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HAMILTON'S PHARMACOPEIA

Getting High on Krystle

Eine Tour durch Gordon Todd Skinners unterirdischen LSD-Palast.

Krystle im Silotunnel, in dem sie zahllose Stunden auf diversen Psychedelika-Trips verbracht hat.

Es ist keine leichte Aufgabe, die Ereignisse im Raketensilo in Wamego, Kansas, zwischen dem 1. Oktober und dem 4. November 2000 zusammenzufassen. Die verfügbaren Informationen sind ein undurchsichtiges Konglomerat aus Wahrheiten, Halbwahrheiten, Dreiviertelwahrheiten und glatten Lügen, deren Überprüfung zu keinem befriedigenden Ergebnis führt. Die Akteure sind zahlreich und variieren je nach Erzählung. Die verwendeten Chemikalien sind meist wenig bekannt und wurden nie getestet. Fest steht jedoch, dass sich Leonard Pickard, ein Virtuose der organischen Chemie, im Jahr 1997 mit Gordon Todd Skinner, dem vermögenden Erben einer Federnfabrik zusammentat, um das später einmal produktivste LSD-Labor der Welt zu gründen. Dieses Labor produzierte einigen Quellen zufolge 90 Prozent des im Umlauf befindlichen LSDs und darüber hinaus unbekannte Mengen MDMA, ALD-42, Mutterkornwein und möglicherweise sogar LSZ … doch dazu später mehr.

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Leonard Pickard ist eine Ausnahme unter den illegal operierenden Chemikern, da er als einer von wenigen große Erfolge in der akademischen Welt feiern konnte. Während er in Harvard, Purdue und an der UCLA studierte, produzierte er unter der Leitung der kalifornischen Drogenjünger Brotherhood of Eternal Love in Geheimlaboren kiloweise MDA und LSD. Er war ein charismatischer Gentleman mit einer hervorragenden Körperhaltung. Auf einem bezeichnenden Foto sieht man Leonard auf einer wissenschaftlichen Konferenz in Sussex sanft an einer langstieligen Rose schnuppern. So einer war er.

Gordon Todd Skinner (Freunde nannten ihn Todd) ist ein autodidaktischer Chemiker von zweifelhaftem Können—es lässt sich darüber streiten, ob er überhaupt Chemiker ist. Angeblich hat er mit 19 das erste Mal Meskalin aus L. Williamsii extrahiert. Im Alter von 25 wurde er mit der Aussicht auf lebenslänglich in ein Gefängnis in New Jersey gesteckt, da er 19 Kilogramm Marihuana geschmuggelt hatte. Um einer Anklage zu entgehen, begann er eine lange und erfolgreiche Laufbahn als Regierungsspitzel. 1996 kaufte er ein stillgelegtes Silo für Atlas E Atomraketen in Wamego, Kansas, und verwandelte es in einen unterirdischen psychedelischen Palast.

Drei Jahre später kaufte er ein zweites Silo, um ein LSD-Superlabor aufzuziehen. Das Labor war allerdings nur kurze Zeit in Betrieb, und ab Oktober 2000 konnten sich Mitarbeiter der Drogenbehörde DEA von Todd durch die Räumlichkeiten führen lassen. Dennoch tut man Todd unrecht, wenn man ihn einfach als Spitzel abtut, denn er schien gleichzeitig von dem tiefen und ehrlichen Bedürfnis getrieben zu sein, psychedelische Drogen zum Wohl der Menschheit unters Volk zu bringen, was seine Aktivitäten nur noch komplexer erscheinen lässt.

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Schließlich ist da noch Krystle Cole, eine ehemalige Gothstripperin aus Burlington, Kansas, die sich in Todd verliebte und Zugang zu dem inneren Kreis von Chemikern und Dealern um Todd bekam. Nachdem Krystle Todd im Februar 2000 kennengelernt hatte, verbrachten sie sechs halluzinogenselige Monate im Silo, bevor es anfing, bergab zugehen und Chaos ausbrach. Im August 2000 bekam Todd Panik, dass die Regierung das LSD-Labor überwachen könnte, und beschloss sich einer möglichen Anklage zu entziehen, indem er Leonard an die Polizei auslieferte. Er fing an, heimlich Gespräche aufzuzeichnen und Beweise zu sammeln. Dies führte zu Leonards Verhaftung und einer landesweiten (und möglicherweise weltweiten) LSD-Flaute, die über die ersten Jahre des neuen Jahrtausends hinweg anhielt.

Im Oktober 2000 nahm Todd offiziell Kontakt zur DEA auf und verkündete: „Ich bin Teil des wahrscheinlich weltgrößten LSD-Komplotts … und würde gerne verhandeln.“ Todd wurde für seine Beteiligung am Labor vollständige Immunität zugesichert und er ging als freier Mann aus der Sache heraus, während Leonard zu zwei Mal lebenslänglich ohne Bewährung verurteilt wurde. Nach der Gerichtsverhandlung reisten Todd und Krystle durch Amerika und verkauften kiloweise kristallines MDMA, um sich über Wasser zu halten. Mit der Zeit wurde Todd zunehmend gewalttätig und paranoid. Im September 2003 wurde er schließlich verhaftet, woraufhin ein langwieriger Rechtsstreit begann, der mit einer lebenslangen Haftstrafe wegen Körperverletzung mit einer gefährlichen Waffe (einer Injektionsnadel) sowie Entführung endete.

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Die Jahre nach den Festnahmen verbrachte Krystle damit, ihre Erfahrungen in einer Reihe von Büchern niederzuschreiben und YouTube-Videos zu drehen, von denen das meistgesehene ein tief schürfendes Gespräch über eine Technik der intrarektalen DMT-Einnahme ist, die als „die schamanische Darmspülung“ bezeichnet wird. Es soll etwas brennen. Krystle ist eine der wenigen Mitwirkenden an dem LSD-Unternehmen, die sich gegenwärtig auf freiem Fuß befinden, weshalb ich nach Kansas flog, um mich mit ihr zu treffen, ihr ein paar Fragen zu stellen und das legendäre Raketensilo zu besuchen. Krystle ist trotz allem, was sie durchgemacht hat, ein vor entheogener Lebensfreude übersprudelndes Energiebündel. Als ich sie auf dem Weg nach Wamego abholte, trug sie ein gebatiktes T-Shirt mit dem Aufdruck „☮“.

Das Silo zeugte einstmals von Todds hemmungsloser Verschwendungssucht. Der Hauptraketenschacht war mit edlen persischen Teppichen und luxuriösen Ledersofas ausstaffiert. Er besaß eine 120.000 Dollar teure Stereoanlage, auf der er sich Deep Forest und Sarah McLachlan in voller Lautstärke anhörte. Das Badezimmer enthielt eine Dusche mit drei Duschköpfen und eine Badewanne, in der allein locker ein halbes Dutzend Leute untergekommen wäre. Krystle versichert mir, dass sie viel Spaß gehabt hätten. Nachdem alles aufgeflogen war, wurde das Silo geräumt und alle Wertsachen verschachert. Der verlassene Ort wurde der Verwahrlosung preisgegeben und lief mit Wasser voll, und irgendwann brachen Todds Handlanger ein, um die geheimen MDMA-, LSD- und DMT-Vorräte zu klauen, die hinter den rosa Marmorwänden mit der Krampfaderoptik versteckt waren. Inzwischen ist nur noch ein Bruchteil des ursprünglichen Silos intakt, und das Gelände gehört einem Militärfahrzeug-Fanatiker, der in dem Raketenschacht eine Sammlung sowjetischer T-34 Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg lagert. Nach der Besichtigung des Silos plauderte ich noch ein bisschen mit Krystle.

Krystle und Hamilton lassen es sich mit einer Platte gedünstetem Gemüse bei Houlihan’s gut gehen.

Vice: Wie haben du und Gordon Todd Skinner euch kennengelernt und ineinander verliebt?
Krystle Cole: Ich strippte in einem Laden namens Club Orleans. Todd besuchte keine Stripclubs, aber seine Angestellten taten das durchaus, und einer von ihnen sah meine Nummer und erzählte Todd: „Da unten ist so ein Mädchen, das musst du dir ansehen.“ Ich hatte eine interessante Nummer—Bondage. Ich fiel in dieser Kansas-Meute ziemlich auf. Ich war ein echter Goth, weil ich Kansas hasste. Ich spielte Death Metal und hatte so eine Kette, die ich um die Stange wickelte und mit der ich mich auspeitschte. Ich wollte mich gegen alles auflehnen, für das Kansas stand. Als Todd reinkam, verhielt er sich von Anfang an anders als die anderen Kunden, weil er keine Lapdances oder so was wollte. Er saß einfach in der VIP Lounge und steckte mir haufenweise Geld zu. Irgendwann fragte er mich, ob ich sein Zuhause sehen wollte. In Stripclubs predigen sie immer: „Begleite niemals einen Kunden nach Hause; du wirst in Stücke gehackt und vergewaltigt.“ Ich war zwar nervös, aber ich sagte: „OK, ich komme mit.“ Nachdem wir stundenlang gefahren waren, kamen wir an diesem riesigen Metalltor mit Stacheldraht obendrauf an. Er hatte mindestens zehn Überwachungskameras und Scheinwerfer mit Bewegungsmeldern draußen angebracht. Es waren keine weiteren Gebäude zu sehen und durch die Tür zum Raketensilo hätte locker ein Sattelzug gepasst. Als er mich nach drinnen führte, drehte ich durch. Warum hatte sich Todd dafür entschieden, in einem stillgelegten Atomraketensilo zu wohnen, statt in, sagen wir, einem Haus?
Als ich Leonard und Todd kennenlernte, hieß es, dass sie exzentrische Investmentbanker seien, und Todd erzählte, dass er Essen und Maschinengewehre gehortet hatte, um sich auf den Millennium-Bug vorzubereiten—wir lernten uns direkt nach dem Jahrtausendwechsel kennen. Todd hatte alles in seinem Silo, was man zum Überleben der Apokalypse brauchte. Sie erklärten, dass sie Aktenkoffer voller ausländischer Banknoten und 1.000-Dollar-Scheine mit sich herumtrugen, weil sie glaubten, dass das US-amerikanische Finanzsystem kurz vorm Zusammenbruch stand. Sie schmissen mit Geld um sich, fuhren Porsche, kauften mir Klamotten von Armani, und ich musste nicht mehr im Stripclub arbeiten. Wir Leute in Kansas werden einfach nicht dazu erzogen, Leute unter die Lupe zu nehmen und ihre Geschichten zu hinterfragen. Todd behauptete also, dass er ein Investmentbanker-Schrägstrich-Überlebenskünstler sei, der sich auf den Zusammenbruch des Finanzsystems nach dem Millennium-Bug vorbereitete, aber wie rechtfertigte er, dass überall kiloweise MDMA herumlag?
Todd tat sein Bestes, es zu verstecken. In der Anfangsphase kriegte ich davon nichts zu sehen. Ich hatte so gut wie keine Erfahrung mit Drogen. Ich trank natürlich Alkohol und rauchte Dope, aber von MDMA hatte ich noch nie gehört. Er sagte: „Probier’s mal, es wird dir gefallen.“ Und das tat es dann auch … Aber ich sah nur diese kleine Menge. Irgendwann ahnte ich, dass da irgendwas lief, aber ich wusste nicht genau, was. Alle waren so nervös. Wenn man am Telefon über Drogen redete oder Websites besuchte, die was mit Drogen zu tun hatten, bekam man eine richtige Standpauke. Erst später bekam ich das Drogenlager zu sehen und fand heraus, dass sie neben dem MDMA-Labor auch ein LSD-Labor hatten, aber das wurde nie hochgenommen. Ich habe gelesen, dass er damals behauptete, in dem Raketensilo Hochleistungsfedern für die NASA herzustellen.
Genau genommen wurden im Raketensilo wirklich zeitweilig Federn hergestellt. Einige seiner Angestellten sagten, dass sie sich an der Produktion von ein paar Federn versucht hätten, aber das diente hauptsächlich der Tarnung. Hast du jemals Federn dort gesehen?
Nein, ich habe keine einzige Feder im Silo gesehen, aber Todds Mutter gehört tatsächlich eine Federnfabrik in Tulsa, wo Federn für die NASA hergestellt werden.