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Sex

Wie es ist, Gelddomina zu sein

"Es ist absurd, wenn man überlegt, dass ein Mensch einer ihm fremden Person mehrere hundert Euro gibt, während um den nächsten Häuserblock vor dem Supermarkt eine Frau mit Kind im Schnee bettelt."
schwarz-weiße collage einer geldherrin, die von einem Geldsklaven Geschenke erhält
Grafik via VICE Media | Foto: Terri-Jean-Bedford | Commons Wikimedia | CC BY 3.0; Geldscheine: Public Domain

Lohnarbeit fand ich schon immer scheiße und die Auswahl an normalen Studentenjobs ist klein und beschissen: Callcenter, Kellnern, Flyer verteilen, Menschen Abos andrehen, die sie nie haben wollten. Kurzum: Ich hatte keine Lust, für wenig Geld viel zu arbeiten und beschloss stattdessen, mit einer Freundin alte, reiche Männer auszunehmen.

Von der Existenz von Gelddominas und ihren sogenannten "Geldschweinen" beziehungsweise "Geldsklaven" erfuhr ich das erste Mal vor zirka zwei Jahren durch eine Bekannte. Sie war "Geldherrin" und ließ sich ihre Pizza immer über die Kreditkarte ihres Geldsklaven bezahlen. Es mag absurd klingen, aber die Beziehung zwischen ihr und dem Mann bestand darin, dass sie als Domina Geld verlangte und er es ihr gab – wann immer sie wollte. Sie, als Geldherrin, hatte Zugriff auf seine Kreditkarte und damit auch die Kontrolle über seine Finanzen – ganz ohne Gegenleistung. Bei diesem Fetisch geht es um keinen sexuellen Kontakt, sondern lediglich um Erniedrigung durch die Abgabe des eigenen Geldes.

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Klingt ziemlich gut, fast zu schön, um wahr zu sein. Schon damals reizte mich die Idee, auch einmal Gelddomina zu sein und auszuprobieren, ob es wirklich so einfach sein kann, an Geld zu kommen. Allerdings hatte ich damals noch Angst. Zum einen hätte ich es alleine machen müssen, da ich damals noch keine Person kannte, die sich trauen würde, auch Gelddomina zu sein. Und zum anderen lebte ich damals noch in keiner Großstadt – die Gefahr, meinen Geldsklaven dann im Alltag zu begegnen, war für mich schlichtweg zu groß.

Dennoch ließ mich die Idee über die Jahre nicht ganz los und jetzt, in Wien, beschloss ich mit einer Freundin, die ebenfalls Lust hatte, das Ganze einfach mal auszuprobieren. Und es war einfacher, als wir gedacht hätten.

Wir erstellten einen Mailaccount, googelten "Die 10 heißesten Pornodarstellerinnen", um Inspiration für unsere Domina-Namen zu bekommen und schalteten eine Anzeige auf einem österreichischen Kleinanzeigenportal. Am nächsten Tag hatten wir um die 20 Mails. Wir gingen alle durch und entschieden uns schnell gegen die Männer, die zu extrem waren. Unter anderem wollten diese, dass wir ihre kompletten Ausgaben kontrollieren, oder sie hatten den Wunsch, so ausgenommen zu werden, dass sie Kredite aufnehmen müssten, um noch überleben zu können. Der Erste, den wir schlussendlich trafen, war höflich und unkompliziert. Er schrieb:

"Sehr geehrte Ladies Briana Bany* und Debi Diamond*, mit großem Interesse habe ich Ihre Anzeige gelesen, der Gedanke, an der Leine von zwei Herrinnen gehalten zu werden, reizt mich sehr. Ich bin ein devoter Akademiker aus Wien, ** habe blonde Haare und blaue Augen, sehe jünger aus. Ich diene Ihnen brav finanziell und lege Ihnen auf Knien Geld zu Ihren Füßen. Ich bin gerne ergeben wie ein braves Hündchen, lasse mich an die Leine nehmen, mache brav Männchen, küsse Ihre Schuhe, lasse mich herumkommandieren und demütigen, leichte Ohrfeigen und Züchtigungen, Poppers …Ich hoffe und bitte darum, Sie kennenlernen zu dürfen. Für ein erstes Kennenlerntreffen biete ich Ihnen 200 Euro.

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Es kniet
mit lieben devoten Grüßen
Roman*"

Natürlich hatten wir vor dem ersten Treffen Angst und waren aufgeregt. Vor allem, weil wir uns vorher nicht wirklich überlegten, was es eigentlich heißt, den Fetisch einer fremden Person zu befriedigen. Da es im Internet keine Anleitung gibt, wie man in zehn Schritten zur perfekten Gelddomina wird, mussten wir also nach unserem Gefühl entscheiden, wie wir auftreten, was wir sagen und was wir schreiben.

Wir erhöhten den Preis für das erste Kennenlernen mit Roman auf 300 Euro und trafen ihn einige Tage später abends im Wiener Stadtpark, um Erwartungen und Wünsche abzusprechen. Wir hatten im Vorfeld unser Aussehen beschrieben und warteten am vereinbarten Ort. Laut Selbstbeschreibung war Roman "sportlich, jung, gutaussehend", in der Realität hatte er eine Bierwampe und war Mitte 50. Er trug einen Anzug, war um die zwei Meter groß, sehr breit gebaut und blickte die ganze Zeit zu Boden, traute sich weder etwas zu erwidern, noch Fragen zu stellen. Alles, was er sagte, war ein devotes "Ja, meine Herrinnen" und "Ganz wie Sie wünschen", als wir ihm erklärten, was wir machen würden und was nicht.

Es geht darum, sich selbst zu erniedrigen, indem Geld an Menschen abgegeben wird, die nichts dafür geleistet haben und im Alltag normalerweise unter einem stehen würden.

Allen Männern erklärten wir meist schon im Vorfeld, dass es zu keinem Zeitpunkt körperlichen und/oder sexuellen Kontakt geben würde. Den meisten war das bewusst, sie hatten Frau und Kinder zu Hause sitzen und waren gar nicht auf der Suche nach sexuellem Kontakt. (Natürlich bekamen wir auch Nacktfotos mit Dildos in Ärschen oder sonstigen Sextoys, aber solche Nachrichten hielten sich überraschenderweise in Grenzen.) Die weiteren Anfragen reichten von "Einmal in der Woche treffen, um Geld für die Rechnungen der vergangenen Woche zu bekommen" über Treffen in Stundenhotels, um Hündchen zu spielen, bis hin zum Wunsch, in den finanziellen Ruin getrieben zu werden. Wir trafen uns weder mit den Hundeliebhabern noch mit denen, die durch uns ihre Selbstzerstörung ausleben wollten.

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Keines der Treffen dauerte länger als zehn Minuten. Wir verabredeten uns in der Nähe eines Bankomaten, forderten sie auf, einen gewissen Geldbetrag abzuheben, und verschwanden anschließend. Um sicherzugehen, dass uns niemand nach Hause folgen würde, fuhren wir mit der U-Bahn durch die Stadt und gingen anschließend etwas trinken. Vor und nach den ersten Treffen liefen wir hysterisch schreiend durch Wien, kaum glaubend, dass es wirklich funktioniert hatte. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber nun einmal an alles – selbst daran, fremden Männern abends am Karlsplatz zu befehlen, 500 Euro rauszurücken.

Es fühlte sich surreal und gleichzeitig geil an. Auf einmal war ich in einer Machtposition, in der ich zuvor nie gewesen war. Männer in hohen Positionen, die den ganzen Tag Befehle erteilten, mussten mir auf einmal ohne Grund und ohne Gegenleistung Geld geben. Weil ich es von ihnen verlangte. Alleine hätte es sich vermutlich merkwürdig angefühlt, diese Dominanz vorzutäuschen, von jemandem Dinge zu fordern, die man nie fordern könnte, für Geld einen Fetisch zu befriedigen. Aber macht man es zu zweit, kann man sich immer wieder gegenseitig versichern und bestätigen, dass all das in Ordnung ist. Zu zweit war es einfacher zu schauspielern, sich über das Erlebte auszutauschen und – wohl das Wichtigste – zu reflektieren, was man da tat.

Es ist absurd, wenn man überlegt, dass ein Mensch einer ihm fremden Person mehrere hundert Euro gibt, während um den nächsten Häuserblock vor dem Supermarkt eine Frau mit Kind im Schnee bettelt. Nur jemandem zu spenden, der es zum Überleben braucht, ist aber schlichtweg nicht das, was jemand möchte, der seinen Fetisch ausleben will. Es geht darum, sich selbst zu erniedrigen, indem das hart erarbeitete Geld an fremde Menschen abgegeben wird, die nichts dafür geleistet haben und im Alltag normalerweise unter einem stehen würden.

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Die Reaktionen meiner Freunde waren großteils positiv: Die meisten fanden es irgendwie cool, freuten sich darüber, dass ich sie endlich auch einmal auf etwas einladen konnte, und hatten höchstens Sorge um unsere Sicherheit. Dann gab es allerdings noch den einen Bekannten, der das Ganze gar nicht gut fand und uns beschuldigte, nicht von den Reichen, sondern von psychisch kranken Menschen zu nehmen. Der Abend, an dem diese Unterhaltung stattfand, endete in einer eher lauten Auseinandersetzung.

Die Dominaschule

Es muss niemand unterstützen oder gut finden, was wir machten, aber es ging hier nicht um psychische Krankheiten, sondern um Fetische. Das ist es ja: Wer sich vorstellt, dass die Männer, mit denen wir uns trafen, abnormal waren oder komisch aussahen, irrt. Würde man dieses Verhalten als psychisch krank bezeichnen, müsste man jeden Fetisch als psychisch krank bezeichnen.

Was am Ende bleibt, sind Geld und ein bitterer Beigeschmack.

Schlussendlich haben wir damit aufgehört. Nicht, weil wir uns schlecht fühlten. Wir hatten ganz klar überlegt und besprochen, wen wir nicht treffen würden und dass wir niemandem erheblichen finanziellen Schaden zufügen würden. Vor allem lag es an der Zeit. Zwar dauerten die Treffen nur zehn Minuten, aber die Organisation davor dauerte immer um einiges länger.

Da wir zu zweit waren, mussten wir Zeiten finden, die sowohl für uns als auch für den Geldsklaven passend waren. Wir hatten meistens gegen Abend Zeit. Da die meisten Männer aber dann Quality-time mit ihrer Familie verbringen wollten oder mussten, war das durchaus schwierig. War das der Fall, schrieben sie meist ängstlich, dass sie die "Herrinnen" nicht verärgern wollten, aber an diesem Abend ein Kinobesuch mit der Tochter geplant sei. Hinzu kam das Schreiben und teilweise Telefonieren mit den Männern und die mentale Vorbereitung auf die Treffen.

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Und irgendwann hatten wir keine Lust mehr. Schon beim Chatten gingen mir die meisten mit ihrem devoten Gerede so auf die Nerven, dass es zwar später leichter für mich wurde, dominant zu sein, aber meine Lust auf das Treffen auch abnahm. Irgendwann wurde das hysterische Freudengeschrei zu einem monotonen "Wollen wir uns jetzt wirklich mit dem treffen?".

Was am Ende bleibt, sind Geld und ein bitterer Beigeschmack. Den 1. Bezirk finde ich inzwischen ziemlich gruselig und abgründig. Trotzdem bereue ich nicht, es ausprobiert zu haben und irgendwann, wenn Briana Bany und Debi Diamond wieder Lust (aber nicht dann, wenn wir kein Geld mehr) haben, werden wir es ohne schlechtes Gewissen wieder tun.

*Alle Namen wurden geändert.

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