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nach abgang von winterkorn

Was macht der deutsche Fußball ohne seinen größten Gönner?

VW unterhält nicht nur den VfL Wolfsburg, er sponsert mehrere Vereine und den DFB-Pokal. Nach dem Rücktritt von VW-Chef Winterkorn verliert die Bundesliga seinen größten Gönner. Wird ausgerechnet der erfolgreichste deutsche Konzern zur Heuschrecke?
Foto: Christian Schroedter/Imago

Nach dem Abgas-Skandal gerät die Volkswagen AG ins Wanken. Die Kunden wurden betrogen, das Image scheint ruiniert und Experten sprechen wegen sinkender Aktienkurse von über 30 Prozent von einem GAU. Klar ist bisher nur: Die Strafzahlungen werden richtig teuer und Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn trat zurück. Aber was hat die Bundesliga damit zu tun?

Ziemlich viel. Denn mit Winterkorn verschwindet ein Fußball-Liebhaber im mit Abstand größten Konzern Deutschlands, der in den letzten Jahren maßgeblichen Anteil daran hatte, dass VW sein Engagement vor allem im Profifußball nach oben geschraubt hat. Der Autohersteller fördert den DFB-Pokal und engagiert sich bei 19 (!) Erst- und Zweitligisten mit seinen diversen Marken als Sponsor. Bei drei Vereinen ist VW sogar beteiligt: Beim Rekordmeister Bayern München hält Konzern-Marke Audi 8,33 Prozent, beim Aufsteiger FC Ingolstadt hält die Audi-Tochter Quattro GmbH 19,94 Prozent der Anteile und der VfL Wolfsburg ist sogar eine hundertprozentige Tochter der Volkswagen AG. Auch in den Medien mischt VW mit seinem Geld mit: Volkswagen ist Premium-Partner für „Bundesliga bei Bild", die die Bewegbildrechte der Liga für das Internet gekauft haben. Deutschlands beliebtester Fußball-Talk läuft auf Sport1 und heißt „Volkswagen Doppelpass".

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Ohne den Fußball-Fan Winterkorn wäre das Engagement in dieser Größe wohl niemals möglich gewesen. Er selbst sitzt im Aufsichtsrat vom FC Bayern München und fiebert auch mit grünem Schal bei Heimspielen des VfL Wolfsburgs mit. Als Winterkorn 2007 Vorstandschef bei VW wurde, kämpfte der VfL Wolfsburg mit einer jährlichen VW-Finanzspritze von 30 Millionen Euro schon im zweiten Jahr in Folge gegen den Abstieg. Zwei Jahre später wurden die Wölfe das erste Mal Deutscher Meister und spielen auch in dieser Saison in der Champions League. Das lässt sich der zweitgrößte Autobauer der Welt einiges kosten: Kolportierte 95 Millionen Euro zahlt er an den VfL Wolfsburg pro Saison—in einer Champions League-Saison sollen es 150 Millionen werden. In dieser Saison profitierte der Klub noch von den Transfereinnahmen für De Bruyne und Perisic mit etwa 100 Millionen Euro. Zwei Gewinn-Geschäfte, die erst durch ihre Transfers durch die VW-Millionen möglich wurden.

Prof. Dr. Martin Winterkorn: "VfL ist zurück in der Spitze des deutschen Fußballs." https://t.co/qUbHwsmQAa pic.twitter.com/NaRfcHXLEm
— VfL_Wolfsburg (@VfL_Wolfsburg) 1. Juni 2015

Wie schnell sich VW ohne Winterkorn aus dem Fußball zurückziehen könnte, zeigten ähnliche Befürchtungen schon beim Machtkampf zwischen Winterkorn und dem früheren Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch vor wenigen Monaten. Piëch, der kaum Interesse am Fußball hat, hätte nach internen VW-Informationen das Engagement heruntergeschraubt. Der Triumph von Winterkorn wurde als „Sieg" der involvierten Vereine gewertet.

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Klaus Allofs machte sich am gestrigen Mittwoch hingegen keine Sorgen. Bei einem Gespräch mit VfL-Aufsichtsratchef Francisco Javier Garcia Sanz, zugleich VW-Vorstand, seien mögliche Konsequenzen für die Aktivitäten des Konzerns kein Thema gewesen, berichtete Allofs. „Das zeigt, dass der VfL eine große Bedeutung für VW hat und dass eine Krise bei VW nicht unmittelbare Auswirkungen für den VfL hat", erklärte der Geschäftsführer Sport vom VfL. „Bei dem Engagement von VW handelt es sich um eine strategische Ausrichtung. Und dieses Engagement hat einen gewissen Wert, der sich auch nicht so schnell ändert."

Einige Verantwortliche im deutschen Fußball dürften nervös werden#Winterkorn #Volkswagen #Sponsoring
— Christoph Metzelder (@CMetzelder) 23. September 2015

Natürlich, eine Weltmarke wie Volkswagen setzt in seinen teuren Aktivitäten im Sportsponsoring auf ein langfristiges Engagement. Zudem sind ein paar Hundert Millionen Euro für den VW-Konzern mit jährlichen Gewinnen von über zehn Milliarden Euro nicht so spürbar und auch ein Vorstandschef wie Winterkorn konnte die Gelder für die Liga nicht alleine durchwinken. Aber sein Abgang bietet viel Raum für Spekulationen und macht einige Bundesligisten nervös.

Von VW bezuschusste Vereine wie 1860 München, Eintracht Braunschweig oder Werder Bremen sollten im Fall der Fälle einen Ersatz-Sponsor finden, genau wie Rekordmeister Bayern München. Auch der FC Ingolstadt wird als regionales Projekt erstmal wenig Angst um die Audi-Gelder haben müssen. Für den VfL Wolfsburg könnte die Luft zumindest auf absoluter Spitzenebene als Bayern-Jäger und Champions League-Aspirant einem 32 Millionen-Schürrle auf der Bank dünn werden. Nicht zuletzt, weil die hochgepumpte Millionentruppe in dem 120.000-Einwohner-Städtchen noch immer nicht auf so viel Akzeptanz stößt, um das eigene Stadion zu füllen.

Todsichere Maßnahmen um die VfL-Arena mit Leben zu füllen

Die Angst von DFL, DFB und Fußball-Fans über den Einfluss von VW auf die Liga schien gerechtfertigt zu sein. Einen Ausbau des Engagement wird es wohl in Zukunft erstmal nicht geben—eher einen Rückgang. Es hätte wohl niemand gedacht, dass man vielleicht neben lustlosen Investoren und Mäzenen aus Malaga oder irgendwo in England auch mal den konstant unerschütterlichen Riesen des deutschen Wirtschaftswunders in einen Mund nimmt. „Zwar denkt man von außen, dass bei VW Geld keine Rolle spielt. Doch das ist nicht der Fall", betonte Klaus Allofs erst Ende August im Gespräch mit der Sport Bild.

Der Abgas-Skandal betrifft insgesamt elf Millionen Diesel-Autos von VW und die US-Anwälte sind nicht zimperlich eine Mondsumme als Schadensersatz zu fordern. Das Unternehmen hat bereits eine Gewinnwarnung für das laufende Geschäftsjahr ausgegeben und Rücklagen von 6,5 Milliarden Euro gebildet. Der VfL Wolfsburg gibt sich gelassen. Wenn VW aber unbedingt Geld braucht, dann wird zuerst bei den unnötigsten Ausgaben gespart—ein hochbezahltes Fußball-Starensemble in der niedersächsischen Provinz dürfte so etwas sein.

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