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Popkultur

Leute mit Traumjobs erzählen, ob ihre Jobs wirklich so toll sind

Ist man wirklich glücklich, wenn man beruflich mit Pandas schmust? Oder sein Geld als Influencer verdient?
Foto: Daniel Zupanc

"Such dir einen Beruf, den du liebst, und du wirst nie wieder einen Tag arbeiten müssen", hat nicht nur mein Opa, sondern auch Konfuzius einmal gesagt. Weil das aber immer einfacher klingt als es tatsächlich ist, und wir nun mal nicht in Japan leben, wo man als professioneller Leute-in-U-Bahnen-Stopfer arbeiten kann, sind die meisten von uns mehr zufrieden als glücklich mit ihrem Job.

Sterbende Menschen bereuen deshalb häufig, zeit ihres Lebens zu viel gearbeitet zu haben. Allerdings gibt es da draußen auch Leute, die das Spiel des Lebens irgendwie gewonnen haben, indem sie dafür bezahlt werden, Witze zu reißen und Filme zu schauen. Diese erfüllten Träume frustrieren uns – und weil Neid nun mal boshaft macht, haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die schlechten Seiten ihres Glücks aufzudecken. Oder gibt es gar keine?

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Friedrich, 55, kuschelt mit Shiba-Inus

Foto mit freundlicher Genehmigung von Friedrich Makino

VICE: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Friedrich: Ich bin Hundezüchter. Frühmorgens, meist noch vor dem Frühstück, laden wir unsere fünf Shiba-Inus in den Wagen und fahren mit ihnen zu einer landwirtschaftlich ungenützten Fläche, wo alle Hunde zirka eine Stunde frei laufen dürfen. Wir haben auch immer Bälle zum Spielen mit. Außerdem machen wir dabei fast immer Fährtentraining mit ihnen, indem sich meine Frau versteckt und die Hunde sie suchen dürfen.

Nachmittags gibt es dann einen kleinen Spaziergang und am Abend wieder eine große Runde. Zwischendurch: Fellpflege, Fütterung und Spielen. Werden die Hündinnen läufig und dürfen gedeckt werden, sucht man nach einem geeigneten Deckrüden, besucht diesen einige Male und hofft, dass das Decken auch klappt. Werden zwei Monate später Welpen geboren, beginnt eine wirklich anstrengende Zeit für die Züchter, da die Welpen rund um die Uhr betreut werden müssen. Sie müssen jeden Tag gewogen, gefüttert und zum Gassi gehen in den Garten getragen werden, damit sie stubenrein werden.

Gibt es ansonsten einen weniger beneidenswerten Aspekt daran, als Hundezüchter zu arbeiten?
Ja, wenn Tiere krank werden und man mit ihnen leidet. Oder wenn man das Gefühl hat, dass sich die ausgewählte Familie entgegen aller Versprechungen nicht gut um den Welpen kümmert.

Was ist das Beste an dem Job?
Kleine, flauschige Welpen aufziehen zu dürfen. Sich mit Tieren zu beschäftigen erfüllt sehr, es kommt so viel Liebe zurück. Außerdem ist man zwangsläufig oft in der Natur unterwegs – das tut Körper, Seele und nicht zuletzt auch den Hunden gut. Ich bin übrigens derzeit auch Privatdetektiv. Auch ein super Job.

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Michael, 24, macht Scherze im Internet

Foto: Dominik Pichler

VICE: Was machst du beruflich?
Michael: Am besten kann man mich wohl als YouTuber oder Influencer bezeichnen. Ich stehe morgens auf, beantworte die ersten Mails und Kooperationsanfragen und überlege mir im Laufe des Tages lustige Video-Ideen oder ein paar Schenkelklopfer für Twitter. An drei Tagen die Woche filme ich dann meine Videos und schneide sie auch gleich im Anschluss. Dabei bin ich meistens stundenlang alleine und deshalb genieße ich es auch, am Abend auf Events zu gehen um zu "networken", also massig Alkohol zu trinken, während ich mit Fremden plaudere.

Ist das wirklich dein Traumjob?
Aktuell verdiene ich ja mein Geld damit, mir lustige Dinge zu überlegen und sie in Videoform umzusetzen. Das war in der Tat schon immer mein Traum: Ich kann mich genau erinnern, dass ich mir als Kind irgendwann mal dachte "Ich wünschte, ich könnte beruflich einfach Scherze machen!" - und genau das tue ich jetzt eigentlich.

Um welchen Teil deiner Arbeit beneiden dich wahrscheinlich viele Menschen?
Ich kann mir vorstellen, dass es reizvoll klingt, dass ich mein eigener Chef bin und meine Videos rein theoretisch um 3 Uhr morgens filmen und am nächsten Tag bis Mittag schlafen könnte. Das tue ich aber nicht. Ab und an darf ich beruflich verreisen oder bekomme PR-Samples von Firmen zugeschickt, die ich aber fast immer sofort weiterverschenke, weil mich zu viel Zeug in meiner Wohnung ein bisschen stresst. Was mache ich mit drei verschiedenen Handyhüllen, wenn ich doch nur ein Handy habe?

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OK – aber wo ist der Haken?
Ich habe oft Meetings mit Agenturen oder potenziellen Kooperationspartnern. Dabei versuche ich immer, sehr professionell zu bleiben: Ich lächle und nicke viel und verwende wilde Worte wie "Analytics" oder "Cross-Promotion". Ich habe zirka zehn solcher Meetings im Monat und kann mich glücklich schätzen, wenn auch nur eines davon zu einem bezahlten Auftrag führt. Dabei geht sehr viel Zeit drauf.

Auch weniger beneidenswert ist wohl, dass ich mit so gut wie jedem meiner Videos irgendjemandem auf den Schlips trete, obwohl es gar nicht meine Absicht ist. Ich sage etwa "Heute habe ich eine Stimme wie ein Kettenraucher!", und bekomme dann eine ellenlange Mail mit der Einleitung: "Mein Onkel ist an Lungenkrebs gestorben – Witze über Kettenraucher sind NICHT LUSTIG!!!". Oft habe ich das Gefühl, dass ich alles, was ich mache, falsch mache.

Renate, 38, chillt mit Pandas

Foto: Daniel Zupanc

VICE: Wie kommt man zu so einem Job und was gehört dazu?
Renate: Ich bin seit 2003 als Tierpflegerin im Wiener Tiergarten Schönbrunn tätig. 2002 habe ich dort mein erstes Praktikum in der Tierpflege gemacht und dann im Jahr darauf bei den Großen Pandas einen Teilzeitjob in der Tierpflege erhalten. Damals habe ich noch Zoologie studiert. Mein Studium habe ich 2007 abgeschlossen und dann die Ausbildung für die Tierpflege im zweiten Bildungsweg nachgeholt.

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Zu unserer Abteilung gehören Große Pandas, Rote Pandas, Koalas, Kängurus, Ratten, Giraffen, Hornraben, Tokos, Zwergmangusten, Blauzungenskinke und Kragenechsen – also sehr unterschiedliche Tiere. Ich kenne unsere Großen Pandas fast von Anfang an, sie sind auch immer meine Lieblinge geblieben. Zur Pflege gehört viel dazu: täglich mehrmals die Innen- und Außenanlagen säubern sowie frischen Bambus zum Verfüttern vorbereiten und in der gesamten Anlage verteilen. Dann wird ein spezielles, gedämpftes Brot aus Bambus, Reismehl, Maismehl, Haferflocken und Gemüse zubereitet – als Zusatzfutter für die Großen Pandas. Dieses Bambusbrot wird an das Muttertier Yang Yang und die beiden Jungtiere Fu Feng und Fu Ban über den Tag verteilt gefüttert, zusätzlich zum Bambus. Sie bekommen vier- bis fünfmal am Tag frischen Bambus.

Inwiefern ist das ein Traumjob?
Tierpfleger im Tiergarten Schönbrunn ist für mich der Traumjob, da ich mich von klein auf immer schon für alle möglichen Tiere begeistern konnte. Und alle, die mich kennen, haben gewusst, dass ich auch beruflich einmal mit Tieren arbeiten würde. Meine Eltern hatten damals einen kleinen Bauernhof – ich bin mit Tieren aufgewachsen.

Als ich 2003 bei den Pandas anfing zu arbeiten, waren Yang Yang und Long Hui noch sehr jung und ich hatte das Glück mitzuerleben, wie die beiden gemeinsam aufwuchsen. 2007 kam mit Fu Long das erste Jungtier. Auch das war eine unglaublich schöne Erfahrung. Mittlerweile hat Panda-Weibchen Yang Yang schon fünf Jungtiere selbständig aufgezogen – und ich durfte jede Aufzucht hautnah miterleben. Mittlerweile hatten wir mit den jetzigen Zwillingen schon fünf Jungtieraufzuchten, die ich alle hautnah miterleben durfte. Also, wenn das kein Traumjob ist – dann weiß ich es auch nicht! Und alle Jungtiere sind vom Charakter her unterschiedlich sowie ja auch kein Kind dem anderen gleicht. Und gerade das liebe ich so an ihnen.

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Bei welchem Teil dieses Berufs würde ich neidisch werden?
Viele Menschen werden mich beneiden, wenn ich bei den Panda-Jungtieren im Gehege bin und sie füttere oder abwiege. Da mich die Tiere von klein auf kennen, bin ich ihnen vertraut und sie haben keine Angst vor mir. Und das ist natürlich sehr schön, aber es steckt auch viel Arbeit dahinter.

Ein erwachsenes Tier frisst bis zu 30 Kilo Bambus am Tag, da Bambus sehr nährstoffarm ist. Es sind also viel anstrengende Reinigungsarbeiten notwendig. Aber Hauptsache, den Tieren geht es gut.

Sebastian, 33, schaut beruflich Filme

Foto: Natascha Unkart

Was ist dein Job?
Sebastian: Die Bezeichnung variiert: Festivalleiter, Intendant, Geschäftsführer und künstlerischer Leiter. Ich bin mit einem Kollegen zuständig für Finanzierungsfragen, über Sponsoringtermine und -akquise, bis zur inhaltlichen Konzeptionierung des Filmfestivals Diagonale. Im Winter findet die Arbeit dann zu großen Teilen im ewig dunklen Kinosaal statt. Dann gilt es, rund 550 Filme zu sichten und zu diskutieren, um schließlich im Frühjahr eine im besten Fall repräsentative und stimmige Filmauswahl für den Diagonale-Wettbewerb zu treffen.

Ist das ein Traumjob?
Ich bin unsicher, ob ich das selbst so sehen würde. Freilich, es stimmt schon, dass viele Aspekte des Jobs hochinteressant sind. Und zweifelsohne ist es im Kultursektor ein Privileg, ganzjährig angestellt zu sein und weitgehend ohne inhaltliche Einflussnahme von außen ein Programm für ein diverses Publikum anbieten zu können.

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Von traumhaft würde ich aber immer nur dann sprechen, wenn es tatsächlich um die Festivalinhalte geht, also um den Film. Das Medium in seinen unterschiedlichen Ausformungen zu diskutieren, ist mit Sicherheit die schönste Facette des Berufs. Auf bizarre Art und Weise bereitet es mir außerdem diebische Freude, bei diversen – nicht immer erquicklichen – Netzwerk- und Repräsentationsterminen auf Menschen zu treffen, die sich in komplett anderen Lebensrealitäten bewegen und völlig konträre Meinungen zu Politik und Kultur vertreten.

Um welchen Teil deiner Arbeit beneiden dich viele?
Vermutlich um die vielen Filmsichtungen. Die Vorstellung, fürs Filmeschauen bezahlt zu werden, ist im ersten Moment eine absolut reizvolle. Und es ist ja auch tatsächlich wunderbar. Nur müssen diese Sichtungen im Fall der Diagonale aufgrund der Einreichfristen geballt stattfinden. Über Wochen en bloc im dunklen Kino zu sitzen, ist dann mitunter harte Arbeit – und nicht vergleichbar mit dem abendlichen Kinobesuch in Gesellschaft.

Was ist noch nicht beneidenswert?
Die Diagonale erreichen im Durchschnitt rund 550 Filmeinreichungen pro Jahr. Im Wettbewerb finden dagegen nur knapp 100 Arbeiten Platz. Somit werden ungefähr vier von fünf Filmen abgelehnt und man enttäuscht mit der eigenen Entscheidung jedes Jahr zumindest vier von fünf Filmschaffenden. Wo immer Entscheidungen getroffen werden, stößt man nicht nur auf Wohlwollen.

In der Entscheidungsphase im Frühjahr können die Emotionen schon mal ziemlich hochgehen und der Ton wird rauer, als man es in der Kulturszene erwarten würde. Gleichzeitig ist es nie erfreulich, Leute enttäuschen zu müssen, zumal man ja nie davor gefeit ist, Fehlentscheidungen zu treffen. Sagen wir so, das Frühjahr ist emotional alles andere als ein Zuckerschlecken.

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