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Popkultur

Warum wir bei Animationsfilmen immer heulen müssen

Animation ist fabelhaft und macht trauriger als die meisten anderen Filme. Unsere Schwäche für gezeichnete oder von Computern animierte Geschichten hat ein paar einfache Gründe.
Zeichnung vom Autor

Es ist immer wieder schön, wenn ein ganz besonderer Ausnahmefall die Hornhaut aus filmwissenschaftlichem Zynismus und kalter Kinokritik durchdringt—gerade weil manche von uns tatsächlich glauben, ohnehin schon alles gesehen zu haben.

Und jetzt, nachdem wir uns mal ordentlich geschnäuzt haben, bleibt die Frage, warum ich eigentlich emotional so verdammt angreifbar bin, wenn Trickfilm, Pixar, Dreamworks und CG regieren. Hier also die augenscheinlichsten Gründe, warum es oft unmöglich ist, bei Animation das Augenlulu zurückzuhalten—selbst wenn man mit Watschen und Whiskey großgezogen worden sein sollte.

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Wir lieben es uns so wie damals das Herz brechen zu lassen

Was für andere Schindlers Liste, Dirty Dancing oder Lovestory ist, sind bei mir die klassischen Emobomben von Disney. Dumbo oder König der Löwen katapultieren einen heute noch ohne Umschweife zurück ins einstellige Kinderalter. Auf die widerhallende Nostalgie dieser frühen Trauertraumata ist Verlass wie auf die Gezeiten. Die ersten zehn Minuten von Finding Nemo oder Up sind echt hart zu verkraften und haben die Aufgabe übernommen, die entsprechenden emotionalen Narben in der heutigen Kindergeneration zu hinterlassen.

Es sind die Filme, die man einlegt, wenn man sich trotz Sponsion wieder einmal so richtig scheiße fühlen will, mit der emotionalen Intensität eines Volksschülers, und ohne die verklärenden Effekte von erwachsener Vernunft oder intellektueller Logik und fernab von Erwachsenenproblemen wie der letzten Lohnsteuererhöhung. Ich habe zwar erst vor kurzem Bambi gesehen, konnte aber sofort das Herzbruchpotential des Muttermordes identifizieren. Disney war schon auch irgendwie ein Sadist. Und außerdem musste ich erst 30 werden um zu erfahren, dass Bambi ein Typ ist.

Unsere Genetik lässt uns gar keine andere Wahl

Ein rein genetisch-evolutionärer Grund für die gefühlstechnische Instabilität bei Trickfilmgeschichten ist natürlich das Kindchenschema, das von den Animationsleuten beim Design der Hauptfiguren bis aufs Letzte ausgereizt wird. Konrad Lorenz hat den Begriff geprägt, da Tiere wie Menschen auf zu groß proportionierte Köpfe, Pausbacken, eine hohe Stirn und gigantische Augen mit Beschützerinstinkt und totaler Empathie reagieren.

Dieser Trick ist so simpel wie offensichtlich und deshalb auch schon komplett übertrieben und selbstreferenziell eingesetzt worden, wie Spongebob, der gestiefelte Kater aus Shrek oder Ren & Stimpy beweisen. Wir können uns einfach nicht helfen und lieben automatisch diese großen Pupillen und katzenartige Schädelformen—was sich James Cameron mit seinen Navi in Avatar auch schamlos zunutze gemacht hat.

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Wir unterschätzen sie einfach immer und immer wieder, diese „Kinderfilme"

Manchmal hat man einen schweren Kater und während man auf der Couch verwest, will man sich nicht mit Dramafilmen oder Torture Porn quälen. Die Wahl fällt somit immer schnell auf Pixar beziehungsweise irgendwas mit Trickfilmtieren, wobei der emotionale Schutzschild natürlich komplett heruntergefahren wird. Es wird gesungen und man kuschelt sich gemütlich in die bunte Harmlosigkeit. Aber wenn sich dann auf einmal die knubbeligen Protagonisten zerstreiten oder unvermittelt Elternteile sterben, dann tut das gleich tausendfach weh.

Plötzlich krächzt man verheult den Refrain von Let it Go aus Frozen mit, weil man das Bewerbungsgespräch letzte Woche verpatzt hat oder der tote Mufasa verwandelt sich vor dem geistigen Auge in deinen geliebten Hund aus der Kindheit, der damals überfahren wurde. Also gerade wenn man nach einer durchfeierten Nacht an der Grenze zur Depression schlingert, sollte man sich die schnelle Entscheidung für die vermeintlich leichte Unterhaltung—wie beispielsweise Toy Story 3—vielleicht ein zweites Mal überlegen. Das Ende in der Müllverbrennungsanlage ist mehr als schwer zu verdauen, auch ohne Alkohol- oder Drogeneinfluss.

Aber vielleicht bin ich auch einfach nur ein übersensibler Weichling, dem der dichte Bartwuchs und die riesigen Eier aus Granit fehlen. Dschungelbuch, Surf's Up oder Brave sind mein Freibrief für 90 Minuten Unmännlichkeit, der mir aber unbedarfte Gefühlswelten und Spaß am Traurigsein näher gebracht hat.

Hey, aber ihr seid doch auch nicht besser. Ich kann nur versichern, dass man bei How to Train Your Dragon 2 oder Bing Bongs Endszene in Inside Out mindestens ein Tränchen zerdrücken muss. Und das ist auch gut so. Erhalten wir uns noch ein Stück Menschlichkeit und lassen uns weiter von großäugigen Freaks fertig machen.

Josef auf Twitter: @theZeffo


Alle Bilder offizielle Stills von Dumbo, Shrek 2 und Toy Story 3