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Ein Hoffenheim-Fan erzählt, wie lebensgefährlich es war, auf einem Boot mit Scheiße beworfen zu werden

VICE Sports sprach mit einem TSG-Fan, der die Fäkalien-Attacke auf das Fanschiff miterlebte.
Foto: Privat

Für einige Fans der TSG Hoffenheim war nicht nur die Aufholjagd gegen Mainz 05 (4:4) eine Achterbahnfahrt der Gefühle: Auf einer Fan-Schifffahrt nach Mainz wurden etwa 400 TSG-Fans an Bord der „River Dreams" mit Fäkalien von einer Brücke beworfen. Die unbekannten Täter sollen das Schiff von der Mannheimer Rheinbrücke aus mit Eimern voll Scheisse beworfen haben. Bisher weiß man nicht, um welche Fans es sich bei den Tätern handelt.

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VICE Sports sprach mit dem auf dem Schiff anwesenden Heiko Walkenhorst—Sprecher des Fan-Verbandes Hoffenheim und Vorsitzender des Akademiker-Fanclubs—über die lebensgefährliche Situation, die immer schlimmer werdenden Auswüchse von Fanrivalitäten und über die Reaktion von Gegner Mainz 05.

VICE Sports: Wie fühlt man sich so kurz nach so einer ekligen Attacke?
Heiko Walkenhorst: Beschissen fühlt man sich.

Den Humor hast du scheinbar nicht verloren. Aber was ist genau passiert?
Nein, einknicken ist nicht. Aber trotzdem war es eine Katastrophe. Ich war in der Sekunde unter Deck, als ich einen lauten Schlag oben hörte. Ich hatte erst Sorge, dass einige Fans von uns Scheiße gebaut hätten und bin sofort hoch. Dort sah ich, wie ein großer Güllekübel in die etwa 250 Leute an Deck gekracht war. Überall lag widerlich stinkende Kacke und mir kamen hysterisch schreiende Menschen angespritzt mit Scheiße entgegen und sind auf die Toiletten gelaufen. Wenn da 15-jährige Mädchen, die einfach nur einen schönen Sonntag verbringen wollten, auf einmal voll Kacke sind, stehen die natürlich erst mal unter Schock und schreien. Jeder, der weiß, wie Kotze riecht, kann sich ansatzweise vorstellen, wie widerlich das gestunken hat.

Foto: Privat

Was waren es für Fäkalien?
Dixi-Spezial, meinten die meisten. Ich gehe dafür zu selten auf Festivals, aber es roch ekliger als auf dem Bahnhofsklo.

Der TSG-Präsident sprach davon, dass es hätte „Menschenleben kosten können"…
Wenn einer direkt getroffen worden wäre, dann wäre er tot. Zwischen Deck und Brücke waren ungefähr zwanzig Meter und so ein 50-Liter-Eimer entwickelt in der Höhe eine Fallgeschwindigkeit und Energie, mit der man Menschen erschlagen kann. Das war lebensgefährlich. Zum Glück—möchte man sagen—wurden die Leute in der direkten Umgebung nur vollgespritzt und nicht von dem Eimer getroffen.

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Von einem Streich kann also nicht mehr die Rede sein?
Wenn diese Arschlöcher wenigstens Wasser, Zuckerwasser oder Farbe genommen hätten, dann hätte man vielleicht noch von einem Gag sprechen können, aber Scheiße ist indiskutabel. Die haben mit widerlicher Scheiße in einem scharfkantigen Bottich auf Menschen geworfen… Nicht umsonst werden Menschen, die Steine von einer Autobahnbrücke auf Fahrzeuge werfen, mit versuchtem Totschlag angeklagt. Ein mieser Hinterhalt.

Momentan spekulieren Medien, dass es sich bei den Tätern um Fans von Waldhof Mannheim handeln könnte. Wisst ihr, wer das war?
Was sollen diese Spekulationen? Hoffenheim ist nicht nur bundesweit, sondern auch lokal nicht beliebt. Aber ich will keine Fans anderer Vereine beschuldigen und die ganze Fanszene dort in Misskredit bringen. Mir ist doch egal, zu welchem Verein sie anscheinend gehören. Es waren etwa zehn Vermummte ohne irgendwelche erkennbare Fankleidung. Einer hat sogar noch gewunken.

Lebt man als Hoffenheim-Fan gefährlich?
Das hat nichts mit Hoffenheim-Fans zu tun. Einige von uns sehen sich, ähnlich wie etwa die Anhänger von RB Leipzig, gerne in Opferrolle, weil wir nicht so beliebt sind. Aber eine solche Rivalität gibt es ja auch bei den meisten Traditionsvereinen. Man denke nur an abgedrängte Fanbusse oder Steinattacken auf Fensterscheiben. Man sollte in manchen Gegenden sicherlich nicht provozieren: Ich muss nicht auf den Waldhof mit einem Hoffenheim-Trikot—wie auch nicht in Königsblau zum Borsigplatz gehen. Aber wir wollten nur eine schöne Schiffsfahrt haben. Diese Derby-Rivalitätskacke hat mittlerweile einfach nur kranke Auswüchse bekommen. Diese Menschen überdenken ihr Tun und Handeln einfach nicht.

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Wie ging die Fahrt nach dem ersten Schock dann weiter?
Wir hatten Motto-T-Shirts dabei, also konnte jeder Wechselwäsche anziehen. Es war toll: Jeder hat jedem geholfen und wir haben uns erst mal alle mit Deo vollgespritzt. An der nächsten Brücke etwa 20 Kilometer nach dem Vorfall stand die Polizei mit Blaulicht. Die Crew hat das Deck abgespritzt, die Laune wurde sofort wieder besser und fortan gab es Running-Gags wie „Eau de Toilette" oder „Scheiße gelaufen".

Die Mainzer Fans hatten nur wenige Stunden nach dem Vorfall schon eine Botschaft für die TSG-Anhänger. Foto: Imago

Die Mainzer Fans hatten ja etwas Zeit und haben noch Transparente besprüht, auf denen Dinge wie „Scheiße gelaufen…" standen. Wie fandet ihr das?
Wer den Schaden hat, braucht sich um den Spott nicht sorgen. Einige von uns haben sich darüber beschwert, aber diese Häme gehört doch zum Fußball und ist völlig in Ordnung. Wir stehen da drüber. Wir sind doch alles Bauern und schlimmere Scheiße gewohnt. Ich rechne dem Verein Mainz 05 aber etwas wirklich sehr sehr hoch an: Sie hatten von der Aktion ja ebenfalls erfahren und haben unseren Leuten in der Balljungenkabine die Möglichkeit gegeben, sich zu duschen. Eine tolle Aktion.

Wie geht es jetzt weiter?
Die Polizei ermittelt und einige Mitfahrer von uns haben eine Anzeige gegen „Unbekannt" erstattet…

Das Interview führte Benedikt Niessen, folgt ihm bei Twitter: @BeneNie