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Nein, die PS4 und WhatsApp sind nicht schuld an Terror

Während das freie Internet und sichere Kommunikationswege nach der NSA-Affäre gefeiert wurden, werden sie nach den Anschlägen von Paris zum Bösen verklärt.

Foto: Surveillance Camera | photopin | (CC BY 2.0)

Die Anschläge von Paris haben gezeigt, dass auch jene Gesetze, die nach Charlie Hebdo in Frankreich erlassen und zu den weitreichendsten Überwachungs-Befugnissen in der EU geführt haben, den gewaltsamen Tod von mindestens 132 Menschen nicht verhindern konnten.

Was ist also schiefgelaufen? Anstatt sich zu fragen, ob eine umfassende Überwachung von 1.800 potentiellen Terroristen personell und technologisch überhaupt zu stemmen sein kann, mussten möglichst greifbare Antworten und in weiterer Folge konkrete Sündenböcke gefunden werden. Und siehe da: Während das freie Internet und sichere Kommunikationswege in den Nachwehen der NSA-Affäre zumindest in Europa als Ausdruck der persönlichen Entfaltung gefeiert wurden, wird das alles in diesen Stunden zum Bösen verklärt.

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In der ARD lief am Montag nach den Anschlägen ein Beitrag, der sich mit „Dark Apps"—dem wohl dümmsten Neologismus seit langem—beschäftigte. Kernaussage des Beitrages und des zugehörigen Artikels: Kommunikationsdienste, die sich nicht überwachen lassen, sind böse und nutzen letztlich nur Terroristen.

Auf Privatsphäre bedachte Dienste wie Threema oder Telegram erscheinen vor dem Hintergrund der Pariser Anschläge für manche Beobachter plötzlich anrüchig und sogar die PlayStation 4 hat sich im Kreuzfeuer der Schuldzuweisungen und Erklärversuche zum Terroristen-Werkzeug entwickelt. So sagte etwa der belgische Innenminister in einem Interview mit POLITICO, dass die PlayStation 4 besonders schwer zu überwachen und demnach eine aus nachrichtendienstlicher Sicht harte Nuss sei.

Die dahinterliegende Argumentation ist gefährlich und das Gegenteil von dem, was in Bezug auf die NSA-Enthüllungen als moralisch korrekt angesehen wurde. Dass die ganze Diskussion rund um die PlayStation 4 auf einer Zeitungsente eines Forbes-Journalisten basiert, ist das i-Tüpfelchen der Absurdität.

Wer sich daran stört, dass es überwachungssichere, digitale Kommunikationswege gibt, macht sich zum Handlanger jener, denen eine technische und juristische Durchsetzung des Überwachungsstaates nicht schnell genug gehen kann.

Frank Garbsch, Sprecher des Chaos Computer Clubs, sagte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung in diesem Zusammenhang: „Wir werden nicht verhindern können, dass Terroristen kommunizieren. Die einzige Chance, terroristische Anschläge zu verhindern, kann die Bekämpfung der Ursachen sein. Eine Überwachung aller möglichen Kanäle wird niemals möglich sein. Wenn es dann keine Spielekonsole mehr ist, dann vielleicht ein USB-Stick, Postkarten oder „Rauchzeichen"."

Dass die Debatte jetzt besonders emotional geführt wird, ist in gewissem Maßen verständlich. Genau so, wie es zur Agenda der Terroristen gehört, einen Keil zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen zu treiben, wäre auch eine Polarisierung der Gesellschaft durch eine Beschneidung von Datenschutz und Privatsphäre eher im Sinne der Extremisten, als dagegen.

Folgt Raphael auf Twitter: @raphschoen