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Hangover-News, 08. Februar 2016

Jeder vierte Deutsche würde auch auf Flüchtlinge schießen lassen, Kim Jong-un will der Welt Nukleartests als Raumfahrtmissionen verkaufen, beim Fasching rollen deutsche Panzer gegen Geflüchtete und Frauke Petry muss vielleicht in den Knast.

Das FPÖ-nahe Magazin Aula darf KZ-Häftlinge jetzt offiziell „Massenmörder" und „Landplage" nennen

Foto: Bundesarchiv , CC. BY 3.0

Dass sich das monatlich erscheinende Magazin Aula am besten mit dem Prädikat „rechtsextrem" beschreiben lässt, ist ja kein großes Geheimnis. Ein darin erschienener Artikel über die Befreiung des KZs Mauthausen lässt die Wogen aber aktuell besonders hochgehen: Autor Manfred Duswald bezeichnet die 1945 befreiten Insassen darin als „Massenmörder" und „Landplage", die „raubend und plündernd, mordend und schändend" das „unter ,Befreiung' leidende Land" plagten. Parlamentarier Harald Walser von den Grünen hatte wegen des Artikels Strafanzeige bei der Grazer Staatsanwaltschaft erstattet.

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Wie die ZIB2 und der Standard berichten, wurde das Verfahren gegen Duswald den Herausgeber Martin Pfeiffer von der Grazer Staatsanwaltschaft nun aber eingestellt, weil es nachvollziehbar sei, „dass die Freilassung mehrerer Tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte." Außerdem sei es eben ein Fakt, dass unter den KZ-Insassen auch „Rechtsbrecher" waren. Die Entscheidung, das Verfahren einzustellen, sorgt bei Kritikern aktuell für Empörung—vor allem, weil der diskutierte Artikel abgesehen von seiner Rhetorik laut dem in der ZIB interviewten Experten in weiten Teilen auch jeder historischen Grundlage entbehrt.

Definierte das Faschingswochenende die Grenzen schlechten Geschmacks neu oder feierte es puren Rassismus auf offenen Straßen?

Dürfen die das? Dürfen die Mitglieder des Vereins OCV Steinkirchen beim Faschingsumzug im bayrischen Ilmtal mit einem Nachbau eines Panzers umherfahren, der den Schriftzug „Asylabwehr" an der Seite und vorn die Aufschrift „Asylpaket III" trägt—auch wenn die Polizei zuvor den Umzugswagen nicht aus dem Verkehr gezogen hatte, weil bei Faschingsumzügen die ,Kunstfreiheit' zu respektieren sei?

Der Vorsitzende des OCV Steinkirchen, Tobias Winkelmeier, hat sich nach hagelnder Kritik für den Bayerischen Rundfunk folgende Antwort schnell zurecht gelegt: „Unser Verein ist weder rechtsradikal noch sonst was. Die Polizei hat den Wagen vorher abgenommen und gesagt, da sei nichts rechtsradikal." OK, wenn die Polizei das sagt, Tobi. Und was für eine Motivation steckt dahinter, wenn in Wasung Menschen eine ganze Lokomotive samt Passagierwagen in aufwendigster Kleinarbeit zusammenbauen, das Gefährt „Balkanexpress" nennen, vorn den Spruch aufmalen „Die Ploach kömmt" (Die Plage kommt) und sich selbst zum krönenden Abschluss als Ungeziefer verkleiden? Diese und ähnliche Frage werden sich die Betroffenen in den nächsten Tagen wohl gefallen lassen müssen und der Rest Deutschlands wird sie hoffentlich diskutieren.

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In Heidenau malen Neonazis das ,Miteinander'-Mahnmal in den Farben des 3. Reichs an

„Volksverräterin" wurde Angela Merkel am 26. August von der skandierenden Menge entgegen geschrien, als sie im deutschen Heidenau ein Flüchtlingsheim besuchen kam; seitdem ist das sächsische Städtchen immer wieder wegen rechtsradikaler Vergehen in den Medien, Die Welt nannte Heidenau erst kürzlich „Die Wurzel des neuen deutschen Hasses". Am Wochenende machte der Ort seinem Titel wieder alle Ehre. Dort, am Platz der Freiheit, ragt seit mehreren Monaten das Wort „Miteinander" aus dem Boden, geschrieben mit 1,5 Tonnen Stahl.

Die türkischstämmige Künstlerin Hüseyin Arda hat die 11 Buchstaben zusammengeschweißt, 15 Meter lang und 2,27 Meter hoch. Die Konstruktion ist das Erste, was Besucher zu Gesicht bekommen, wenn sie den Bahnhof verlassen und Heidenau betreten. Es ist ein Gruß an die Welt, ein Symbol der Offenheit, aber auch des Austauschs, denn die Idee hinter dem Projekt ist, den Schriftzug von den Bürgern selbst zu beschriften, bekleben und vollsprayen zu lassen—das ,Miteinander' soll als Leinwand und Projektionsfläche eines Dialogs dienen. Dann könnte es Heidenau verlassen und in einer anderen Stadt aufgestellt werden. Als Ursprungsort schien Heidenau perfekt gewählt.

Der Bürgermeister Jürgen Opitz fühlte, dass „ein tiefer Riss durch unsere Stadt geht", ein Riss zwischen den Menschen, die große Angst haben, die eine „Überfremdung" fürchten, die hassen, und auf der anderen Seite denen, die es nicht tun und die den Flüchtlingen eine Hilfe sein wollen. Nun hat eine der Parteien den Dialog eröffnet: Seit Samstagnacht präsentiert sich das stählerne „Miteinander" allen Gästen Heidenaus in den Farben des Dritten Reiches. Aller Anfang ist schwer.

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Das 4. Sozialdemokratische Volksfahrräderkommando zerschlägt und zündet 28 Luxusautos in Berlin-Kreuzberg an

In Fight Club gibt es eine Szene, in der namenlose Protagonist mit seiner zweiten Persona Tyler Durden nachts eine Straße entlanggeht und einen luxuriösen 7er BMW sowie einen hippen VW Beetle mit Baseballschlägern bearbeitet; eine Art Denkzettel an die Extreme der Konsumgesellschaft. Etwas Ähnliches—allerdings in einem viel größeren und gefährlicheren Ausmaß—hat sich in einem Neubauviertel am Berliner Gleisdreieckpark abgespielt.

Samstagnacht gegen 01:00 Uhr haben sich 20 bis 40 Maskierte in der Flottwellstraße ausgetobt. Auf Fahrrädern erschienen, zündeten sie zwei Baustellenabsperrungen sowie jeweils zwei Autos der Marken BMW und Mercedes an. Bei 24 weiteren PKWs haben sie Scheiben eingeschlagen und Spiegel abgetreten, außerdem mussten auch einige Ladenfester und Verglasungen von Privathäusern dran glauben. Via Internet hat sich zu der Aktion das 4. sozialdemokratische Volksfahrräderkommando „Noske und Ebert" bekannt. Sie haben der eigenen Aussage nach „Luxuskarren entglast und warm verschrottet", weil sie sich „als Sozialdemokrat_innen verpflichtet gefühlt haben, die Stimmung etwas anzuheizen".

Wirklich durchdacht war die ganze Sache aber nicht gerade, denn eine der vermeintlichen Luxuskarren, die sie da warm verschrottet haben, war ein altes Mercedes CLK Cabrio—selbst in einem nicht gänzlich abgefuckten Zustand sind die Dinger für knappe drei Tausender, einen Sechserträger Astra und eine Stange Roth-Händle zu haben. Gut möglich, dass mit der Aktion nun einem Wahlhelfer von Martin Sonneborn die Karre samt einer ganzen Palette Alnatura-Mango-Chutney im Kofferraum in die Luft aufging.

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In der Nacht zum Sonntag passiert dann Ähnliches in Neukölln. Bis zu 100 Vermummte demolierten in der Weserstraße wieder Autos, darunter auch einen Polizeiwagen. Die Randalierer warfen Steine und zerkratzten den Lack. Es werden weder Menschen verletzt noch festgenommen. Der Staatsschutz ermittelt.

Ein Jamaikaner führt der Schweiz vor Augen, wie rassistisch ihr Arbeitsmarkt ist

Foto: Sascha Erni, Flickr, CC BY 2.0

Der dunkelhäutige Jamaikaner Ethan Sebastian ist auf Jobsuche. Der 44-Jährige schrieb bereits hunderte Bewerbungen und erhielt zuerst nur Absagen—bis er sein Bewerbungsfoto mit dem eines weissen Mannes austauschte und seinen Namen auf Ron Emler wechselte.

Seit 2011 lebt Sebastian mit seiner Familie in der Schweiz. Er hat in den USA einen Abschluss in Englischer Literatur gemacht und hatte gute Jobs im Verlagswesen. Die Finanzkrise trieb ihn vor sechs Jahren in die Schweiz. Seitdem ist er auf Stellensuche. Im vergangenen Jahr tauschte der ehemalige Verlagsassistent dann sein Bewerbungsbild und seinen Namen aus—bis auf die Hautfarbe des Bewerbers blieben die Dossiers unverändert. Und siehe da: 17 von 20 Firmen, die ihm zuvor eine Absage erteilt hatten, luden ihn in die nächste Runde ein, berichtete er dem SonntagsBlick). Der Präsident des Afrika-Diaspora-Rats Schweiz, Celeste Ugochukwu, stützt den Befund: „Ganz sicher haben es die Schwarzen schwerer als die Weissen, eine Stelle zu finden."

Kim Jong-un lässt Langstreckenrakete ins Weltall feuern und die Weltgemeinschaft kriegt allmählich Sorgenfalten

Foto: Imago | Xinhua

Vor einem knappen Monat ließ Kim Jong-un einen „spontanen" Massentanz Hunderter Nordkoreaner aufführen, um das frohe Ereignis zu feiern, dass dem Land die erfolgreiche Zündung einer Wasserstoffbombe geglückt sei. Die Weltgemeinschaft nahm die Ereignisse nicht wirklich ernst angesichts der Sprengkraft der Explosion. Aber Sonntag gelang es Nordkorea, eine Langstreckenrakete in den Orbit zu schießen. Im Zuge eines vermeintlichen Raumfahrtprogramms habe man den Satelliten Kwangmyŏngsŏng-4 (Leuchtender Stern) in die Erdumlaufbahn geschickt.

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Die Weltgemeinschaft bezweifelt auch diese Aktion und sieht darin viel mehr den Versuch, unter dem Deckmantel von Raumfahrtmissionen das UN-Verbot für Tests an Interkontinentalrakten zu umgehen—die Technik ist in beiden Fällen identisch, anstatt mit Satelliten ließen sich die Raketen auch mit atomaren Sprengköpfen bestücken. Deutschland, USA, Frankreich, Großbritannien, Japan, Russland, nahezu alle Länder sind in Sorge, selbst Pjöngjangs engster Verbündeter China geht auf Abstand. Noch am gleichen Tag wurde eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in New York einberufen, bei der man sich darauf geeinigt hat, Nordkorea mit schweren Sanktionen zu begegnen.

Jeder vierte Deutsche würde auch auf Flüchtlinge schießen lassen

Foto: Imago | Hommes/Eibner-Pressefoto

Als Frauke Petry vor einer Woche in einem Zeitungsinterview mit dem Mannheimer Morgen Schießbefehle auf Flüchtlinge an deutschen Grenzen legitimierte, sah so mancher den Augenblick gekommen, wo die AfD mit ihrem Rechtspopulismus über das Ziel hinausgeschossen ist. Erst recht, als Beatrix von Storch kurze Zeit später klarstellte, dass unter die besagte Kategorie „Flüchtlinge" auch Frauen und Kinder zu zählen wären. Aus Politik und den Medien war das Raunen groß, der Vizekanzler plädiert seitdem dafür, die AfD vom Verfassungsschutz observieren zu lassen, auch Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt teilt Gabriels Meinung und ergänzt: „Es ist äußerst fraglich, ob eine Partei, die Flüchtlinge an der Grenze erschießen will und Rassentheorien in die Welt posaunt, ein Teil unseres demokratischen Systems sein kann und sein will."

Wenige Tage vor dem Schießbefehl-Eklat stellte das Meinungsforschungsinstitut Emnid die Sonntagsfrage und die AfD wäre mit 12 Prozent die drittstärkste Kraft in Deutschland gewesen. Wer nun dachte, dass die AfD diesen hohen Wert eine Woche später nicht mehr halten würde, der lag falsch. Sie tat es—unverändert 12 Prozent. Eine Erklärung, wie das möglich ist, gibt nun eine weitere Umfrage, die das Meinungsforschungsinstituts YouGov veranlasste. Darin kam man zum Ergebnis, dass 29 Prozent der Befragten (also mehr als jeder Vierte) es für gerechtfertigt halten, unbewaffnete Flüchtlinge mit Waffengewalt am Grenzübertritt zu hindern. 57 Prozent halten dies für nicht gerechtfertigt, keine Angaben machten 14 Prozent. Offenbar ist die AfD nicht nur eine Alternative für Deutschland, sie ist in weiten Teilen Deutschland.