschlafen, werden sie zu Zombies ohne Sinn und Verstand. Wie in dieser einen Szene in Brautalarm.

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Letztes Mal war dieser Typ auf einem verspäteten Flug – ich glaube, er hatte sich schon seine Schlaftablette eingeworfen – und als wir abhoben, wollte er aufs WC gehen, fiel aber auf sein Gesicht – er fiel einfach um und war bewusstlos. Irgendwie machte es uns Angst, aber wir schafften es, ihn wieder aufzuwecken und ihn zu seinem Sitz zurückzubringen. Glücklicherweise war ein Arzt an Bord, der sagte: „Das ist nur die Schlaftablette." Dann macht man sich Gedanken wie, Schaffen wir es, den Typen wieder aus dem Flugzeug zu bekommen, wenn wir landen? Normalerweise können wir sie wachrütteln, aber wenn sie weggetreten sind und nicht aufwachen, müssen wir die Rettung rufen.

In meiner ersten Woche als Flugbegleiterin arbeitete ich in einem unserer kleineren Maschinen alleine in der First Class. Es war ein Flug nach Las Vegas und das gesamte Flugzeug war ein Junggesellenabschied. Der Großteil der sexuellen Belästigung, die ich je in Flugzeugen ertragen musste, war bei diesem einen Flug. Einer von ihnen ließ einen Keks auf seinen Schoß fallen und sagte mit dem widerlichsten Lachen: „Willst du den nicht essen?" Eine der Flugbegleiterinnen aus dem hinteren Teil der Maschine musste nach vorne kommen und die meiste Zeit bei mir bleiben. Sie sagte zu mir: „Ich kann dich hier jetzt wirklich nicht alleine lassen." Heute würde ich zu diesem Typen sagen, dass ich solche Sprüche nicht dulde. Damals aber war es erst meine erste oder zweite Woche und ich war es nicht gewohnt, alleine in der ersten Klasse zu arbeiten.

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Auf Rückflügen aus Las Vegas ist die Stimmung komplett anders – jeder hat sichtlich einen Kater und keiner will mehr etwas zu trinken. Außer sie haben ein Haufen Geld gewonnen und sind alle glücklich. Manchmal sind auch Leute dabei, die bis kurz vor dem Flug feiern waren und dementsprechend riechen sie auch. Keiner will neben denen sitzen.

Auf meinem Tinder-Profil steht, dass ich Flugbegleiterin bin und das hat mir schon einige gratis Cocktails beschert. Oder wenn ich in einer Bar meinen Job erwähne, sagen vielen Typen: „Willst du einen Drink?"

Während der Flüge dürfen wir nicht trinken – du darfst noch nicht einmal in einer Bar sitzen, wenn du die Uniform anhast. Wir können auch auf Drogen getestet werden und sie können uns blasen lassen. Ich habe das bisher noch nicht miterlebt, aber wenn Verdacht besteht, dass du während der Arbeit getrunken hast, kann das schon passieren. Manchmal, wenn wir selbst mit unserer Fluglinie reisen, dürfen wir trinken. Wenn du die anderen Flugbegleiter kennst und in der Economy Class bist, bringen sie dir gratis Getränke, solange du die Uniform nicht trägst.

LESEN: Wie es sich anfühlt, als Barkeeper deinem peinlichen Tinder-Date zuzusehen

Dass Geschäftsleute Flugbegleiterinnnen anbaggern, kommt definitiv vor. Ich habe ein unschuldiges Gesicht, also ist es mir auch schon passiert. Aber eine Freundin, die in Miami lebt, kriegt mehrere Nummern pro Woche zugeschoben. Sie ist die typische blonde Sexbombe, relativ groß. Ich sehe einfach immer angepisst aus, deshalb bekomme ich nicht so viele Nummern. Ein Mal sagte ein alter Mann zu mir, ich habe eine sexy Assistentenstimme, nachdem er meine Ankündigungen über die Lautsprecher gehört hatte. Ich dachte mir, Ernsthaft? Ich hatte eine starke Erkältung und klang so, als hätte ich die letzten Jahre non-stop geraucht.

Generell ist es aber gar nicht so zügellos, wie es sich die Leute vorstellen, nicht wie die Stewardessen in den 60er-Jahren. Zum einen sehen die Uniformen meiner Fluggesellschaft überhaupt nicht süß oder sonst was aus. Meine Mutter ging 1999 in Pension und es sind die gleichen Uniformen, die sie damals schon trug.

Auf meinem Tinder-Profil steht, dass ich Flugbegleiterin bin und das hat mir schon einige gratis Cocktails beschert. Oder wenn ich in einer Bar meinen Job erwähne, sagen vielen Typen: „Willst du einen Drink?"

Das Gespräch wurde von Hilary Pollack aufgezeichnet.