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Wir haben uns beim Justin Bieber-Konzert in Köln mit Beliebern unterhalten

„Das ist ja schon irgendwie krank, drei Tage vor einem Konzert hier zu übernachten.”

​Alle Fotos: Felix Huesmann​

Am Sonntag-Nachmittag sieht das Gelände rund um die Kölner Lanxess-Arena so aus, als wäre hier schon seit Tagen ein Festival im Gange. Überfüllte Mülleimer, Essensreste, weggeworfene Isomatten, Sitzkissen, Schlafsäcke und Wärmedecken liegen in jeder Ecke. Dabei sind es noch ein paar Stunden bis zum Auftritt des größten Popstars unserer Zeit. Einige seiner Fans sind trotzdem schon seit Tagen hier. Die ersten sind Donnerstag Nacht angekommen, um ganz am Anfang der Warteschlange zu campen. Trotz endlich hereingebrochenem nasskaltem Herbstwetter.

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Diese Kids, vor allem Mädchen und junge Frauen, müssen also diese Belieber sein. Die sind mittlerweile so etwas wie eine internationale Jugendbewegung. Miteinander nicht durch gemeinsame Interessen verbunden, sondern durch ihr gottgleiches Idol. Inmitten von tausenden Wartenden will ich mehr über diese Fans des mittlerweile erfolgreichsten Solo-Musikers der Welt erfahren. Ganz vorne in der Warteschlange sitzen mehrere Dutzend junger Frauen und Mädchen. Sie werden die ersten sein, die kurze Zeit später in die Arena stürmen. Sie werden in den ersten Reihen stehen und ihrem Justin am nächsten sein.

Einige von ihnen wollen nicht mit Journalisten sprechen. Vorhin seien schon Leute von der "Bild" dagewesen, erzählt eine junge Frau. „Denen haben wir aber nur gesagt, dass wir mit ihnen nicht reden wollen", erklärt sie. Die Zeitung habe schon viel zu viel "Scheiße über Justin" geschrieben. Erst als ich versichere, weder für die "Bild" zu arbeiten, noch in der Vergangenheit jemals „Scheiße über Justin" geschrieben zu haben, erklären sich ein paar der Fans bereit, mit mir zu sprechen. Anonym und ohne Fotos. Ich fühle mich fast wie auf einer Antifa-Demo.

Die Belieber

Eines der Mädchen sitzt auf einem Camping-Stuhl und lässt sich gerade von ihrer Freundin die Haare flechten. Die 16-Jährige ist bereits seit Freitag immer wieder hier. „Ich hätte auch hier geschlafen, aber das haben meine Eltern nicht erlaubt", erzählt sie. Trotzdem hat sie jede freie Minute mit ihren Freundinnen in der Warteschlange verbracht. Die Mädchen sind echte Belieber. Was sie an Justin Bieber gut findet? „Einfach alles!", erklärt die 16-Jährige. „Das Gesamte an ihm. Sein Charakter, sein Aussehen." Und natürlich die Musik. Genauso, wie sie jedes Album ihres Idols hören und lieben, verfolgen sie jeden seiner öffentlichen Schritte. Durch Instagram- und Twitter-Accounts holen sie sich die neuesten Updates aus Justin Biebers Privatleben, in einer geschlossenen Facebook-Gruppe diskutieren sie seinen Beziehungsstatus. „Die hat 7.000 Mitglieder und man muss wen kennen, um eingeladen zu werden", erzählen die Mädchen. „Manchmal gibt es dort auch Stress", sagt die eine. Etwa wenn es darum ginge, was denn von Justins aktueller Freundin zu halten sei. Manche von ihnen haben Lampen und Bettwäsche mit dem Konterfei ihres Stars. Eine hat sogar eine Zahnbürste, die beim Putzen seine Musik spielt.

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Dass nicht jeder diese Begeisterung nachvollziehen kann, verstehen sie aber. „Das ist ja schon irgendwie krank, drei Tage vor einem Konzert hier zu übernachten", sagt die 16-Jährige. „Aber das versteht man glaube ich auch nur, wenn man selber Belieber ist."

Etwa hundert Meter weiter hinten in der Schlange sind die Chancen schlechter, es später bis in die erste Reihe zu schaffen. Dafür ist die Wartezeit hier aber auch um einiges kürzer. Julia und Jasmin sitzen hier „erst" seit morgens um fünf. Beiden tragen ein Shirt mit Justin Biebers Konterfei. Für sie ist der Sänger ein fester Bestandteil ihrer Kindheit und Jugend. Sie sind mit ihm und seiner Musik aufgewachsen. „Ich finde seine Veränderung bewundernswert", sagt Julia. Sie ist schon seit mehr als sechs Jahren Fan des heute 22-jährigen Kanadiers. Damals war der noch ein kleiner Bubi. Dann kamen Stimmbruch, Tattoos, Skandale. Justin Bieber ist erwachsen geworden, und mit ihm auch ein Teil seiner Fans.

Die Erwachsenen

Noch weiter hinten in der Warteschlange sitzen Marcel und Janine auf dem Boden. Sie sind 28 und 30 Jahre alt, sehen beide eher alternativ aus. Als ich frage, ob sie Justin Bieber-Fans sind, muss Marcel sogar kurz überlegen. „Seit dem letzten Album schon", sagt er schließlich. „Davor wäre das peinlich gewesen, aber mittlerweile können das auch Erwachsene hören." Für die „richtigen Belieber", die seit drei Nächten vor der Arena campen, oder im Internet mehr als 300 € für Karten ausgeben, haben die beiden wenig Verständnis. Sie sitzen hier erst seit Mittags, für ihre Tickets haben sie jeweils 110 € gezahlt. „Mehr hätte ich auch nicht ausgegeben, sonst hätte ich von dem Geld ja auch in Urlaub fliegen können", sagt Janine. Für ein Konzert in der nächsten Zeit haben sie aber doch noch mehr bezahlt als für den Bieber: Für Metallica.

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Die Eltern

Auch wenn der Altersdurchschnitt der Bieber-Fans in den vergangenen Jahren gestiegen ist, kommen immer noch vor allem junge Frauen und Mädchen auf seine Konzerte. Den Anteil an unter 16-Jährigen erkennt man schnell: An der Anzahl der teilweise missmutig aussehenden erwachsenen Begleiter. Vor allem vor den Eingängen zu den Sitzplatz-Rängen stehen hunderte Männer und Frauen, die ganz offensichtlich keine großen Belieber sind. Mit ihnen dort sind meist junge Mädchen. Für sie verspricht der Tag ein großes Erlebnis zu werden.

Ein Vater, der seinen Töchtern den Traum vom Bieber-Konzert ermöglicht, ist Dirk. Kurz vor Einlass-Beginn läuft er mit Rucksäcken, Tragetaschen und einer Isomatte beladen vom Arena-Gelände. Seine 16-jährige Tochter hat die letzte Nacht in der Schlange gecampt. „Die haben sich wohl Gitter geholt und da 'ne Plane drüber gespannt", erzählt er. Die Begeisterung seiner Kinder für Justin Bieber, kann er nicht ganz nachvollziehen. „Meine Idole waren Tennisspieler, aber so eine Begeisterung hatte ich nie", sagt er. Trotzdem unterstützt er seine Kinder gerne. „In deren Leben gibt es zum Glück noch genug anderes. Gäbe es da nur Justin Bieber, wäre das natürlich was anderes." Dann muss er auch schon weiter, das Gepäck zum Auto bringen. Und dann zurück, um seine zweite, 13-jährige Tochter auf das Konzert zu begleiten.

Das Konzert

Einige Zeit später sind alle 16.000 Fans in der Lanxess-Arena, das Vorprogramm ist rum, und der Heiland selbst betritt die Bühne. In Sekundenbruchteilen geht das ohrenbetäubende und geradezu ekstatische Gekreische tausender junger Frauen und Mädchen los. Justin Bieber ist das mittlerweile gewohnt und lässt sich davon gar nicht beeindrucken.

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Bieber startet ganz professionell seine Show: Mit Licht, Lasern, Feuer, Tänzern, und am Anfang sogar in einem schwebenden Glaswürfel stehend. Bei so vielen Showelementen fällt seinen Fans dann auch gar nicht auf, was für ein schamloses Playback weite Teile seiner Show sind. Teilweise macht er sich nicht einmal die Mühe, das Mikrofon in Richtung Mund zu bewegen. Das hat er nicht mehr nötig. Seine Anwesenheit reicht völlig aus.​