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Menschen

Vom Scharfschützen zum Zuhälter: Das ist der Hells-Angels-Boss, der in Hamburg angeschossen wurde

Dariusch F., genannt "der Schlächter", hat bereits eine lange Karriere voller Gewalt hinter sich.
Der deutsche Hells-Angels-Boss Dariusch F.

Sonntagabend, kurz vor Mitternacht auf St. Pauli: Ein weißer Bentley hält an einer Ampel auf dem Millerntorplatz. Ein anderes Auto schiebt sich daneben, plötzlich fällt ein halbes Dutzend Schüsse. Bis zu fünf Kugeln, berichten Zeugen später, treffen den Fahrer des Bentley, der am Steuer in sich zusammensackt. Die Täter fliehen, eine Großfahndung der Polizei ist bisher erfolglos geblieben. Das Opfer wird unter Polizeischutz ins Krankenhaus gebracht, in einem Video der Hamburger Morgenpost kann man sehen, dass er bei der Ankunft im Krankenhaus bei Bewusstsein ist. Und man kann den Mann deutlich erkennen: Es ist Dariusch F., einer der Bosse der Hamburger Hells Angels.

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Der 38-jährige Dariusch F., genannt "Dari", wirkt ein bisschen wie ein Gangster aus dem Bilderbuch: Wo er auftaucht, gibt es Stress. Schießereien, Schlägereien, Betrug – in den letzten zehn Jahren ist der kräftige, ein bisschen untersetzte Glatzkopf immer wieder im Zusammenhang mit solchen Geschichten aufgefallen.

Auch sein Lebenslauf liest sich, als habe Dariusch F. sich von Anfang an auf ein Leben voller Gewalt vorbereitet: Mit zwölf, berichtet die Morgenpost, sei er "wegen übler Prügeleien" von der Schule in Niendorf geflogen. Mit 14 sei er in ein geschlossenes Heim für jugendliche Kriminelle gekommen, das schon damals als berüchtigt galt. "In dem Alter sucht man sich Vorbilder. Für mich waren das die großen Jungs mit den dicken Knarren", zitiert die Zeitung ihn.

Die dicken Knarren bekam er dann in die Hand, als er nach der Schule zur Bundeswehr ging, die ihn zum Scharfschützen ausbildete und in den Kosovo schickte. F. schafft es bis zum Hauptgefreiten, wird belobigt und bekommt einen Orden. Eine Zeit, an die er sich offenbar immer noch gerne erinnert: Auf seinem Instagram-Profil hat er ein Bild von sich mit Scharfschützengewehr und der Beschriftung "morituri non cognant" – "Die Todgeweihten sind ahnungslos" – gepostet.

Zurück in Hamburg machte sich F. dann zunächst als Kampfsportler einen Namen, und zwar als "der Schlächter". Laut der Morgenpost nahm er an sogenannten "Blutkämpfen" teil: illegale Kämpfe ohne Regeln, die in einem leerstehenden Theater veranstaltet wurden. 2007 taucht er dann das erste Mal auf dem Radar der Polizei auf, als er zusammen mit zwei anderen einen Freier auf der Reeperbahn verprügelt haben soll. Dafür bekam er neun Monate auf Bewährung, berichtet die Bild.

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Ein Jahr später kam für Dariusch F. der "Durchbruch" in der kriminellen Welt. Am 15. März 2008 stürmt er zusammen mit anderen Maskierten auf eine Hamburger Tankstelle, wo sie zwei Männer angreifen – unter anderem mit einer Maschinenpistole und einem Revolver. Laut der Morgenpost hatten Hamburger Gangster-Bosse F. beauftragt, den Zuhälter "Bauchschuss-Musa" anzugreifen. Der konnte fliehen, sein Begleiter, der Boxer Ismail Ö., bekommt eine Kugel ins Bein und rettet sich ins Innere der Tankstelle. Bevor die Angreifer ihn verfolgen können, kommt zufällig ein Streifenwagen um die Ecke. Um die Flucht seiner Komplizen zu decken, stellt F. sich mit einer Uzi und einer Glock mitten auf die Straße und ballert in die Luft – bis zu 25 Mal, berichtet die Bild später – und lässt sich dann in aller Ruhe verhaften. Weil man ihm außer Verstoß gegen das Waffengesetz nichts vorwerfen kann, bekommt er zwei Jahre Haft, wieder auf Bewährung.

Danach geht es für F. erst recht bergauf: Er wird Hells Angel und geht für eine Weile nach Hannover, wo er als "Sergeant at Arms" für Frank Hanebuth, den mächtigsten Hells-Angels-Boss Deutschlands, arbeitet. Den Rang behält er, als er schließlich nach Hamburg zurückkehrt und sich dem Chapter "Southport" anschließt. Hier ist er als offiziell dritter Mann für die Bewaffnung und Sicherheit des Clubs zuständig, inoffiziell gilt er als der eigentliche Boss, berichtet die Morgenpost. Als Zuhälter verdient er so viel Geld, dass er sich neben dem weißen Bentley noch einen schwarzen Ferrari zulegen kann – mit dem er gerne vor Gericht vorfährt. 2013 wird er beschuldigt, zusammen mit einer 19-jährigen Prostituierten drei Freier um insgesamt 122.000 Euro betrogen zu haben, wird aber freigesprochen.

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2015 ist ein unruhiges Jahr auf der Reeperbahn: Die "Mongols", eine neue Rockergruppe mit Unterstützung einer berüchtigten Großfamilie aus Bremen, machen den Hells Angels Konkurrenz, auch im Rotlichtmilieu. Immer wieder kommt es zu Reibereien, wenn Mongols sich offen auf St. Pauli zeigen. Am 28. Dezember knallt es dann schließlich: Als drei Mitglieder der "Mongols" aus einem Restaurant auf dem Kiez kommen, eröffnen zwei Männer das Feuer auf sie. Als die Drei sich in ein Taxi flüchten, durchlöchern die Angreifer das Fahrzeug "wie ein Sieb", wie ein Polizist damals erzählte. Zwei der Männer werden angeschossen, der dritte und der Taxifahrer kommen mit dem Schock davon.

Knapp einen Monat später holen Beamte des Mobilen Ergreifungskommandos Dariusch F. und einen anderen Hells Angel aus ihren Betten: Die beiden werden beschuldigt, die Schützen zu sein. Die Polizei muss F. allerdings wieder gehen lassen, die Beweise fehlen. Auch mit dem Anschlag auf den Mongols-Boss Erkan U., der nur mit Glück überlebte, als ihm jemand ein paar Wochen vor der Schießerei eine Handgranate unter den Lamborghini gerollt hatte, konnten die Ermittler F. trotz Verdachts nicht in Verbindung bringen.

Die Angriffe auf die konkurrierenden Mongols hatten aber offenbar Erfolg: Seitdem haben sie sich nicht mehr offen auf St. Pauli gezeigt, die Vorherrschaft der Hells Angels schien gesichert. Im Januar 2017 postet F. ein Bild von sich mit Gewehr auf Instagram, dazu schreibt er: "Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei niemandem zu entschuldigen! Es war alles richtig so, und ich würde es wieder tun!!!" Dafür bekommt er über 360 Likes, der Rapper Manuellsen kommentiert anerkennend: "alle unter deine eier grosser bruder".

Im August dieses Jahres allerdings war es zu einer großen Schlägerei zwischen Mongols und Hells Angels bei Kiel gekommen, drei Menschen wurden schwer verletzt – die Streitigkeiten sind also offenbar noch immer nicht beigelegt. Der Angriff auf Dariusch F. in der Nacht auf Montag könnte bedeuten, dass Hamburg sich auf eine neue gewaltsame Runde des Rockerkriegs einstellen muss.

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