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Warum sich Gudenus, Hofer und Co. so gerne als Opfer inszenieren

Wir haben eine Psychologin gefragt, warum sich viele Politiker in der Opferrolle so wohl fühlen und uns angesehen, warum Norbert Hofer jetzt seine eigenen Leute verklagt.

"Manfred Deix—ein großer Künstler ist von uns gegangen." Wer Montagnachmittag irgendwo im sozialen Netz unterwegs war, ist früher oder später ziemlich sicher über dieses Zitat des Wiener Vizebürgermeisters Johann Gudenus (FPÖ) gestolpert—und zwar in Kombination mit Bildern von Picasso, Spongebob und Donald Duck.

Der Grund dafür war, dass Gudenus am Montagmittag in seinem Facebook-Posting zum Tod von Manfred Deix versehentlich eine Karikatur von Gerhard Harderer gepostet hatte. Das Ganze erinnert Leser mit Langzeitgedächtnis vielleicht an ein Posting von Felix Baumgartner, der 2013 ein Bild mit Gene Simmons gepostet hat und im Begleittext dazu von Ozzy Osbourne redete.

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Wie es zu der Verwechslung kam, ist unklar. Laut Österreich soll Gudenus das Bild von einem anderen User übernommen haben. Eine weitere mögliche Erklärung: Wenn man gezielt nach einer Deix-Karikatur sucht, die die SPÖ parodiert und auf Google "deix faymann" eingibt, taucht zumindest gleich als zweiter Bildvorschlag die besagte Haderer-Zeichnung auf.

Screenshot via Google

Gudenus reagierte am Montagabend jedenfalls verärgert über die Kritik und griff in einem Facebook-Posting indirekt Armin Wolf an, der die Verwechslung als erster thematisiert hatte. "Der investigativste Journalist von überhaupt hat das auch sogleich gnadenlos aufgedeckt, gecheckt und gegengecheckt, worauf er sich ob der zahllosen Gratulanten zu diesem Coup auf den Gängen des Küniglbergs gerade blaue Schulterblätter holt", schreibt der FPÖ-Politiker. Das Muster ist ein altbekanntes: Genau wie bei der Wahlanfechtung inszeniert sich ein FPÖ-Politiker wieder einmal als Opfer und teilt gleichzeitig ordentlich aus.

Eine Karikatur, die tatsächlich von Manfred Deix stammt.

Als Opfer inszeniert sich derzeit auch Norbert Hofer. Ironisch daran ist nur, dass bei der Wahlanfechtung der Feind ausnahmsweise mal in den eigenen Reihen der FPÖ sitzt. Denn Hofer hat sich den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Privatbeteiligter angeschlossen, die gegen Wahlbeisitzer der Bundespräsidentschaftswahl wegen dem Verdacht der falschen Beurkundung ermittelt. Unter Verdacht stehen zwar Beisitzer verschiedener Parteien—bisher konnten aber nur denen der FPÖ falsche Beurkundungen nachgewiesen werden.

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Dass die Privatbeteiligung Norbert Hofers ein strategischer Schachzug auf Kosten der kleinen Leute innerhalb der FPÖ ist, ist unwahrscheinlich. Dafür würde eine mediale Inszenierung reichen und es bräuchte keine Klage des Politikers. Wahrscheinlicher ist, dass Norbert Hofer im Falle einer Verurteilung von Wahlbeisitzern anderer Parteien (und vielleicht auch der eigenen) finanzielle Ansprüche geltend machen wird.

Trotzdem: Die FPÖ setzt auch mit der eingebrachten Wahlanfechtung auf die Opferkarte. Aber warum ist diese Taktik eigentlich so beliebt? Laut der Wiener Psychologin Karin Busch-Frankl spricht dieser Mechanismus vor allem politikverdrossene Menschen an. "Politiker, die sich als Opfer von jemand anders inszenieren, geben damit Verantwortung ab und schieben die Schuld für politisches Versagen anderen zu", erklärt sie gegenüber VICE.

So kann die eigene Ohnmacht auf jemand anderen übertragen werden. Genau wie im Fall von Johann Gudenus: Nicht er hat einen Fehler begangen, sondern der "investigativste Journalist von überhaupt".

"Diese Rolle führt dazu, dass ich mir aufgrund der Fremdbestimmung keine weiteren Gedanken machen muss, wie ich eine Situation verändere", sagt Busch-Frankl. Indem Johann Gudenus schreibt, man "sollte an traurigen Tagen wie diesen vielleicht einfach einmal einen Lapsus als solchen sehen und durchgehen lassen", spielt er also den Ball Armin Wolf zu: Er wolle schließlich nur sein Mitgefühl ausdrücken und Armin Wolf sei derjenige, der die ungestörte Anteilnahme verhindere.

Das ist natürlich schlau. Es ist aber auch ziemlich heuchlerisch. Zum einen, weil die Karikatur, die Gudenus auf seiner Facebook-Seite gepostet hat, ja selbst die politische Vereinnahmung eines Künstlers war, der sich von der FPÖ vermutlich eher nicht so gerne vereinnahmen lassen würde. Und zum anderen, weil das Gerede vom "großen Manfred Deix" verschleiert, dass genau dieser laut ORF in der Vergangenheit selbst von der FPÖ verklagt und der Blasphemie bezichtigt wurde.

Paul auf Twitter: @gewitterland


Article Thumbnail: Matthias Thoelen / VICE Media