Frauen (und ein Mann) posieren in den Outfits, für die sie in der Arbeit kritisiert wurden

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Frauen (und ein Mann) posieren in den Outfits, für die sie in der Arbeit kritisiert wurden

"Du bist heute nicht fesch genug angezogen."

Wer bestimmt eigentlich, was wir tragen können und was nicht? Wer sagt, ab wann ein kurzer Rock zu kurz ist—und zu kurz wofür überhaupt? Auch an zu viel Kleidung stoßen sich einige und generell entscheiden oft die Menschen um uns herum, was wir tragen können und was nicht. Durch Kommentare, Konventionen oder einfach nur Blicke.

Dann bleibt die Frage, ob man sich fügt, oder ob man das anzieht, worin man sich eben wohl fühlt—sofern es die sozialen Normen überhaupt erlauben. Weil man im Berufsleben mehr Regeln unterworfen ist als an Samstagabenden, wenn man mit Freunden etwas trinken geht. Weil es zum Beispiel ein Chef nicht gutheißt, weil es Kunden nicht gutheißen (oder man zumindest davon ausgeht) oder weil es als unprofessionell gilt, wenn die Hose zu kurz, der Ausschnitt zu tief oder der Pullover zu eng ist.

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"Grundsätzlich kommt es immer darauf an, um welchen Job es sich handelt", erklärt Dr. Alexander Tomanek von der Arbeiterkammer Wien. "Hat man eine Außenwirkung? Kann man dem Arbeitgeber mit dem Outfit irgendwie Schaden oder Nutzen bringen?"

Ein Urteil vor einigen Jahren zeigt die Problematik auf: Ein Bankangestellter trug in der Arbeit tagelang eine große Goldkette und wollte sie trotz mehreren Aufforderungen des Arbeitgebers nicht ablegen. Dem Arbeitgeber wurde schlussendlich vom Obersten Gerichtshof Recht gegeben. Es sei legitim, auf eine "branchenübliche Bekleidung" zu bestehen. "Bei einem Automechaniker werden Tattoos egaler sein als bei einem Bankangestellten, dem man viele Tausend Euro anvertraut. Es ist immer eine Einzelfallentscheidung", erklärt Tomanek.

Der Fall eines Busfahrers, der letztes Jahr wegen eines rosa Haarbands gefeuert wurde, ging ebenfalls vor den Obersten Gerichtshof. Hier wurde die Kündigung für nicht zulässig erklärt. "Grundsätzlich haben wir schon das Recht, zu tragen, was wir möchten", erklärt uns Alexander Tomanek von der Arbeiterkammer. Ein Chef könne einer Angestellten natürlich nicht vorschreiben, wie lang oder kurz ein Rock zu sein habe: "Er muss passend sein. Wenn es keinen nachvollziehbaren Grund gibt, warum eine Mitarbeiterin etwas nicht tragen kann, dann kann sie es sehr wohl tragen." All das ist eher vage. Wann ein Rock zu kurz ist, ein Tattoo zu präsent, ein Ausschnitt zu tief, ist eben nicht im Gesetz festgelegt.

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Wir haben vier Menschen in den Outfits fotografiert, in denen sie in ihrer Arbeit schon kritisiert wurden, und nachgefragt, was denn den Kollegen dabei nicht gepasst hat.

Laura*, 25

VICE: In welchem Job wurdest du für das Outfit kritisiert?
Laura: Bei einem Praktikum in einer Social-Media-Agentur in Wien.

Was hat die Person kritisiert?
Dass das Outfit nicht schön genug sei, um damit zu einem Kundentermin zu fahren. Generell wurde das T-Shirt gemeint.

Was war der genaue Wortlaut?
"Ich würde dich ja zum Kunden mitnehmen, aber du bist heute nicht fesch genug angezogen."

Wer war die Person?
Mein damaliger Chef.

Hast du das Outfit danach wieder angezogen?
Ja.

Mit welchem Gefühl?
Am Anfang mit einem komischen Gefühl. Ich habe mich gefragt, ob das T-Shirt wirklich so schrecklich ist, dass man damit nicht zu einem Termin fahren kann.

Passt du jetzt mehr auf, was du trägst?
Generell nein, da ich mittlerweile in einem Arbeitsumfeld bin, in dem es egal ist was man trägt und die Leute sich wohl fühlen.

Elsa*, 19

VICE: In welchem Job wurdest du für das Outfit kritisiert?
Elsa: Ich wurde in meinem 2. Lehrjahr in der Finanzbranche das erste Mal auf mein Outfit angesprochen. Das war diesen Sommer, also als es wirklich heiß draußen war.

Was hat die Person kritisiert?
Meinen "zu kurzen" Rock und meinen "zu tiefen" Ausschnitt.

Was war der genaue Wortlaut?
Das weiß ich nicht mehr genau. Es ging aber um die Arbeitshaltung und Professionalität. Sein Blick schweifte abwechselnd von meinem Ausschnitt zu den Oberschenkeln und er hat sowas gesagt wie "… und um da gescheit was zu machen, sollte man sich auch angemessen anziehen und nicht billig daher kommen."

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Wer war die Person?
Es war ein Kollege, der mich ein wenig in meine Aufgaben einschulte.

Hast du das Outfit danach wieder angezogen?
Ja, natürlich. Immerhin war es noch öfter heiß in diesem Jahr und wir haben keine Klimaanlage.

Wenn ja, mit welchem Gefühl?
Ich habe den Kollegen immer gemieden, wenn ich das Outfit oder ein ähnliches anhatte. Ich wollte nicht nochmal solche unterschwelligen Bemerkungen hören und auch keine derartigen Blicke mehr sehen.

Passt du jetzt mehr auf, was du trägst?
Natürlich hat mich diese Begegnung ein wenig irritiert und verunsichert, trotzdem ziehe ich die Kleidung an, in der ich mich wohl fühle. Ich schaue schon darauf, dass sie zu meinem Beruf passt und nicht zu gewagt ist, aber niemand sollte es mir übelnehmen, wenn ich in der Hitze keine langen Hosen oder Westen im nicht klimatisierten Büro trage.

Hans*, 25

VICE: In welchem Job wurdest du für das Outfit kritisiert?
Hans: Ich arbeite in der Politik und sage dort Politiker_innen, was sie sagen sollen und so.

Was hat die Person kritisiert?
Ich glaube, ich war einfach etwas zu heiß für das seriöse Umfeld angezogen. Aber hey, es hatte einfach 35 Grad, soll ich da im Anzug herumrennen?

Was war der genaue Wortlaut?
"Die Hose ist aber schon ziemlich kurz."

Wer war die Person?
Einer der Ranghöchsten meiner vielen Vorgesetzten.

Hast du das Outfit danach wieder angezogen?
Natürlich, aber nur freitags—da sind meistens keine Termine im Büro, da sehen mich Externe nicht in dem Outfit. Irgendwie hatte ich nämlich schon das Gefühl, dass es vielleicht wirklich etwas zu aufreizend ist, insbesondre für einen Mann. Mir kommt vor, dass bei man bei Frauen in kurzen Hosen toleranter ist, wobei es daran liegen könnte, dass Männer schneller sexualisieren und es geil finden. Bei mir sind sie wahrscheinlich eher eingeschüchtert.

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Passt du jetzt mehr auf, was du trägst?
Nicht wirklich. Ich hab mich inzwischen aber manchmal in der Kantine umgeschaut und gemerkt, dass echt kaum jemand kurze Hosen trägt. Noch weniger etwas, das man schon fast als Hot-Pants bezeichnen könnte. Um meine Seriosität zu wahren verzichte ich jetzt immerhin auf ganz kurz Shorts.

Marie*, 25

VICE: In welchem Job wurdest du für das Outfit kritisiert?
Marie: Als Praktikantin in einer größeren Unternehmensberatung.

Was hat die Person kritisiert? Was war der Wortlaut?
Mit einem sehr abschätzigem Blick: "Aha, das ist heute aber ein besonders … interessantes … Outfit. Du traust dich aber was." Ich weiß noch immer nicht, was genau ihn an meinem Outfit gestört hat.

Wer war die Person?
Ein männlicher Kollege, der nur ein paar Jahre älter war als ich.

Hast du das Outfit danach wieder angezogen?
Nein.

Warum nicht?
Weil ich mich danach sehr unsicher gefühlt habe und das Outfit jetzt mit der Aussage verbinde. Ich ärgere mich ehrlich gesagt selber ein bisschen darüber, dass es mich so stört.

Passt du jetzt mehr auf, was du trägst?
Direkt nach der Aussage: ja. Ich habe seitdem aber einige andere Aussagen zu hören bekommen und beschlossen, mich so zu kleiden, wie ich will, solange das noch im Rahmen der "professionellen Standards" liegt. Also kein tiefer Ausschnitt, keine kurzen Röcke, keine extrem enge Kleidung, wenn möglich ein Blazer drüber.

Also du machst dir eh viele Gedanken darüber, was angebracht ist und was nicht?
Ja. Was mich besonders irritiert hat, war, dass ich sowieso schon sehr vorsichtig bin, was meine Kleidung in der Arbeit angeht, um ja nicht aufreizend, unprofessionell oder etwas in der Art zu wirken. Jeden Morgen, wenn ich mich für die Arbeit fertig mache, denke ich daran und ärgere mich über mich selbst. Ich bekämpfe diesen Ärger, indem ich seitdem immer wieder auf diesen alltäglichen Sexismus im Büro hinweise und ihn nicht mehr still hinnehme. Und dabei hoffe, dass das irgendwann, bei irgendwem, ein Umdenken bewirkt.

*Namen von der Redaktion geändert.