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Besetzte Schule in Kreuzberg—Mehr Polizei, mehr Absperrungen, aber keine Lösung in Sicht

Die Flüchtlingslage an der Ohlauer spitzt sich zu, und die Presse muss mal wieder draußen bleiben.

Flüchtlinge auf dem Dach der besetzten Schule

„Say it loud, say it clear, refugees are welcome here!“ Am Donnerstag, dem dritten Tag der Proteste um die Flüchtlingssituation auf dem Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauerstraße, standen Unterstützer der Flüchtlinge vor den Barrikaden und zeigten ihre Solidarität. Immer noch harren circa 40 Flüchtlinge im Schulgebäude und auf dem Dach der Kreuzberger Schule aus und fordern ihr dauerhaftes Bleiberecht.

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Für die Presse gab es erst mal kein Durchkommen. „Melden Sie sich telefonisch bei der Pressestelle des Bezirksamtes“, gab mir der Beamte an der Absperrung Lausitzerstraße Ecke Wienerstraße zu verstehen. Die Pressestelle verwies mich jedoch wiederum an Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach, der zu dieser Zeit aber auch für die Kollegen nicht zu erreichen war … Ein ewiges Hin und Her. Also blieb die Presse, wie auch schon in den vergangenen Tagen, wieder hinter den Barrikaden.

Immer wieder kursierten Gerüchte, das SEK sei unterwegs, diese hielten sich gestern den ganzen Tag über, bestätigten sich aber nie. Per Telefonliveschalte traten die Flüchtlinge vom Dach mit den Supportern vor der Absperrung an der Ecke Reichenbergerstraße/Ohlauerstraße in Verbindung. „We don´t want to harm anyone, but if the police comes in to the house, we are willing to kill us“, hallt es aus dem Lautsprecher. Fast wie eine Provokation wirkte der Trupp von Polizisten, der kurz nach den Statements vom Dach unter Pfiffen in Reih und Glied quer durch die Menge marschierte. Die Situation schien sich aufzuheizen.

Endlich gab es eine Nachricht für die Presse. In Kleingruppen wurden Pressevertreter mit „rein“-genommen. Aber keinem war wirklich klar, was „rein“ bedeutet. Wir wurden vor das Tor der Schule geführt. Aufgrund der derzeitigen Gefahrenlage—was immer das auch heißen mag—könnten sie uns den Zutritt auf das Gelände und somit auch den direkten Kontakt zu den Flüchtlingen nicht genehmigen, so Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach. Langenbach schien nach Erklärungen zu suchen. Man konnte ihm seine Überforderung mit der Situation ansehen. Als Vergleiche zum Geiseldrama von Gladbeck gezogen werden, schien es dann ins Lächerliche zu gehen. Die anwesenden Journalisten forderten immer wieder den Zutritt zum Gelände. Während der „Pressekonferenz“ kam ein Supporter aus der Schule zu uns ans Tor. Er forderte, dass er und die restlichen im Hause verbliebenen endlich mit der Presse reden dürfen, und bat uns, das Gelände zu betreten. Nach seinem kurzen Auftritt wurde er kurzerhand unter den Augen von Baustadtrat Hans Pannhoff (Grüne) und Sascha Langenbach von mehreren Beamten zu Boden gestreckt. Das einseitige Handgemenge und die Knie, die er zu spüren bekam, hielten ihn aber nicht davon ab, wieder zurück ins Gebäude zu gehen. Langenbach und Pannhoff machten nicht den Eindruck zu wissen, was mit der Presse gemacht und vor allem wie mit ihr umgegangen werden soll. Nach einem kurzen Gespräch untereinander kamen sie dann zu dem Schluss, dass die Pressekonferenz beendet sei und auf den nächsten Tag verschoben werde. Wir wurden gebeten, wieder hinter die Absperrung zu gehen.

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Aktivist wird nach seinen Statements zu Boden gebracht

Unterdessen wurden die Supporter an der Absperrung lauter. Es gab Tritte gegen den Zaun und lautstarke Forderungen, die Presse reinzulassen. Natürlich war Verstärkung sofort auf dem Weg und der kurze Tumult wurde unter Androhung von Pfefferspray beruhigt.

In einem heute erschienen Artikel fordert die taz Einlass in die Schule und prangert den rechtswidrigen Umgang mit der Presse an.

Die an der Lausitzerstraße Ecke Wienerstraße errichteten Sitzblockaden wurden immer lauter. „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here!” schrien Menschen aus voller Kehle. Man konnte die Anspannung spüren. Die Situation schien jeden Moment zu eskalieren. Die gewaltsame Auflösung der sich eng aneinander klammernden Demonstranten von der Polizei erinnerte an den 1. Mai. Es flogen zwar keine Steine, aber das ein oder andere Fahrrad.

Gewaltsame Räumung der Sitzblockade

Heute morgen wurde ein Manifest der Flüchtlinge veröffentlicht, in dem steht, dass sich 30 Flüchtlinge aus dem Gebäude, die sich vorher nicht zum politischen Kern zählten, vom Dach stürzen würden, wenn das Haus gestürmt würde. Unter anderem auch ein 17-Jähriger, der gestern seinen Geburtstag „feierte“. Es wurde bekannt, dass von der Kirche und dem Bezirksamt neue Essenslieferungen auf das Gelände gebracht werden, denn natürlich reicht die gestern eingetroffene Pizzalieferung nicht lange.

Außerdem wird in dem Manifest über eine großräumige Solidaritätsaktion, die den Namen #solidarityrooftop trägt, dazu aufgerufen, dass jeder Berliner seine Unterstützung mit dem Betreten seines eigenen Daches zeigen kann. Der Support scheint von Tag zu Tag zu wachsen. Neben dem im Fusion-Line-up stehenden Rapper Joe le Soldat aus Darfur, welcher ein Benefizkonzert für Aktivisten und Flüchtlinge geben wird, gibt es auch einen Bierhersteller, der eine Musikanlage und Freibier bereitstellt.

Laut Angaben eines sich im Haus befindenden Supporters ging der Psychoterror von Seiten der Polizei unterdes weiter. In der vergangenen Nacht sollen die Flüchtlinge mit grellen Scheinwerfern geblendet worden und durch immer neue Ultimaten massiv unter Druck gesetzt worden sein. Mehrfach wurde versucht, Kommunikation mit den Verantwortlichen aufzunehmen, was aber ins Leere lief. Der nächste Schritt ist jetzt, das Wochenende zu überstehen und längerfristig mit Hilfe von Sponsoren ein selbstverwaltetes Flüchtlingshaus zu gründen, welches als eine Art Leuchtturmprojekt für Flüchtlinge auf der ganzen Welt dienen soll. Es soll sogar ein Investor gefunden worden sein, der sich mit 100.000 Euro an dem Projekt beteiligen würde.