Die AfD hat schon wieder Werbung mit Nicht-Deutschen für "deutsche Leitkultur" gemacht

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Rassismus

Die AfD hat schon wieder Werbung mit Nicht-Deutschen für "deutsche Leitkultur" gemacht

"Wir sehen Menschen aus Schweden, Holland und Dänemark nicht als Migrantinnen und Migranten", sagt Rassismus-Experte Tahir Della. Und erklärt, warum das ein Problem ist.

Fröhlich hüpfen fünf Jugendliche durch den Gang irgendeiner Schule mit weiß getünchten Wänden, ein blondes Mädchen im Tupfenkleid streckt jubelnd den rechten Arm aus und springt in die Luft. Auf Kniehöhe hängt das blau-rot-weiße Banner der bayerischen AfD, darauf steht: "Deutsche Leitkultur! Islamfreie Schulen!"

Hinter Bild und Botschaft steckt nicht nur Stoff für neuen Hass im Netz, sondern auch ein weiteres Problem, nämlich auf welcher Basis dieser Hass verbreitet wird: Für die AfD reicht es anscheinend weiß zu sein, um als deutscher Bürger oder Bürgerin zu gelten. Und das ist auch das einzige, was die Jugendlichen auf dem Plakat vereint – denn sie haben keine deutsche Staatsbürgerschaft und schon gar keine "deutsche Leitkultur".

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Wie der Stockfoto-Anbieter Shutterstock gestern auf Twitter mitteilte, wurde das Foto in der Slowakei aufgenommen, alle Models seien Slowakinnen und Slowaken. "Es wurde in guter Absicht aufgenommen, um Multikulturalität zu bewerben und niemanden anzugreifen", distanziert sich die Plattform von der Botschaft des AfD-Plakats.

Es ist nicht das erste Mal, dass die rechtskonservative Partei auf ihren Wahlplakaten und Facebook-Bildern nicht immer weiße Menschen aus dem Ruhrpott, Sachsen oder Hamburg zeigte. Bereits im vergangenen Jahr nutzte die AfD zu Wahlkampfzwecken Bilder von weißen Menschen aus allen möglichen Ländern wie Russland, Südafrika, Taiwan, Hongkong. Und gerade den sozialen Netzwerken, wo die meisten Bilder verbreitet werden, ist die Partei besonders erfolgreich, erreicht mit ihren markigen Sätzen und den Motiven glücklicher deutscher Familien oder böser, bärtiger Flüchtlinge allein auf Facebook mehr als 436.000 Menschen – der CDU folgen dort nur etwa 207.000 Menschen.

"Das ist ein Problem", sagt Tahir Della, Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, es unterstreiche das Bild des weißen Deutschen. Das seie ohnehin tief in der Öffentlichkeit verankert, entspreche aber schon lange nicht mehr der Realität. Deswegen findet er es wichtig, dass darauf aufmerksam gemacht wird, mit welchen Mitteln und falschen Bildern, die AfD versucht ihre Wähler zu bekommen, sagt Della.

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Ein PoC-Mann schaut in die Kamera

Tahir Della, Vorsitzender der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland | Foto: privat

VICE: Warum ist es gefährlich, wenn Parteien wie die AfD mit Bildern von angeblich deutschen, weißen Menschen für ihre "deutsche Leitkultur" werben?
Tahir Della: Das Foto, das die AfD verwendet, spiegelt ein Vorurteil wider, das bereits in der breiten Öffentlichkeit vertreten ist: Wenn wir von Deutschen sprechen, gehen wir davon aus, dass diese Weiß sind. Sprechen wir von Migranten und Migrantinnen, gehen wir nicht unbedingt davon aus, dass die Personen aus Schweden, Holland oder Dänemark kommen. Migranten und Migrantinnen, das sind markierbare Gruppen wie PoC, Schwarze Menschen oder Menschen aus muslimischen Ländern. Die Personen auf dem Plakat sind mit anderen weißen Personen völlig austauschbar.

Warum sind diese Bilder problematisch?
Sie zwängen uns auf, was wir unter Deutschen zu verstehen haben – nämlich Weiße Menschen – und was nicht. Und das führt zu Ausgrenzung. Es geht bei der Arbeit der Polizei los, wenn durch Racial Profiling bestimmte Personengruppen eher kontrolliert werden. Und es endet in Ausschreitungen wie in Chemnitz, wo Neonazis auf ausländisch aussehende Menschen Jagd machten. Dadurch festigt sich ein Bild von deutschen Bürgerinnen und Bürgern, das so überhaupt nicht der Realität entspricht.


Auch bei VICE: Hass in Chemnitz


Was kann man dagegen tun?
Wir müssen die Dinge so benennen, wie sie sind. Es ist kontraproduktiv und hilft überhaupt nicht, wenn Außenminister Heiko Maas, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer oder Bundesinnenminister Horst Seehofer die Vorgänge in Chemnitz verharmlosen oder relativieren. Viele, mich eingeschlossen, versetzen die Ereignisse in Chemnitz zurück in die Neunzigerjahre. Wir brauchen eine klare Positionierung von Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, die sagen: Das ist Rassismus. Ich glaube zwar an die These "wir sind mehr" - also dass es mehr Menschen gibt, die für Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt stehen. Aber ich glaube nicht, dass diese Gruppe größer wird, ohne dass Politiker klare Positionen beziehen.

Wird eine Richtigstellung, dass das Foto keine deutschen Bürgerinnen und Bürger zeigt, AfD-Sympathisanten in Bayern vor der Wahl überhaupt erreichen?
Die Personen, die auf populistische und rassistische Parolen hereinfallen, sind nicht automatisch empfänglich für den Versuch so etwas zu dekonstruieren. Doch ich glaube es ist wichtig, es trotzdem zu tun. Denn den Wählerinnen und Wählern, die noch unsicher sind, kann man so vorführen, auf welchen Grundlagen die Parolen der AfD beruhen. Und dass diese Partei keine Lösungen für die Probleme in der Gesellschaft hat. Denn Migration ist sicher nicht verantwortlich für sämtliche sozialen Probleme in diesem Land. Tut man es nicht, fühlen sich die AfD-Sympathisanten nur bestärkt.

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