FYI.

This story is over 5 years old.

Verbrechen

Fragen, die mehrere Razzien bei Berliner Waffenschiebern aufwerfen

Wie macht man aus einer Kleinkaliberwaffe eine 9-Millimeter-Pistole?
Bewaffnete SEK-Beamte spazieren einen Weg entlang
Keine Aufnahme des Einsatzes vom Donnerstag, sondern ein Symbolfoto: imago | Olaf Wagner

Sechs Uhr morgens, da schlummern wohl auch die meisten Waffenhändler noch friedlich und träumen von ihren todbringenden Geschäften. Aber zum Glück gibt es ja den Wake-up-Call des Berliner SEK. Die haben am Donnerstag mehr als 20 Objekte eines internationalen Waffenschieber-Rings in Berlin und Brandenburg durchsucht und laut Spiegel Online vier Personen verhaftet. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen sechs weitere Personen. Sie alle sollen Waffen aus der Slowakei nach Deutschland geschmuggelt und weiterverkauft haben.

Anzeige

Der Fall sorgte am Donnerstag für großes Aufsehen, unter anderem weil die Welt zunächst berichtet hatte, es gehe um 700 Kleinkaliber-Pistolen, die zu scharfen 9-Millimeter-Pistolen umgebaut werden sollten (siehe Update unten). Die Generalstaatsanwaltschaft nannte am Nachmittag allerdings keine genauen Zahlen, außer, dass insgesamt vier scharfe Waffen sichergestellt wurden und die Ermittler mindestens zehn illegalen Verkäufen unbekannten Ausmaßes nachgehen. Und wir haben noch zwei weitere Fragen:


Auch bei VICE: Ein weiterer Weg, um an illegale Waffen zu kommen


Wie viele illegale Waffen gibt es in Deutschland?

Um hier ein Mengenverhältnis herstellen zu können, muss man erstmal wissen, wie viel legale Waffen es gibt. Mehr als 6 Millionen registrierte Waffen waren 2017 in Deutschland in Privatbesitz. Den kleinen Waffenschein, also für Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen, besaßen etwa 550.000 Leute. Über einen Waffenschein verfügten im gleichen Jahr 10.500 Menschen. Das bedeutet, sie dürfen ihre Knarren auch außerhalb der eigenen Wohnung mit sich herumtragen. Zu diesem kleinen Kreis zählen vor allem Mitarbeitende von Sicherheitsunternehmen. Jäger und Sportschützen haben dagegen meistens nur eine Waffenbesitzkarte und müssen ihre Waffen verschlossen zum Schießstand oder Hochsitz transportieren.

Letztes Jahr haben Berliner Waffenfreunde freiwillig 1.135 illegale Schusswaffen abgegeben. Bis zum Juli galt dafür eine Amnestie. Mehr als 70 Pistolen, die wie die jetzt sichergestellten Waffen umgebaut wurden, hat die Polizei laut Generalstaatsanwaltschaft in den letzten anderthalb Jahren sichergestellt. Aber wie viele illegale Waffen gibt es insgesamt? Das weiß niemand. Die Zahl 20 Millionen, die im Netz kursiert, beruht auf keinerlei Fakten. Woher auch: Schließlich sind die Waffen unter anderem deswegen illegal, weil sie niemand registriert hat.

Anzeige

Wie macht man aus einer Kleinkaliberwaffe eine 9-Millimeter-Pistole?

Eine Kleinkaliberwaffe lässt sich ungefähr so einfach umbauen, wie ein Lego-Technik-Set für Sechs- bis Achtjährige – wenn man die richtigen Teile hat. Unter "Kleinkaliber" fallen heutzutage vor allem Munitionsgrößen des Kaliber .22 (5,6 Millimeter). Und wie das geht, lernt man dort, wo wir heutzutage alle unsere Bildung herbeziehen: auf YouTube. Dort gibt es Tutorials die einem Schritt für Schritt erklären, wie man zum Beispiel aus einer Glock 22 eine 9-Millimeter-Pistole bastelt.

Hauptsächlich, liebe Bastel- und Ballerfreaks, muss man dafür den Lauf austauschen, und den gibt's in den USA bei Ebay für 100 Dollar. In Deutschland wäre das illegal, hier muss man selbst Waffenteile von Behörden genehmigen und registrieren lassen. Sollte es sich bei den geschmuggelten Waffen um slowakische Fabrikate handeln, wäre die Teileversorgung ohnehin komplizierter. Von der slowakischen Armee-Pistole K100 etwa gibt es zwar auch eine Version des Kalibers .22, aber auch nach intensiver Google-Recherche haben wir keine Umbaukits gefunden. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es sich bei dieser Pistole um keine "rückgebaute" 9-Millimeter-Waffe handelt, die man so einfach wieder aufrüsten könnte.

Aber wir haben ja auch nicht vor, bis zu fünf Jahre wegen illegalen Waffenbesitzes in den Knast zu gehen. Einen internationalen Waffenschieber-Ring dürfte das alles aber nicht entmutigen.

Update – 24. Januar, 16:41 Uhr: In einer ersten Version dieses Artikels schrieben wir unter Berufung auf andere Medienberichte, dass die Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Wafferschieberring 700 zum Umbau bereite Waffen bei den Razzien beträfen. Die später Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin nennt diese Zahl allerdings nicht, sondern nur vier scharfe Waffen und mindestens zehn Fälle eines illegalen Imports durch den mutmaßlichen Waffenschieberring. Wir haben den Artikel entsprechend korrigiert.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.