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Wirres Deutschland

Frankfurt am Main hat einen "Reichsbürger"-Guide für städtische Mitarbeiter veröffentlicht

"Räumen Sie Gegenstände, die vom Gegenüber als Waffe eingesetzt werden können, nach Möglichkeit weg. Verstauen Sie insbesondere Scheren, Locher, Hefter usw."
Symbolfoto: imago | Christian Ohde

Werde Beamter, haben sie gesagt: sicherer Job, gute Pension, überschaubar viel Arbeit. Dass du dann von seltsamen Vögeln terrorisiert wirst, die dir vorwerfen, für einen nichtexistenten Staat zu arbeiten, haben sie dir wahrscheinlich nicht gesagt. Wie überall in Deutschland haben auch hessische Behörden immer öfter mit "Reichsbürgern" zu tun. Diese "Selbstverwalter" glauben, das Deutsche Reich existiere immer noch und Deutschland werde von der BRD-GmbH beherrscht.

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Die Stadt Frankfurt am Main hat deshalb jetzt einen Reichsbürger-Guide für ihre Mitarbeiter herausgegeben. Solche Handbücher sind inzwischen deutschlandweit in vielen Behörden üblich. Sie sind ein weiteres Kapitel im absurden Battle Reichsbürger vs. Ämter, über dessen letzte Gefechte wir bereits hier und hier berichtet haben. Der Guide ist an manchen Stellen so drastisch, dass er eher an einen Verhaltenskodex für JVA-Beamte erinnert. "Problematische Personen" sollen die Behörden-Mitarbeiter nur in Anwesenheit von weiteren Kollegen empfangen. Und für mögliche Gefahrensituationen empfiehlt der Guide, untereinander ein geheimes Notfall-Signal zu vereinbaren:

Auszug aus dem Reichsbürger-Guide | Quelle: Stadt Frankfurt am Main

Die Frankfurter Ämter verzeichnen seit drei Jahren einen stetigen Anstieg von Vorfällen mit selbsterklärten Reichsbürgern, sagt Ingmar Bolle, Sprecher im Dezernat Personal und Gesundheit der Stadt Frankfurt, zu VICE. Dabei sei es völlig egal, um welchen Verwaltungsakt es gehe: "Das können völlig lachhafte Sachen sein, wie ein Ticket wegen Falschparkens, dann geht das schon los. Die stellen sich hin und sagen, dass sie die BRD-GmbH nicht anerkennen." In einem besonders schweren Fall habe ein Reichsbürger versucht, die Privatadresse einer Mitarbeiterin herauszufinden. Auch deshalb habe man gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden einen Verhaltenskodex erarbeitet und an die Mitarbeiter geschickt.


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Dem Handbuch sind Hinweise vorangestellt, um Reichsbürger frühzeitig zu erkennen. Sie seien fordernd, teils beleidigend und ausgesprochen uneinsichtig. Wenn die Mitarbeiter ihre Unsinns-Anträge ablehnen, drohten Reichsbürger im Gegenzug häufig mit Strafen, zivilrechtlichen Forderungen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Da sie damit eher geringe Erfolgsaussichten haben dürften, ist der wahre Hintergrund des Behördenterrors laut der Stadt Frankfurt ein anderer: "Gemeinsames Ziel der Genannten ist es im Wesentlichen, Verwirrung zu stiften und Ängste zu erzeugen, um Sie, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von Ihrem recht- und ordnungsgemäßen Handeln abzulenken", so das Schreiben weiter.

Der Guide rät deshalb auch grundsätzlich: Keine Diskussion mit Reichsbürgern, Argumente bringen eh nichts. Genausowenig wie Humor oder Ironie. Auch dem Impuls, Reichsbürger von ihrem Wahnsinn zu therapieren, sollten die Beamten möglichst widerstehen – auch wenn das wahrscheinlich schwer fällt:

Auszug aus dem Reichsbürger-Guide | Quelle: Stadt Frankfurt am Main

Auch wenn laut Bolle bislang keine Vorfälle in Frankfurt bekannt sind, bei denen Reichsbürger Mitarbeiter körperlich angegriffen haben, hat der Guide auch hier vorsorgliche Tipps parat: Die Mitarbeiter sollen Körperkontakt meiden, sich zurückziehen und die Polizei oder den Sicherheitsdienst rufen. Außerdem sollen sie ihre Arbeitsplätze so gestalten, dass Fluchtwege offen bleiben und: "Räumen Sie Gegenstände, die vom Gegenüber als Waffe eingesetzt werden können, nach Möglichkeit weg. Verstauen Sie insbesondere Scheren, Locher, Hefter usw." Und all das nur, weil Leute ihre Strafzettel nicht bezahlen wollen.

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