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Serienbunker

BoJack Horseman ist das menschlichste Pferd aller Zeiten

Radikal traurig, erheiternd, absurd: Bojack Horseman ist eine der besten animierten Serien, die es zur Zeit für Erwachsene gibt. Wir haben uns die zweite Staffel angeschaut.

Foto: Netflix

Es gibt Fragen, die sich jeder Mensch einmal stellt, insbesondere an einsamen Abenden oder in schwierigen Lebensphasen: Wo will ich hin? Soll das hier wirklich alles sein? Wo bin ich falsch abgebogen, und wer ist schuld daran? Die Serie BoJack Horseman spielt mit diesen Fragen so gut wie vielleicht gerade keine zweite. Vielleicht auch, weil sie dort von Pferden, Katzen oder Fischen gestellt werden.

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Am vergangenen Freitag stellte Netflix die zweite Staffel online. Und während Tausende von euch das Wochenende damit verbracht haben, euch mit Tausenden anderen ins Schönbrunner Bad zu quetschen, habe ich den Samstag damit verbracht, vor dem Ventilator alle zwölf Folgen zu schauen. Ich habe es keinen Moment bereut. Die Serie ist in ihrer zweiten Staffel nämlich noch genauso radikal traurig, deprimierend, erheiternd und großartig wie in der ersten. Wenn nicht sogar mehr, weil sie viel mehr weiß, wo sie hin will.

Wer die erste Staffel noch nicht gesehen hat, dem sei das Ganze hier kurz erklärt: BoJack Horseman lebt in einem Universum, in dem Menschen und humanoide Tiere koexistieren. Er ist ein alternder Schauspieler, der irgendwo zwischen den 80ern und 90ern mit der Sitcom Horsin' Around—ja, BoJack ist ein Pferd—extrem erfolgreich war und seither in Los Angeles irgendwie durchs Leben pendelt. Richtig: Das ist ein Kernmotiv, das von About A Boy über Californication bis Two And A Half Man überall so oder abgewandelt vorkommt.

Der alternde, finanziell abgesicherte Mann, dessen Leben abgesehen vom Alkohol leer ist und der jede Menge Frauen haben muss, weil er die eine nicht haben kann. Anders als in vielen anderen popkulturellen Werken wird das aber in BoJack Horseman wenigstens nicht romantisiert. BoJack hasst sich selbst, BoJack ist einsam, BoJack geht es beschissen. Und zwar, weil er unterm Strich ein narzisstisches Arschloch ist, das eigentlich (fast) alles verdient, was ihm so passiert.

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Er hadert zwar damit. Aber im Zweifelsfall denkt BoJack vor allen Dingen an BoJack, selbst wenn er es nicht will. Deshalb geht es in der Serie auch immer wieder um ein Frage, die schon in der ersten Staffel im Zentrum stand: Ob Menschen tief im Inneren doch gut sein können, oder ob sie letztlich die Summe ihrer Taten im Hier und Jetzt sind. Eigentlich bin ich eh OK, oder?

Das Fantastische an der Serie: Sie ist wahnsinnig unbefriedigend.

Die Ausgangslage am Anfang der zweiten Staffel ist klar: BoJack ist durch die wenig schmeichelnde Biografie, die ihm Gostwriterin Diane auf den Leib geschrieben hat, wieder in aller Munde. Zudem hat er die Rolle seines Lebens bekommen: Er darf in einem Biopic das Rennpferd Secretarian spielen, den Helden seiner Jugend.

Doch dann nimmt alles seinen gewohnten Lauf: BoJack beginnt eine Beziehung mit einer Eule, die so lange im Koma lag, dass sie Horsin' Around nicht kennt. Die Ehe von Mister Peanutbutter—BoJacks freundlicher, dummer Nemesis—und Diane kriselt. Der Loser-Freund Todd tritt einer Improv-Sekte bei, und BoJacks Ex-Freundin Princess Carolyne versucht immer noch, das Leben mit knapp 40 Jahren mit beiden Händen zu greifen. Niemand von ihnen wird dabei so richtig erfolgreich sein, aber auch niemand so richtig abstürzen.

Das wirklich Fantastische an BoJack Horseman ist eigentlich, dass die Serie so wahnsinnig unbefriedigend ist. Nicht mal die guten Menschen (oder Tiere) dürfen in ihr glücklich sein. Die einzelnen Folgen enden meist sehr abrupt, ohne einen befreienden Twist oder eine erleichternde Pointe und mit düsteren Lektionen: Der Tod ist sinnlos, die Liebe kompliziert, das Leben rast an uns allen vorbei. Charakteren passieren gute Dinge, Charakteren passieren schlechte Dinge, aber bekommen irgendwas—aber niemand das, was er sich erträumt hat. Im Universum von BoJack Horseman schwimmen alle mit unterschiedlichem Erfolg, aber niemand treibt oben.

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BoJack Horseman zieht ihren Humor hauptsächlich aus ihrer Absurdität, und der Tatsache, dass dem Protagonisten diese Absurdität immer wieder bewusst ist. BoJack begegnet dem Wahnsinn der anderen mit radikaler, zynischer Rationalität und spricht den rosa Elefanten im Raum, den alle anderen ignorieren: „You all know that's not right, don't you?"

Dadurch schafft die Serie einen Spagat: Sie ist mal geschrieben wie ein Drama, mal wie eine Sitcom, bringt einen andererseits immer wieder dadurch zum Lachen, dass sie offensiv damit spielt, dass bestimmte Drama-und Sitcom-Elemente eigentlich Bullshit sind und das jeder weiß.

In einem Moment lacht man, im anderen fallen die Mundwinkel herunter. Und zum Ende der Staffel gibt es—soviel darf hier gespoilert werden—vielleicht sogar doch ein bisschen Hoffnung. Machen wir es kurz: BoJack Horseman ist neben Bob's Burger aktuell die wohl beste animierte Serie für Erwachsene, die diese Welt zu bieten hat. Schaut sie euch verdammt noch mal an.

Jonas auf Twitter: @L4ndvogt