Können sich Insekten eigentlich in der Vagina einnisten?

Wenn man als Frau im Sommer mit kurzem Rock in der Wiese sitzt, gehen einem viele Gedanken durch den Kopf, die einigermaßen unangenehm sind und nicht selten mit dem eigenen Geschlechtsteil und seiner Sichtbarkeit zu tun haben. Aber die vermutlich unangenehmste Vorstellung ist die, dass jedes Kitzeln eines jeden Grashalms eigentlich Insekten sein könnten, die gerade in meine Muschi kriechen.

Vielleicht geht es euch ähnlich, vielleicht bin ich auch völlig gestört. In beiden Fällen wollte ich für meinen (und vielleicht ja auch für euren) Seelenfrieden der Frage nachgehen, ob sich Insekten eigentlich in einer Vagina einnisten und dort überleben können.

So abwegig wie sie im ersten Moment klingt, ist die Vorstellung für mich gar nicht. Immerhin gibt es etliche Horror-Geschichten über Tiere im menschlichen Körper: vom Blutegel in der Nase, dem Wurm im Auge oder auch der Dasselfliege, die ihre Eier in deinem Körper ablegt. Und da rede ich noch gar nicht von den tausenden Szenarien aus Horrorfilmen, die den Körperinvasionsterror zusätzlich anfeuern.

Wie zu ziemlich jeder Phobie kennt das Internet auch für meine Angst einen Fachterminus – man nennt es "Dermatozoenwahn", also die "wahnhafte Vorstellung, dass sich Lebewesen (meist Würmer oder Insekten) unter der Haut befinden und sich bewegen, was zu Angst und Juckreiz führt". Aber ist diese Angst nun berechtigt? Können Ameisen in meiner Vagina einen funktionierenden Staat aufbauen?

Wie sich in der Recherche schnell zeigt, bin ich mit solchen Gedanken nicht alleine; die Angst ist vor allem bei Frauen doch weiter verbreitet als ich ursprünglich dachte.

Nach einigen Abstechern in einschlägige Foren, wo sehr ausführlich über Ameisen in der Scheide oder im Hintern von Babys diskutiert wird, und ein paar genauso verstörenden Ausflügen auf Fetisch-Seiten ("Junge Frau bekommt Ameisen in die Scheide gesteckt"), habe ich schließlich eine Expertin auf dem Gebiet gefunden.

Julia Walochnik ist Leiterin der Molekularen Parasitologie der Medizinischen Universität Wien und war so nett, mich geduldig durch meine Befürchtungen zu führen.

VICE: Können sich kleine Tiere, wie Insekten, in die Vagina einnisten?
Julia Walochnik: Insekten können in den menschlichen Körper eindringen, sie nisten sich aber im Normalfall nicht ein. Eine Ausnahme sind Ektoparasiten, also Gelsen, Läuse und Zecken. Vereinzelt kann es auch vorkommen, dass Milben oder Fliegenmaden in den Intimbereich gelangen und sich einnisten.

Das klingt nicht gut. Was kann man in so einem Fall tun?
Bei Insekten wie den Krätzmilben, die in der Haut leben – egal ob beim Menschen oder beim Tier – kann zum Beispiel eine ganze Familie befallen werden, wenn sich die Milben etwa bei ihrem Haustier eingenistet haben. Die Verbreitung passiert sehr schnell und muss dann medizinisch behandelt werden – in Form von einer Creme, die aufgetragen und dann wieder abgewaschen wird. Der Intimbereich beim Menschen ist aber nicht die Hauptstelle, in der sie sich einnisten. Die häufigsten Stellen sind Extremitäten, auf Händen und Füßen.

Wie häufig ist so ein Krätzmilben-Befall?
Krätzmilben sind weltweit sehr verbreitet. Im Moment werden die Zahlen auf 100 Millionen betroffene Menschen geschätzt. Bei uns in Österreich sind die Zahlen schwer abzuschätzen, da ein Krätzmilbenbefall nicht meldepflichtig ist. In Krankenhäusern, Pflege- und Altersheimen und Kindergärten können in dem Zusammenhang ganze Epidemien entstehen, da sich die Krätzmilben rasant verbreiten. Bei supprimierten Menschen (Menschen mit geschwächtem Abwehrsystem) kann das schnell kompliziert – im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden.

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Aber eher nicht in der Vagina, richtig?

Manche Fliegenarten und hier vor allem die Fliegenmaden legen ihre Eier gerne in Obst, Fleisch oder auch am menschlichen Körper ab – manche Arten mögen es gerne feucht und nisten sich im Auge oder auch im Intimbereich ein. Die Behandlung sieht dann so aus, dass man bei Menschen mit 'normaler' Körperhygiene die Eier einfach abwäscht. Bei Babys oder Pflegebedürftigen, die nicht so oft gewaschen werden, können sie besser ihre Eier ablegen.

Wie muss man sich das vorstellen?
Die Larven schlüpfen aus den Eiern und krabbeln dann herum. Ein Larvenstadium dauert maximal zwei Wochen, dann entwickelt sich die Larve zur Fliege und entfernt sich vom Körper. Bei einem temporären Befall – wenn sie ihre Eier in Wunden ablegt – ist es eher grauslich als schwerwiegend. Im Normalfall ist es aber unkompliziert.

Wie sieht es mit Spinnen aus?
Das wird uns sehr oft gefragt, aber die Spinnen in Europa sind harmlos. Ein Spinnenbiss ist ungefähr so gefährlich wie ein Bienenstich. Bei Menschen mit schwachem Immunsystem, wie bei alten Menschen oder Kindern, ist das ein bisschen anders, aber sonst müsste man sehr starkes Pech haben. Spinnen, die bei uns leben, haben fast keine Überlebenschance im menschlichen Körper.

Und Ameisen? Können sich Ameisen in meine Vagina einnisten?
Ameisen können zwar hineinkrabbeln und zwicken, aber sich nicht einnisten. Die fühlen sich nicht sehr wohl – es ist einfach nicht ihr Habitat. Natürlich, wenn du dich in einen Ameisenhaufen setzt, können einige in deinen Körper hineinkrabbeln. Die Ameisensäure brennt auch ziemlich – manche Menschen reagieren da sehr stark –, aber normalerweise kommen die auch wieder heraus.

OK, das beruhigt mich ein bisschen. Danke!

Um sicherzugehen – und weil meine Angst sich nicht von nur einer Stimme der Vernunft vertreiben lässt –, habe ich auch noch Alice Laciny, die Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Entomologen, kontaktiert. Sie kann uns auf Nachfrage ebenfalls einigermaßen beruhigen: "Es gibt keine Insekten, die bevorzugt im weiblichen Geschlechtstrakt nisten", sagt sie. "Insekten mögen es meist zwar warm, aber eher trocken und sie brauchen Sauerstoff zum Atmen, daher ist die Vagina kein idealer Lebensraum."

Die Vorstellung, dass mich Ameisen tatsächlich in meine Vulva zwicken können (und Fliegen hier in seltenen Fällen sogar nisten), löst zwar ziemliches Schaudern in mir aus – aber gleichzeitig beruhigt mich irgendwie, dass Ameisen mich ziemlich sicher nicht von innen übernehmen werden (und Fliegen, naja, höchstwahrscheinlich auch nicht). Jedenfalls werde ich mich das nächste Mal beruhigter in die Wiese setzen. Dann haben meine Probleme wieder ganz banal mit dummen Gafferblicken und der Einsichtigkeit kurzer Röcke zu tun.

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