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Kommentar

Die neue Werbung der Bundespolizei ist ein geiler Actionfilm – und das macht Angst

Das Video zeigt Polizisten als Rambos anstatt als besonnene Schlichter. Warum das ein Problem ist.
Polizisten laufen durch Pyronebel
Screenshot: YouTube

Was ein Image-Film braucht, um richtig zu ballern: Action! Adrenalin! Dramatische Beats!

Was eine deutsche Polizeibehörde braucht, um nicht nur Ballerfreaks anzuziehen: eine seriöse Darstellung des tatsächlichen Joballtags.

Beides passt nicht zusammen, weil der Beruf von Polizistinnen und Polizisten keine Endlosschleife von Alarm für Cobra 11 ist. Trotzdem stellt sich die Bundespolizeibereitschaft in ihrem neuen Imagevideo so dar. Oh Mann, denkt ihr, jetzt heulen sie bei VICE wieder reflexartig rum – warum soll die Bundespolizei kein flashy Imagevideo haben dürfen?

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Ich erkläre euch, warum.

Die Bundespolizei erledigt wichtige Aufgaben. Sie beschützt Flughäfen, Bahnhöfe und Ministerien; Grenzen, Demos und Großveranstaltungen. Die Frage ist, welche Leute diese Aufgaben erledigen sollten: aufgeputschte Rambos oder besonnene Profis? Das Imagevideo gibt darauf eine ziemlich eindeutige Antwort.

Nebelschwaden, anschwellende Orchestermusik, ein letzter fester Blick zum Nebenmann: Dann stürmen die Bereitschaftspolizisten in der Eröffnungsszene auf eine schwarzvermummte Demo zu, als wären sie das letzte Aufgebot gegen Saurons Orks in Herr der Ringe. Und die deutsche Synchronstimme von Optimus Prime sagt: "Wir sind ein Team, wir gehen Seite an Seite. Gegenseitiges Vertrauen ist für uns ein Muss." Und kurz darauf: "Wir sind nicht nur Hunderte. Wir sind Tausende."

Es klingt nach "wir gegen die" – und nicht "wir für euch". Nennt mich einen Hippie, aber wenn ich an die Bundesbereitschaftspolizei denke, denke ich an eine neutrale Instanz. An Schlichter, und nicht an Krieger, die auf die schwarzen Massen zustürmen wie eine mittelalterliche Armee.


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Was für Menschen wollen die damit anlocken?

Der Staat hat das Gewaltmonopol, die Polizei übt es aus. Manchmal auch mit der Waffe in der Hand. Das ist eine große Verantwortung. Man sollte sie in die Hände von Leuten legen, die ruhig und besonnen sind, nicht aufgeputscht und emotional. Die kriegt man aber nicht mit Bildern von stürmenden Bereitschaftspolizisten, Waffenfuchtelei und apokalyptischen Aufmärschen. Damit zieht man Macker an, die ihren Berufswunsch in nächtelangen Battlefield-Sessions geformt haben.

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Dienst bei der Bundespolizei bedeutet nach diesem Video vor allem: Wohnungen stürmen, schwer bewaffnet Hubschrauber fliegen, Terroristen fesseln, auf Demonstrierende zurennen. Damit liefert die Behörde eine Steilvorlage für das, wogegen sich verschiedene Polizeigewerkschaften immer wehren: zur Vorverteilung von Polizistinnen und Polizisten. Die Botschaft: Wir sind eine Gang und wir machen euch platt, wenn wir wollen.

Der Alltag in der Bundespolizei ist natürlich mehr als das. Er besteht auch aus Papierkram und Überstunden; langem Rumstehen bei Demos und ständigem Lernen bei Fortbildungen. Als Bonus darf man sich für wenig Geld von Fußballfans anpöbeln lassen, während man ruhig bleiben muss.

Das ist den Agenturen vielleicht egal, bei denen Behörden schon länger knallige Imagefilme bestellen. Schließlich ist es ihr Job, einen Smoothie, ein Konsolenspiel oder einen SUV so zu verkaufen, dass am Ende alle sagen "Geil, geil, geil!". Aber die Verantwortlichen bei der Bundespolizei und anderen Behörden sollten wissen, dass sich dieses Testosteron-Marketing nicht für ihre Aufgaben eignet. Nicht so zu tun, als wäre dieser Job lediglich ein feuchter Traum von James Cameron, ist die Bundespolizei ihren Beamten schuldig – und den Menschen, die sich bei ihr bewerben.

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