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Sind 3D-Horrorfilme die Zukunft des Kinos?

Zwei niederländische Werber haben einen vierminütigen Horrorfilm speziell für die 3D-Brille Oculus Rift gedreht. Und jetzt wissen wir, warum Facebook das Ding gekauft hat.

​Ich war mal in  einem​ „immersiven Theaterstück". Ich wurde auf einen Rollstuhl gefesselt, irgendjemand pustete mir einen feinen Nebel aus Gin ins Gesicht und zündete vor meiner Nase ein Streichholz an. Dazu lief ein Video mit Clowns, die lachten und in irgendeiner unmenschlichen Sprache brabbelten. Wow, dachte ich, wie absolut sinnfrei.

Das lag allerdings daran, dass man mir kein Oculus Rift vor die Augen geschnallt hatte. Zwei holländische Werber—Henrik Leichsenring und Sofia Gillstrom—haben sich aber zur Aufgabe gemacht, das zu ändern. Sie entwickelten 11:57, einen vierminütigen Horrorfilm, exklusiv für das Virtual-Reality-Gerät der Zukunft. Und natürlich ist dabei ein überaus effektiver Streifen entstanden, der dir immer wieder panische Schreie der nackten Angst entlocken wird.

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Der erste Schritt, um einen Oculus Rift-Film zu drehen, besteht darin, mit GoPro-Kameras das Äquivalent eines menschlichen Kopfes nachzubauen. Henrik und Sofia befestigten sechs davon an einer Stange und platzierten diese in der Mitte eines Raums, der unterirdischen Katakomben ähnelte. Schnell merkten sie, dass sie ständig—also wirklich ständig—im Bild zu sehen waren. Womit wir bei einer der Herausforderungen wären, die es zu bewältigen gilt, wenn man alles gleichzeitig filmt.

„Wir konnten natürlich nicht mit normaler Filmbeleuchtung arbeiten", erzählte mir Henrik. Stattdessen verwendeten sie unheimlich-flackernde Leuchtmittel, die praktischerweise auch das Set immer wieder in komplette Dunkelheit tauchten. Das erleichterte das Schneiden und Editieren enorm. „Wir mussten uns hinter einer der Wände verstecken, die du im Film sehen kannst. Sobald sich die Schauspieler in das Sichtfeld der Kamera bewegten, konnten wir nur noch raten, was sie dort machten. Wir mussten dann per Ohr Regie führen. Verglichen mit dem Dreh traditioneller Filme ist das eine der größten Einschränkungen bei der Erschaffung eines 360-Grad-Erlebnisses."

Das hier ist nicht der erste Oculus Rift Film. Die Produktionsfirma Condition One hat vor kurzem  ​Zero Point veröffentlicht, der allerdings eher aus einer Aneinanderreihung von Techdemos und Interviews besteht, in denen Oculus Rift als die Zukunft von— nun ja, von eigentlich allem—gepriesen wird. Aber 11:57 ist der erste Film, der den Zuschauer (also dich) auch zum Protagonisten macht. „Ich finde, dass die Person, die das Oculus Rift trägt, eine richtige Rolle im Film haben sollte", sagte Sofia. „Wie auch immer die dann aussieht."

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Hohes Geigengequietsche, geisterhafte Brünetten in weißen Kitteln, ein Mann im Anzug und hohlen Wangenknochen—was den Inhalt angeht, ist 11:57 nicht gerade bahnbrechend. Es ist aber auch kein Film im herkömmlichen Sinne, es ist ein Promo-Stunt—etwas, das beweisen soll, wozu Oculus fähig ist. Obwohl es sich dabei um ein 2 Milliarden US-Dollar schweres Spielzeug von Facebook handelt, ist Oculus Rift noch immer ein Gerät, das mehrheitlich von DIY-Bastlern und Technik-Enthusiasten verwendet wird—es hat mehr von einem Gegenstand, den ein Zeitreisender auf der Durchreise, um Baby-Hitler eine reinzuhauen, zurückgelassen hat, als von einer zeitgemäßen Erfindung. Es ist mehr Technologie, als wir im Moment verarbeiten können—ein bisschen wie Hunde, die ratlos vor einem Fahrrad stehen.

Seit Facebook im März diesen Jahres Oculus VR gekauft hat, brennt den meisten Menschen die Frage auf den Lippen: „Warum zur Hölle soll diese Nerdbrille 2 Milliarden US-Dollar wert sein?" Auch wenn die Anwendungsmöglichkeiten für Computerspiele auf der Hand liegen, scheint die Übertragung von Titeln wie Farmville, Candy Crush oder was auch immer für Facebook-Spiele, zu denen deine Tante dir immer Einladungen schickt, eher unwahrscheinlich. Vielleicht liegt die Zukunft des Oculus dann doch im Gucken und Erfahren von Filmen oder Internetseiten. Ich fragte Henrik und Sofia, ob sie der Meinung sind, dass Oculus-Filme wie 11:57 die Zukunft der Unterhaltungsbranche sind. Könnten sie sich vorstellen, dass jemals Blockbuster für dieses Gerät entwickelt werden?

„Nein", sagten beide. „Nein." Henrik glaubt allerdings schon, dass es eine Nische für große Produktionsfirmen gibt, die sich dieses Gerät zu Nutze machen könnten. „Ich würde sagen, dass für Oculus eher Zusatzmaterial produziert werden wird, und nicht unbedingt abendfüllende Spielfilme. Es gibt immer noch eine Menge Schwierigkeiten mit der Aufnahmetechnik, die erst noch gemeistert werden müssen. Eine Produktion auf Spielfilmlänge wäre dementsprechend schwierig umzusetzen." Und sie haben schon eine Menge Ideen: „Wir könnten auf einem Wolkenkratzer ganze Welten entstehen lassen. Wir könnten einen Stop-Motion-Film produzieren. Man kann den Zuschauer damit in richtig komische und verrückte Situationen bringen—das ist eine der Stärken des Geräts." Das klingt allerdings irgendwie auch wie ein Code für „Höchstwahrscheinlich produziert irgendjemand in diesem Moment  einen abgefahrenen Porno damit."

Aber trotzdem bietet  11:57 einen Blick in die Zukunft. In Zeiten, in denen 3-D Filme eigentlich keinen mehr hinter dem Ofen vorlocken, und in denen das Konzept 4-D Menschen vorbehalten ist, die in der Bavaria Filmstadt eine Vorführung von Lissi und der wilde Kaiser über sich ergehen lassen, könnten Oculus-freundliche Produktionen ein guter Weg für die Filmindustrie sein, um Filme—egal welcher Länge—in einer neuen und interessanten Art zu präsentieren—und um dann an der Kasse noch mal 15 Euro für dieses Extravergnügen draufzuschlagen. Yay, Zukunft!