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​Warum uns die neuen Facebook Reactions komplett überfordern

Mit all diesen neuen Gefühlen muss man erst einmal umgehen lernen.

Screenshot via Facebook

Seit Mittwoch gibt es neben dem Like-Button fünf neue Emojis auf Facebook: „Love", „Haha", „Wow", „Sad" und „Angry". Auf Nachfrage stellt Facebook gleich mal klar, dass es sich um keine Emojis, sondern um Reactions handle. Für manche scheint die Welt durch diese Neuerung unterzugehen, oder zumindest ein bisschen (zu) kompliziert zu werden. Ähnlich wie bei der Einführung der Titelbilder, des neuen Facebook-Designs oder des Facebook-Messengers.

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Und wie immer vermischt sich mit der Kritik an einzelnen Features auch gleich ein bisschen grundlegende Kritik an Facebook selbst. Das ist nicht immer berechtigt, aber im Fall der Reactions kann man zumindest wirklich von einem Paradigmenwechsel sprechen.

Seit dem Jahr 2009, als der Like-Button eingeführt wurde, wurden wir auf die Verwendung des Likes als einzige relevante soziale Reaktion trainiert. Die Welt war binär: Es gab nur zur Kenntnis nehmen oder ignorieren und alle kämpften um die Aufmerksamkeit der User, die sich schnell als die einzige echte Währung des Internets etablierte.

Durch die neuen Reactions verändert sich unser bereits automatisiertes Like-Verhalten nun komplett. Durch die 5 zusätzlichen Optionen gibt es nicht einfach 5 weitere Möglichkeiten, einen Status zur Kenntnis zu nehmen—es gibt eigentlich ein ganzes Baumdiagramm an Bedeutungen, die wir erst verstehen lernen müssen. Was heißt es, wenn jemand meinen Status „sadded"? Ist eine Person, die meine Meldung mit „angry" markiert, mit mir gemeinsam böse oder böse auf mich?

Wie so oft sind viele erst mal überfordert mit so viel Neuem—und das ist OK, denn mit all diesen neuen Gefühlen muss man schließlich erst einmal umgehen lernen. Genauso ist unsere Angst davor ganz natürlich, dass sich durch die Reactions auch unser Sprachgebrauch verändern könnte. Und ja, zugegeben, noch klingt auch für uns die Vorstellung ziemlich dystopisch, dass die Kids in der U-Bahn Dinge sagen könnten wie: „Boa, ich love deine Schuhe." oder „Sie war sauer, weil ich das Profilbild ihrer Freundin gewowt habe, ich meine …!?"

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Für Facebook selbst sind die Reactions die logische Konsequenz auf die Forderung seiner User. „Wir bekommen seit Jahren das Feedback, dass sich die Leute mehr wünschen als nur den Like-Button", sagt Stefan Stojanow, Communication-Manager bei Facebook Deutschland. Viele User forderten lange Zeit einen Dislike-Button, von dem wir euch damals schon gesagt haben, dass es diesen wohl nie geben wird. Jetzt gibt es zumindest eine Angry-Reaction—aber auch die funktioniert nicht richtig als Antithese zum Like und dient nur beschränkt dazu, Hate auszudrücken.

Das kann man derzeit gut auf Facebook-Seite von Heinz-Christian Strache beobachten, wo sich jetzt schon die Angry-Liker in Scharen tummeln. Die einen liken, weil sie Wutbürger sind und Strache beipflichten wollen; andere wollen nur ihren Wut über Strache ausdrücken. Beides mündet in derselben Reaction.

Stojanow von Facebook meint dazu nur: „Der Mensch selbst hat ja eine Vielzahl an Reaktionen und diese können auch unterschiedlich interpretiert werden." Das ist natürlich wahr—aber das Schöne an echten Reaktionen ist in der Regel ja, dass sie eben so differenziert aussehen, dass man ihre Bedeutungen ziemlich gut voneinander unterscheiden kann. Zumindest würde man im echten Leben ziemlich schnell merken, ob jemand mit oder über Strache wütend ist.

Die Absicht von Facebook selbst ist klar: Engagement und Interaktion erzeugen. Je mehr Auseinandersetzung mit ihrem Produkt es bei den Usern gibt, umso relevanter kann Facebook als Netzwerk auch bleiben. Gleichzeitig will man Konflikte umschiffen und weitere Hate-Entgleisungen im sozialen Netz so gut es geht vermeiden: Wer seinen Hass nicht ungefiltert in Sekundenschnelle ablassen kann, sondern zumindest aus sechs unterschiedlichen Emotionen wählen muss, ändert im Zuge seiner Reaktion vielleicht auch seine Haltung (so zumindest scheint Facebook zu kalkulieren).

Aber so überfordert wir alle im Moment noch noch mit den sechs unterschiedlichen Reactions sind: Das Traurigste ist eigentlich, dass die siebte sterben musste. Ausgerechnet das „Yay"-Emoji—Facebooks beste Chance darauf, ein Reaction-Äquivalent zu den Pusheen-Katzen aus dem Messenger zu schaffen—wurde seit der Testphase nämlich aus dem Repertoire gestrichen.

„Wir haben die Reactions monatelang getestet und die mit positivem Feedback haben es schlussendlich dann geschafft", so Stojanow. „Die Yay-Reaction war dem normalen Like einfach zu ähnlich." Für die Debatte, ob ein abstraktes Daumen-hoch wirklich dasselbe ist wie ein rotwangiger Wonneproppen ist, bieten allerdings nicht mal die neuen Reactions genügend Auswahlemotionen. Das Beste an der Neuerung auf Facebook ist aber, dass wir sie mit ziemlicher Sicherheit in ein paar Wochen schon wieder ganz vergessen und als Normalzustand akzeptiert haben werden.

Eva auf Twitter: @immerwiederEva