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Vice Recommends

Geschichten vom AMS zum Tag der Arbeit

Eigentlich wollten wir was zu Plachutta machen, aber dann dachten wir uns, Arbeiter-Solidarität zeigt man am besten mit 4 furchtbaren Geschichten von Menschen, die auf Jobsuche und beim AMS gemeldet sind.

Foto via Facebook

Wir haben natürlich auch kurz überlegt, unser Recommends über Mario Plachutta, das aktuelle Zuckergate und seine merkwürdige Besorgnis über die Herkunft des entlassenen Kellners zu schreiben. Wir hätten es wahrscheinlich „Gib dem Plachutta Zucker“, „Plachuttas Zuckerkreuzzug“ oder einfach „Wilde Erdbeeren“ genannt und die eine oder andere (Tafel)Spitze gegen den Gasthaus-Zampano ausgeteilt, das irgendwie mit peinlicher Gegen-PR und noch peinlicheren Sympathieträgern zu tun gehabt hätte. Aber dann ist zum Glück das Internet dazwischengekommen und Peter Westenthaler beziehungsweise Robert Misik haben die Arbeit schon für uns erledigt. Danke dafür!

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Zum Glück gibt es diese Woche sowieso noch einen anderen Anlass, der sich dem gemeinen Pöbel anstatt dem noch viel gemeineren Plachutta widmet und passenderweise das Arbeitertum in all seiner arbeitsscheuen Glorie feiert: Der 1. Mai, oder Tag der Arbeit, an dem die meisten von uns ihren Rausch auf der Praterwiese oder bei Straßenfesten in den inneren Bezirken aufwärmen. Damit wir aber nicht komplett auf den eigentlichen Grund dieses Feiertages vergessen und uns kollektiv daran erinnern, wie schwer es eigentlich ist, an einen Punkt zu kommen, wo man ein geregeltes Einkommen hat und lange schlafen, spät aufstehen und einfach nur Nichtstun nicht die Norm darstellen, haben wir hier ein paar schmerzliche Geschichten rund um das Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) zusammengetragen. Wenn ihr diesen Artikel in der Arbeit lest, seid froh. Und wenn ihr derzeit noch jeden Sonnentag fürs Bräunen nutzen könnt, genießt es—vor euch liegen nämlich dunkle Zeiten.

Fotocollage von VICE Media

Lena:

„Also eine andere Arbeitslose hat mir beim gemeinsamen Warten mal erzählt, dass sie aus Angst vor ihrer Betreuerin schon 10 Kilo abgenommen hat und nur noch Joghurt essen kann. Ihre Tasche war echt voll mit Naturjoghurt-Bechern. Auch ziemlich gut fand ich die Leute, die im Sommer einfach mit nacktem Oberkörper kommen. Ich nehme an, die gehen nachher gleich baden oder machen’s halt extra. So wie die armen Würschtel, die umgekehrt glauben, sie müssen im Anzug kommen und ihre Schaszettel im Aktenkoffer transportieren. Als ich mal einen Termin um 8:00 Uhr früh hatte, ist einer völlig besoffen vor der Eingangstüre gelegen.

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Mich selbst hat das AMS aufgrund einer chronischen Krankheit jedenfalls in einen Kurs gesteckt, in dem wir einen Turm aus Papier basteln und mit Hilfe einer Zange geometrische Figuren aus Draht formen mussten. Es war ziemlich lächerlich. Ich bin trotzdem an der Drahtfigur gescheitert. Dann gab es auch noch Diktate auf Volksschulniveau inklusive einem Sitznachbarn, der mich gefragt hat: ‚Vogel mit F oder V?’ Außerdem haben wir Addieren und Subtrahieren geübt. Betreut wurden wir von einer 25-jährigen Psychologieabsolventin, die mir dann was übers Leben erzählen wollte. Im selben Kurs haben wir gelernt, wie man aus einer Bibliothek Bücher ausborgt und mein Sonderschul-Abbrecher von Sitznachbar ist im Lauf des Tages immer eingeschlafen. Selten habe ich meine Zeit so sinnvoll genutzt!“

Foto von Jamie Taete, via VICE Media

Christian:

„Das beste an einem einmonatigen Südostasientrip ist natürlich, wenn man nach Strand, Meer und 36° im Schatten dann nach 12 Stunden Flug in Wien Schwechat mit prickelnden –18° und Schneestürmen begrüßt wird und sich vor den trauten familiären Weihnachtsfeiern noch auf die eine Sache freuen kann,  die man mit einer Reise um die halbe Weltkugel eigentlich verdrängen wollte: den Besuch beim AMS. Wenn man dann noch dazu durch Tiefschneegelage zum Termin stapft, weil man sich kein U-Bahn-Ticket leisten kann, stellt sich sofort ein gewisses Gefühl von Asozialität ein. Das ist auch eine gewisse Form von Solidarität. Nach der Beantwortung diversester Fragen, die man sein Leben lange versucht hat zu vermeiden, heißt es dann ‚Jobbeschreibung’—und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie ich die Fragen der AMS-Betreuer beantworten soll oder was für einen Job ich überhaupt suche.

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Gleichzeitig ist mir aber auch immer mehr vorgekommen, dass das zunächst gar keiner von mir erwartet. Wie jeder Magister der Philosophie in den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit rede ich mir melancholisch ein, dass ich schon irgendwas finden werde. Wer weiß schon gleich nach dem Studium, was er mal machen will? Jeder weitere Termin alle paar Wochen ist nur ein weiterer erniedrigender Schlag ins Gesicht. Jobvorschläge für Pharmafirmen und andere skurrile den Schlagworten nach „passende“ Jobs kann ich geschickt abwenden. Oft reichen die offensichtlichen Argumente, wie: keine fließenden Russischkenntnisse. Irgendwann heißt es dann aber doch, du musst den Kurs ‚Perspektiven für Akademiker unter 30’ (oder ähnliche Randgruppierungsghettoisierungsversuche) besuchen. Nach Vorstellung des Programms lehne ich dankend ab, mit den freiheitskämpfenden Worten: ‚Ich habe Kommunikationswissenschaften studiert, ich kann diesen Kurs leiten!’ Da ich aufgrund einer blöden Formalität ohnehin keine Bezüge erhalten habe, war’s das dann mit mir und AMS und ich habe mich von dem Horror abgemeldet. Job hatte ich trotzdem noch für einige Monate nicht. Aber aus der Arbeitslosenstatistik war ich zumindest draußen.“

Foto von Maggie Lee, via VICE Media

Marion:

„Der Spaß ging schon beim Anmelden los. Nachdem der stressbefreite Mann am Schalter gefragt hat, was für eine Ausbildung ich habe und in welcher Funktion ich denn einen Job suche—und ich meinte, ich hab einen Mag. phil. und suche was als Redakteurin—, hat er einfach Studium an der katholischen Hochschule und Berufswunsch Sekretär eingetragen. Das habe ich natürlich nur zufällig ein paar Wochen später erfahren, weil einer der Betreuer so nett war und mir auf seinem Bildschirm Einblick in mein AMS-Profil gegeben hat.

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Der Zwangskurs, in den sie einen dann stecken, wurde von zwei zirka gleich esoterisch angehauchten Mentorinnen geleitet, die uns Videos über Lichtnahrung gezeigt und mit uns NLP-Übungen zur geistigen Deprogrammierung gemacht haben. Die meisten Teilnehmer wirkten gar nicht, als ob sie solche Maßnahmen nötig hätten. Ein alter Hippie erzählte stolz, dass er seit 10 Jahren jeweils 6 Monate Geld in Österreich kassiert und 6 Monate nach Indien auswandert. Ein anderer meinte, er hätte als Hauptschullehrer gearbeitet und seine große Leidenschaft wäre Geschichte—leider hat man ihn wegen seinem Lallen nur schwer verstanden und vermutlich hat die Fahne und das ständige Einschlafen beim Unterrichten gestört. Der beste war ein Typ, der wie der Anführer aus New Kids ausgeschaut hat und das Gratis-Internet im Kursraum immer dafür genutzt hat, um uns Wohnungen und Autos zu zeigen, die er sich mit seinem Lottogewinn bald kaufen würde.“

Foto aus dem Apple Werbespot, via VICE Media

Josef:

„Da ich noch nie beim AMS gemeldet war, kann ich nicht viel zu Arbeitslosigkeit sagen, außer dass ich damit eher kaputte Menschen verbinde und Kumpels, die gezielt das Arbeitslosengeld in ihre Jahresfinanzen einplanen. Erstere habe ich direkt in meiner Zivildienstzeit miterleben dürfen. Ich hatte die Aufgabe für ein Jahr in einem Laster voller Langzeitarbeitslosen, die für allgemeine Beschäftigungs-Statistiken als angestellt gelten sollen, Sperr- und Problemmüll zu sammeln.

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Hauptsächlich haben wir aber im Fahrerhaus gekifft und blöd über Sozialarbeiter gewitzelt. Dahingehend ist mir noch besonders ein Brüderpaar in Erinnerung, die immer stritten, wer das bessere Hasch habe. Ein kleiner Nazi-Boy, der mir stolz erzählte, dass er die zweite Chance wieder ins BORG zu gehen verschissen hatte, wurde dann auch einmal von einem Ende 50er ohne Oberlippe halb erwürgt. Halb nachvollziehbar. Dazwischen haben wir dann auch Müll vom AMS eingesammelt. Irgendwie ironisch, wenn man sich das so überlegt. Arbeitslose sind und machen einfach unglücklich.“

Mehr vergangene, gegenwärtige und zukünftige Arbeitslose trefft ihr an diesem schönen Feiertagswochenende bei folgenden Feiereien:

MITTWOCH

Zur Feier des feiertags feiert heute Abend Rokko's Adventures seine neueste Ausgabe und wird sich dafür nicht nur selbst, in der Form von Rokko Anal & The Coathangers, sondern auch von DŸSE ein Ständchen trällern lassen. Also ab ins rhiz, gemma Release Party. Außerdem bringen euch heute 14Blutcamp47 und Statos eine Skatevideopremiere mit anschließender Eskalation im Loop.

DONNERSTAG

Psychedelisches aus Bordeaux und fetthaltige Musi von Fettkakao erwarten euch heute Abend im Bach bei ETERNAL LASER VIII. Das sollte verkraftbar sein, wenn ihr schon um 13:00 Uhr im Prater mi dem Rauschaufwärmen begonnen habt.

FREITAG

Heute ist Blank [2] in der Grellen Forelle, das unser weltbestes Noisey mitpräsentiert und zu dem wir euch deshalb sehr herzlich und mit Nachdruck einladen wollen. Gefälligst.

SAMSTAG

Hallohallo, Vihanna #Five ist in der Camera, also wenn ihr noch lesen könnt, solltet ihr diese Zeilen als Aufruf verstehen und gemeinsam mit uns vorbeischauen.