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Kriminalität

So ziehen Trickbetrüger unseren Omas das Geld aus den Sparstrümpfen

Der Enkeltrick ist alt. Deswegen haben sich Betrüger neue Maschen ausgedacht.
Foto: imago | David Ewing | Collage: Josefine Lippmann

Das Telefon klingelt. 110 steht auf dem Display. Es meldet sich ein Mann, der sich als Polizist vorstellt. Er warnt vor Einbrechern in der Nachbarschaft. Fenster und Türen sollen geschlossen, alle Wertgegenstände zusammengelegt werden. "Ein Kollege wird diese abholen und bei der Polizei sicher verwahren", versichert der Mann am Telefon. Was sich nach einem dummen Scherz anhört, ist eine neue und ziemlich erfolgreiche Masche von Trickbetrügern.

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Mit der Methode "Call-ID-Spoofing" kann der Anrufende dem Empfänger eine beliebige Rufnummer vortäuschen. Die Betrüger haben so die Möglichkeit, die Notrufnummer der Polizei auf dem Display erscheinen zu lassen. Dabei rufen echte Beamten niemals mit der 110 an. Ihre Opfer kennen sich mit solchen technischen Möglichkeiten nicht aus. Es sind alte Menschen – obwohl vermutlich auch jeder Jüngere bei der 110 auf dem Handydisplay erstmal einen unangenehmen Anruf der Polizei erwartet. "Die ganze Gesellschaft altert zunehmend und diese Täterklientel setzt ganz speziell bei diesen älteren Menschen an", erklärt Hans Hoffmann aus der Präventionsabteilung des LKA in Berlin gegenüber VICE.

Im Jahr 2015 wurden laut Hoffmann allein in Berlin 1.200 Trickbetrügereien an älteren Menschen gemeldet. Der Schaden gehe in die Millionen, genaue Zahlen kann auch die Polizei nicht geben. Denn die Dunkelziffer ist riesig, Opfer schämen sich oft, dass sie auf Betrüger reingefallen sind, und bringen die Fälle nicht zur Anzeige. "Geschädigte dürfen sich keine Vorwürfe machen. Die Täter machen das jeden Tag, sie sind äußerst raffiniert und hochprofessionell", sagt Hoffmann. Er versuche, auch junge Menschen mit seinen Präventionsseminaren zu erreichen. Statt über Enkeltricks den Kopf zu schütteln, sollten die Junge den Älteren erklären: Wenn ein vermeintlicher Verwandter am Telefon Geld haben will, informiert erst die Familie oder die Polizei, statt zu zahlen. "Junge Menschen müssen sich um die ihre älteren Familienmitglieder oder Nachbarn kümmern und ihnen helfen", so Hoffmann. "Sie müssen Verständnis zeigen und keine Vorwürfe erheben." Vor folgenden Maschen solltet ihr eure Großeltern warnen – und sicherheitshalber auch eure (manchmal zu gutmütigen) Eltern.

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Der Klassiker: vermeintliche Handwerker

Der wohl klassischste Fall des Trickbetrugs ist der vermeintliche Handwerker, der ins Haus kommen will. Besonders in großen Mehrfamilienhäusern gehen Infoblätter über Handwerksarbeiten gerne mal unter – oder werden gekonnt ignoriert. "In Berlin ist der 'Handwerker vom Wasserwerk' nach wie vor eine beliebte Betrugsmethode", erklärt LKA-Betrugsspezialist Hoffmann.

So stellte sich einem 82-Jährigen im Ortsteil Rudow ein Handwerker der Wasserwerke vor, der dringend ein Rohr reparieren müsse. "Wenn ein Handwerker sagt, er müsse vom Vermieter aus heute den Wasserdruck prüfen, denkt man nicht über einen Betrug nach", so Hoffmann. Der Rentner ließ den Betrüger in die Wohnung. Nach kurzer Zeit verließ der Handwerker diese jedoch wieder, um "weiteres Material zu holen". Der Mann tauchte nie wieder auf. Später stellte der 82-Jährige fest, dass Bargeld verschwunden war. "Während ein Täter am Wasserhahn hantiert und mit dem Opfer einen Plausch hält, versucht ein Mittäter, an Wertgegenstände zu kommen", erklärt Hoffmann.

Der Dreckige: Geburtstagskind aus der Nachbarschaft

Der Geburtstagskuchen-Trick ist eine miese Art, Freundlichkeit als Vorwand zu nutzen. Noch nie gehört? Die Masche ist auch ein neuer Trend. So klingelte etwa Ende Mai diesen Jahres in einem Kölner Mehrfamilienhaus ein junges Pärchen an der Wohnungstür eines 96-Jährigen. Mit dabei: ein Geburtstagskuchen. Ihre Masche: mit dem Nachbarn gemeinsam auf den eigenen Geburtstag ein Stück Kuchen essen. Der ältere Kölner ließ beide Täter in seine Küche, da er glaubte, dass die beiden tatsächlich Nachbarn seien.

"Ununterbrochen redeten die zwei jungen Leute auf mich ein und liefen gestikulierend durch den Raum", gab der Pensionär der Polizei später zu Protokoll. Währenddessen betraten unbemerkt zwei Mittäter die Wohnung und durchwühlten das Schlafzimmer. "Generell sollte man sich immer merken, dass man keine unangemeldeten Besucher bei sich reinlässt", erklärt der LKA-Beamte Hoffmann. "Auch wenn viele Menschen das denken, doch es ist niemals unhöflich, mit angelegtem Türschloss mit Leuten zu reden."

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Der Rentner bat die beiden Pseudo-Nachbarn heraus, klingelte dann bei seinen echten Nachbarn und rief anschließend die Polizei. Er machte alles richtig. Die Täter wurden von den Beamten in der Nähe des Tatorts gestellt, ohne Beute.


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Der neueste Trend: falsche Polizisten

Auch hier ist Kuchen im Spiel: In Essen erhielt eine 82-jährige Frau einen Anruf von einer ihr unbekannten Nachbarin. Diese gab vor, eine Party im Haus feiern zu wollen, und entschuldigte sich vorab schon für möglichen Lärm. Wie nett, könnte man sich denken. Einige Stunden später klingelte ein junger Mann an der Tür, in der Hand hatte er ein Stück Kuchen. "Er gab vor, von der unbekannten Nachbarin geschickt worden zu sein und ihr ein Stück Kuchen als Wiedergutmachung für den Partylärm vorbeizubringen", heißt es in der Meldung der Polizei Essen. Die ältere Dame zeigte sich erfreut, was man ihr nicht verübeln kann. Sie bat den Unbekannten mit Kuchen in ihre Wohnung, die dieser nach einem kurzen Gespräch jedoch wieder verließ. In der Zeit hatte der Täter schon den Geldbeutel der alten Dame erbeutet.

Und an diesem Punkt entwickelt sich der Kuchen-Trick zu einem Polizisten-Trick:

Ein Mann, der sich als Polizeibeamter ausgab, rief einige Stunden später bei der 82-Jährigen an und erklärte, dass ihr Portemonnaie gestohlen worden sei. Um einen Missbrauch ihrer EC-Karte zu verhindern, forderte er die Frau auf, ihre PIN am Telefon durchzugeben. Ganz nebenbei drohte er ihr auch: Wenn sie dieser Aufforderung nicht nachkommen würde, dann verschwinde ihr ganzes Geld in den nächsten 20 Minuten nach Bulgarien. "Die klassische Methode der Betrüger ist der Aufbau einer Gefahr und ganz viel psychischer Druck", erklärt der LKA-Betrugsspezialist Hoffmann. Die Frau in Essen war jedoch misstrauisch, legte auf und rief bei der (richtigen) Polizei an. Das empfiehlt auch Hoffmann: "Die sicherste Lösung ist immer, wenn man selbst bei der Polizei nochmal anruft und nachfragt."

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Diese Polizisten-Masche ist eine der perfidesten – und derzeit wohl eine der gängigsten. Auch die "Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes" warnt vor falschen Polizisten im Land. "Die Täter sind schauspielerisch sehr begabt", so Hoffmann, der aber zur Skepsis aufruft: "Generell fragt die Polizei solche finanziellen Angaben nicht ab und man sollte über so etwas nie am Telefon Auskunft geben."

Der Oldtimer: Zetteltrick

Zur Vollständigkeit noch ein Klassiker: Jemand klingelt an der Tür, die Person erzählt, dass sie einen Verwandten im Haus besuchen wollte, aber dieser nicht da sei. Ob sie kurz Stift und Zettel bekommen könne, um eine Nachricht für den Verwandten zu hinterlassen, bittet sie freundlich. Und schon steht die fremde Person in der Wohnung. "In einem solchen Fall hatten wir sogar mal eine geschädigte Frau, die über 100 Jahre alt war", erzählt Hoffmann. "Da fragte die Betrügerin sogar, ob die Dame den Zettel schreiben könne. Plötzlich standen drei Personen in der Wohnung. Die alte Dame konnte diese dann zum Glück mit ihrem Krückstock in die Flucht schlagen." Wenn die Täter einmal im Haus sind, ist dies selten der Fall.

Einen Universaltipp gegen Trickbetrügereien hat Hoffmann übrigens auch. "Man sollte niemals Geld an Fremde überweisen und keine fremden Menschen ins Haus lassen", erklärt der LKA-Beamte. Zudem sollte man immer die Polizei rufen – auch wenn die vermeintlichen Beamten gerade selbst am Telefon sind. "Man sollte niemals die Wahlwiederholung, sondern im Notfall immer die 110 selbst wählen. Da ist die echte Polizei am Apparat."

Jetzt könnt ihr eure Großeltern und Eltern am Wochenende in aller Ruhe aufklären. Am besten bei einem großen Stück Kuchen.

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