Zu Besuch im Kreuzberger Trabzonspor-Shop
Alle Fotos: Arne Siegmund

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Zu Besuch im Kreuzberger Trabzonspor-Shop

Trabzonspor ist nach den Istanbuler Clubs der beliebteste Verein der Türkei. Trabzon hat eine große Historie und schon immer verdammt edle Trikots. Wir waren in der Reichenberger Straße, im einzigen Trabzonspor-Shop Deutschlands.

Ein unscheinbares Geschäft in der Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg. Die zwei Nadelbäumchen, die vor der Eingangstür Spalier stehen, haben schon bessere Tage gesehen. Drei Stufen führen in den Laden hinein, der rote Teppich auf der Treppe verleiht dem Ganzen etwas Glamour. Über der Tür prangt ein bordeauxrot-blaues Wappen: Das des türkischen Erstligisten Trabzonspor

Das Motto lautet: „Bize her yer Trabzon"— „Für uns ist überall Trabzon". Das ist der Leitspruch der Fans von Trabzonspor. Und seit Juni dieses Jahres gilt das auch in der Reichenberger Straße: Hier haben die Freunde Ugur Hurmaci und Taner Sen den ersten und einzigen Trabzonspor-Fanshop außerhalb der Türkei eröffnet, den „TS Club".

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Taner und Ugur vor dem „TS Club" in der Reichenberger Straße

Ugur und Taner sind beide in Kassel geboren, haben in Paderborn gemeinsam Informatik studiert und sind große Trabzonspor-Fans. „In Trabzon ist es undenkbar, dass jemand aus der Stadt nicht Trabzonsporfan ist", sagt Ugur, der 32-jährige Geschäftsführer des „TS Club". Seine Eltern stammen aus Akcaabat, einem Vorort von Trabzon. „Ich habe viele Freunde aus Ankara und Antalya, die nicht Fan ihrer Heimatmannschaft sind, sondern Galatasaray oder Fenerbahce unterstützen—in Trabzon würde es das niemals geben!"

Das Mönchengladbach der Türkei

Trabzonspor ist nicht nur irgendeine Süper-Lig-Mannschaft, nein, Trabzonspor war das erste Team, das nicht aus Istanbul stammt und türkischer Meister wurde. Das war in der Saison 1975/76. Zuvor machten Galatasaray, Fenerbahce und Besiktas die 1959 gegründete Süper Lig unter sich aus. Dann durchbrach Trabzonspor, das 1974 in die erste Liga aufstieg, diese Dominanz und gewann in den folgenden acht Jahren fünf weitere Meistertitel sowie dreimal den türkischen Pokal. Trabzonspor ist sozusagen das Mönchengladbach der Türkei.

Wenn man die Ladentür öffnet und den „TS Club" betritt, ertönt eine schrille automatische Glocke. Drinnen läuft türkischer Hip Hop. An der Wand hängen Trabzonspor-Wimpel und darüber ein Bild von Klub-Ikone Senol Günes, der als Torwart alle sechs Meistertitel und als türkischer Nationaltrainer bei der Weltmeisterschaft 2002 den dritten Platz holte.

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„Bordo mavi" überall

Alles sieht noch sehr neu und etwas provisorisch aus, die Öffnungszeiten sind auf einem DIN-A4-Blatt mit Tesafilm von innen in die Scheibe geklebt. Die Fanartikel an den Kleiderstangen und in den Regalen sind alle „bordo mavi"—so heißt „bordeaux-blau" auf Türkisch. Rot-blaue Strampler und Stifte, Trikots und Tassen, Krawatten, Klüngel—es gibt fast nichts, was es nicht gibt.

„Rot und blau sind die besten Farben! Denn die besten Teams sind rot und blau: Barcelona, Bayern und Trabzon", scherzt Taner. Er sitzt an der Kasse und tippt irgendetwas auf der Laptoptastatur. Taner ist 29 Jahre alt und der Shopleiter vom „TS Club". Er trägt einen knallblauen Trabzonspor-Sweater.

„In Trabzon basiert alles auf ‚bordo mavi'. Trabzon liegt direkt am Schwarzen Meer: Wenn die Sonne untergeht, dann ist der Boden bordeauxrot und der Himmel ist blau: ‚Yer bordo gök mavi', heißt es auf Türkisch", erklärt Ugur die Vereinsfarben. Der Spitzname von Trabzonspor lautet „Karadeniz Firtinasi": „Der Sturm vom Schwarzen Meer". Die Hafenstadt mit ihren knapp 800.000 Einwohnern ist komplett fußballfanatisch: „Je näher ein Spiel rückt, desto angespannter sind die Menschen. Die Stimmung in der Stadt hängt immer von Trabzonspors Ergebnissen ab. Am Spieltag bin ich auch entsprechend leicht reizbar." Gut, dass heute Länderspielpause ist.

Ugurs Bruder Özer: Von Baunatal in die Süper Lig

Ugur ist Trabzoner durch und durch. Sein Bruder, Özer Hurmaci, ist seit 2014 bei Trabzonspor unter Vertrag, trägt als Mittelfeldspieler die Nummer zehn. Er spielte bis 2005 in der A-Jugend-Bundesliga beim KSV Baunatal und schaffte anschließend den Sprung zu Ankaraspor in die Süper Lig. Doch eigentlich schlägt auch Özers Herz bordeaux-blau: „Mein Bruder wollte nach der Jugend unbedingt zu Trabzonspor wechseln. Doch er durfte dort kein Probetraining machen", erzählt Ugur. „Nach jeder Saison war es dann Özers Ziel, zu Trabzonspor zu wechseln." Aus seiner Liebe zu Trabzon habe er auch nie ein Geheimnis gemacht: „Als er bei Fenerbahce war, hat er im Fan-TV erzählt, dass er immer nur Trabzonspor-Fan war."

Mit Fener wurde Özer Hurmaci sogar Meister. Und das ausgerechnet im Skandaljahr 2011, als 19 Ligapartien von Fener unter Manipulationsverdacht standen und Trabzonspor auf Platz zwei „heimlicher Meister" wurde. Nach einer Zwischenstation bei Kasimpasa wechselte Özer dann endlich zu seinem Lieblingsverein.

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„Bize her yer Trabzon" – Für uns ist Trabzon überall.

Damit tritt er auch in die Fußballschuhstapfen von Onkel Lemi Celik. Er ist einer der Rekordspieler der Mannschaft und hat zwischen 1983 und 1997 308 Spiele für Trabzonspor bestritten.

Der Weg zu den Vereinsverantwortlichen, bei denen Ugur das Konzept für den Berliner Trabzonspor-Fanshop vorstellte, war also nicht weit. „Ich hatte die Idee dazu, nachdem ich einmal Fanartikel aus der Türkei bestellen wollte. Der Versand nach Deutschland war aber leider nicht möglich und dann habe ich Trabzonspor vorgeschlagen, einen Fan- und Onlineshop zu eröffnen", sagt Ugur zur Gründungsgeschichte des „TS Club". „Wir bekommen Bestellungen aus Deutschland, Österreich, Holland, Belgien und Frankreich. Vorher war es nicht so leicht, an Trabzonspor-Fanartikel zu kommen. Wenn du zum Beispiel ein Trikot haben wolltest, musstest du entweder in den Türkei-Urlaub fahren oder Verwandte haben dir eins mitgebracht", sagt Ugur.

Die 7 und die 61 sind am Beliebtesten

Eine Eisentreppe führt aus dem Verkaufsbereich hinunter in den „Maschinenraum" des Fanshops. Hier lagern 280 verschiedene Fanartikel in Ikearegalen und Pappkartons. An den Wänden hängen gerahmte Bilder von Trabzonspors Legendenkadern, eine Art Ahnengalerie. Nebenan ist das Büro, dort steht auch eine Beflockungsmaschine für Trikots. „Die Nummer sieben von unserem Superstar Oscar Cardozo ist derzeit am beliebtesten", sagt Taner. „Außerdem drucken wir sehr oft die 61. Diese Zahl spielt eine sehr große Rolle für uns." Die 61 ist das Autokennzeichen der Stadt Trabzon. „Wenn wir einen neuen Handyvertrag abschließen, wollen wir auch immer die 61 in der Telefonnummer drin haben. Die Glücklichen haben sogar eine doppelte 61 drin", ergänzt Ugur und lacht – „Wir sind sehr stolz auf die Stadt und zeigen das gerne."

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Die Türglocke bimmelt. Kundschaft. Taner sprintet die Treppe hoch. Als er wieder nach unten kommt, berichtet er, dass zwei englische Fans gerade zufällig reingekommen seien: „Die haben die Farben von Aston Villa erkannt und direkt einen Schal mitgenommen", freut sich Taner.

In der Süper Lig läuft es gerade nicht für Trabzonspor

Im Moment kann Trabzonspor jede Unterstützung gut gebrauchen. Denn sportlich läuft es gerade nicht so gut. In der Süper Lig steht das Team derzeit im Mittelfeld auf Platz Zwölf, im Niemandsland zwischen Abstiegs- und Europapokalplatz. Auf den ersten drei Plätzen sind—wie meistens—Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray. Trabzon-Trainer und Schota Arweladse musste bereits gehen. Jugendkoordinator Sadi Tekelioglu hat vor kurzem den Trainerposten übernommen.

Tekelioglu ist Ugurs Schwager. Und, um den Familienkreis komplett zu machen, ist mittlerweile auch Ugurs Cousine im Laden. Babyklamotten müssen her, der Trabzonspor-Nachwuchs will (oder soll) natürlich ebenfalls „bordo mavi" repräsentieren. Ein Strampelanzug soll es sein. Darauf steht angelehnt an den „Sturm vom Schwarzen Meer": „Minik Firtina"—„Kleiner Wirbelwind". „Dreimal darfst du raten, welche Rückennummer hinten drauf ist", deutet Ugur an. Es ist die 61. Natürlich. „Bize her yer Trabzon". Im Kinderwagen und in der Telefonnummer, in Aston und Berlin.

Hier findet ihr die Facebook-Seite des TS Clubs.

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