FYI.

This story is over 5 years old.

Verbrechen

Sexhandel-Opfer verklagen das Hotel, in dem sie gefangen gehalten wurden

Hätten die Mitarbeiter wissen können, dass Kriminelle bei ihnen einchecken? Ja, sagt eine Expertin und erklärt, woran man Menschenhändler erkennt.
Photo by Flickr User Kit

Im Jahr 2014 wurde eine Frau auf offener Straße entführt. Ihre Entführer spritzten ihr Heroin und brachten sie in ein Hotel in Salisbury im US-Bundesstaat Maryland, wo sie sie zur Prostitution zwangen. Wie eine lokale Tochtergesellschaft des USA Today Networks berichtete, schaffte es die Frau, sich Zugang zum Internet zu verschaffen, während ihre Geiselnehmer schliefen und schrieb ihrem Freund eine Nachricht über Facebook. Die Polizei konnte die Frau retten und nahm ihre Entführer fest. Wie sich herausstellte, war sie nicht die Einzige, die diesen Albtraum durchmachen musste.

Anzeige

Nun – drei Jahre später – haben vier verschiedene Frauen das Hotel angezeigt, in dem sie gefangen gehalten wurden. Der Menschenhändlerring agierte zwar offenbar in mehreren Hotels, doch das America's Best Value Inn schien ihr Hauptsitz zu sein. Die Argumentation der Opfer: Das Hotel hätte wissen müssen, was vor sich ging. Die Mitarbeiter hätten einschreiten und die Frauen retten können.

Mehr lesen: Wie eine Kleinanzeigenseite Kindersexhandel ermöglicht

Laut der Organisation Polaris Project ist Menschenhandel in amerikanischen Hotels ein weit verbreitetes Problem. Ein Datenblatt zu diesem Thema zeigt, dass es zwischen 2007 und 2015 insgesamt 1.434 dokumentierte Fälle gab, die allesamt in Hotels stattfanden. Davon schlossen 92 Prozent der Vorfälle Sexhandel mit ein. Frauen machten im Rahmen der Studie 94 Prozent der Opfer aus. Knapp die Hälfte von ihnen war zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig.

Carol Smolenski ist die Direktorin von ECPAT USA – einer Organisation, die sich gegen Menschenhandel einsetzt. Sie glaubt ebenfalls, dass Hotels die Verantwortung haben, sich über die Methoden von Menschenhändlern zu informieren, um dabei zu helfen, derartige Verbrechen zu stoppen. Smolenskis Organisation ist zwar eigentlich auf Kindersklaverei spezialisiert, doch ihre Initiativen lassen sich auch auf alle anderen Formen von Menschenhandel übertragen, die in Hotels stattfinden. "Wir wollen, dass die Unternehmen Verantwortung übernehmen und alles daran setzen, derartige Verbrechen so weit wie möglich zu verhindern beziehungsweise einzugreifen, wenn sie Zeuge eines solchen Verbrechens werden", sagt Smolenski. Unter anderem gäbe es Online-Traniningsprogramme, die helfen können, Hotelmitarbeiter zu schulen.

Anzeige

Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram.

Laut Smolenski reagierten die Hotels, mit denen sie zu Beginn in Kontakt trat, eher zurückhaltend auf ihre Aufklärungsbemühungen. Mittlerweile zeigen sie sich aber deutlich kooperativer. "Allem voran dient es dem Risikomanagement, um zu verhindern, dass Zuhälter ihr Eigentum nutzen. Außerdem fühlen sich meist auch die Angestellten wohler, wenn sie wissen, wie sie reagieren sollen, wenn sie etwas Verdächtiges beobachten."

Tatsächlich gibt es gewisse Zeichen, die einen stutzig machen sollten. So erklärt Smolenski, dass Menschenhändler häufig "zwei Zimmer nebeneinander mieten" – eines für das Opfer und ein anderes für die Drahtzieher selbst. "Manchmal möchten sie auch, dass das Zimmer mehrere Tage lang nicht aufgeräumt wird und danach findet man unzählige Kondome und andere Utensilien."

Mehr lesen: Luxus und Zwangsprostitution – die Geschichte des "Vampir-Zuhälters"

Hotelmitarbeiter können allerdings auch schon auf bestimmte Zeichen achten, wenn die Gäste einchecken. Wenn zum Beispiel eine junge Frau eincheckt, die ziemlich ungesund aussieht und der Mann "das Reden für sie übernimmt", dann kann das ein erstes Warnsignal sein. Insbesondere dann, "wenn die Frau desorientiert wirkt oder die Gäste in bar bezahlen", sagt Smolenski.

Die Anonymität von Hotels macht sie laut der Expertin umso reizvoller für Menschenhändler. Täter gingen außerdem davon aus, dass Hotelangestellte keine Ahnung haben, was passiert oder nichts sagen werden, selbst wenn sie einen Verdacht hegen. Vielleicht ist die Anzeige der Frauen ein erster Schritt, um das zu ändern.


Titelfoto: Erkan Utu | Pexels | CC0