Zu Besuch bei den “Shower Boys” von Paris, die vor Publikum duschen

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Der junge, nackte Tänzer dreht sich mit dem Rücken zur jubelnden Menge und präsentiert seinen knackigen Hintern. Wasser tropft aus einer Dusche auf seine Muskeln und seine rasierte Brust. Lustvoll reibt er einen Duschschwamm an seinen breiten Schultern. Der Schaum läuft seinen Rücken hinab, zwischen beide Arschbacken. Er lehnt sich an die Duschwand und entblößt nur wenige Momente später seine Erektion. Für das große Finale schnappt er sich ein Handtuch und wickelt es um sein Glied. Es sieht aus, als würde ein Baumstamm zwischen seinen Beinen baumeln.

Es ist Samstagabend im Raidd, einer Bar im Pariser Stadtteil Marais. Die Gegend ist in der LGBTQ-Community sehr beliebt. Das Etablissement gehört dabei zu den Dreh- und Angelpunkten des Homo-Nachtlebens. Der Grund: Hier gibt es nackte Models, die sich vor Publikum in Duschkabinen räkeln.

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Die transparenten Duschkabinen sind direkt in die Wände des Raidds eingelassen und werden mit Neonlichtern beleuchtet. Jeden Abend sind verschiedene Tänzer zu sehen, die vor Touristen, den Stammgästen und einem Meer an gezückten Smartphones ihre feuchte Show abziehen. Schwule Männer machen den Hauptanteil des Publikums aus, es sind aber auch Hetero-Pärchen und viele Frauen im Raidd.

Wir haben zwei Wochenenden in der Bar verbracht und dabei die beiden Tänzer Ryan und Andrea in ihrem Arbeitsalltag begleitet.

Ryan, 31: “Eigentlich bin ich ziemlich zurückhaltend”

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Eine steile Treppe führt hinauf zu Ryans winziger Garderobe genau über den Duschen. Nach seinem Auftritt hat sich der Tänzer schnell umgezogen und entspannt sich jetzt in Shorts und Tanktop. Durch den aus den Duschen hochsteigenden Dampf fällt einem das Atmen in der Garderobe ziemlich schwer.

Wie der Großteil der “Shower Boys” vom Raidd ist auch Ryan heterosexuell. Eigentlich arbeitet der 31-Jährige als Feuerwehrmann, aber vor sieben Jahren nahm ihn ein Freund mit in die Bar. Nach einigen Drinks forderte jemand Ryan dazu auf, in eine der Duschen zu steigen.

Obwohl er laut eigener Aussage sehr nervös war und tollpatschig wirkte, luden die Barbetreiber Ryan nach seiner Mutprobe zu einem Casting für eine feste Anstellung ein. Seitdem arbeitet der Feuerwehrmann regelmäßig im Raidd und verdient pro Auftritt 100 Euro plus Trinkgeld. So sind auch schon Fotografen auf ihn aufmerksam geworden und haben ihm Model-Aufträge angeboten.


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“Nichts davon war geplant”, erzählt Ryan. “Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so etwas mache. Eigentlich bin ich ziemlich zurückhaltend.” Es hat auch etwas gedauert, bis sich Ryan in der Dusche wirklich wohl fühlte: “Anfangs machte es mich nervös, dass mich die Gäste anschauen. Eine Erektion war da nicht drin.” Heute schalte er aber einfach in seine Rolle um, weil er ja wisse, wie gut seine Auftritte ankommen. “Das gibt mir immer noch viel, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, nur Teil der Dekoration zu sein”, sagt er.

Trotz der ganzen Routine läuft bei Ryan an manchen Abenden aber auch nich alles rund. Dann muss er sich ein Kondom wie einen Druckverband um den Penis binden, um den Blutfluss zu kontrollieren und wirklich eine Erektion zu bekommen.

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Ryans Feuerwehrkollegen wissen nichts von der Zweitbeschäftigung ihres Kameraden. Er beschreibt die Atmosphäre in seiner Feuerwache als “machohaft”, dort könne ein Homosexueller niemals zu seiner Homosexualität stehen. Ryan fürchtet deshalb eine negative Reaktion, wenn er von seinem Nebenjob erzählen würde. “Ich lebe wirklich in zwei Welten”, sagt er.

Einmal ist der Tänzer fast aufgeflogen: Ein Gast fand heraus, was Ryan hauptberuflich arbeitet, und meldete ihn bei der Feuerwache. Ryan bestritt alles und sagte alle seine Auftritte in den darauffolgenden Monaten ab. Inzwischen steht er nur noch Samstagabend unter der Dusche.

Trotz seiner wenigen Auftritte muss sich Ryan immer wieder mit Gästen herumschlagen, die meinen, ihn später in der Bar sexuell belästigen zu können, weil sie ihn nackt gesehen haben. “Natürlich bist du hier nur ein Stück Fleisch”, sagt der Tänzer. “Anfangs findest du das auch noch gut. Aber irgendwann wird dir klar, dass manche Leute nur kommen, um mit den Tänzern zu schlafen. Da ist es ähnlich wie bei Feuerwehrleuten: Du musst mit den Klischees zu deinem Beruf klarkommen.”

Andrea, 30: “Ich tanze, um der Normalität zu entfliehen”

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Andrea

Andrea bereitet sich im Keller vom Raidd auf den Abend vor und trägt dabei die gleiche große Goldkette, die auch während der Auftritte um seinen Hals baumelt. Der 30-jährige Homosexuelle aus Mailand hat vor sechs Jahren im Raidd angefangen, nachdem die Beziehung mit seinem Ex-Freund in die Brüche gegangen war. Einer der Barkeeper entdeckte Andrea im Fitnessstudio und sagte ihm, dass er den perfekten Körper für die Auftritte in der Dusche habe. Andrea unterbrach seine Tanzkarriere kurz, als er wieder mit seinem Ex zusammenkam. Nach der erneuten Trennung ging es jedoch direkt weiter. “Das brauchte ich – sowohl um ihn zu vergessen, als auch um ihn eifersüchtig zu machen”, erzählt Andrea.

Genauso wie Ryan hat auch Andrea einen zweiten Beruf: Er arbeitet im E-Commerce-Bereich. “Ich tanze, um der Normalität zu entfliehen”, erklärt er. Als selbsternannter Stubenhocker, der keinen Alkohol trinkt, hat Andrea durch seinen Nebenjob die Möglichkeit, rauszukommen und neue Leute kennenzulernen. Im Grunde wolle er sich durch seine Auftritte durch andere Leute bestätigt fühlen: “Obwohl ich nicht gerne im Mittelpunkt stehe, hat das Ganze für mich schon eine narzisstische Seite”, sagt Andrea. “Ich gebe vier oder fünf Mal pro Woche im Fitnessstudio richtig Gas. Dafür kann ich meinen Körper dann hier präsentieren – und die Gäste finden mich richtig sexy. In der Schwulen-Community ist das sehr wichtig.”

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Andreas erste Auftritte in der Dusche waren laut eigener Aussage sehr unangenehm. Seitdem habe er sich aber zum Profi entwickelt. Heute ist er jeden Abend vier Mal unter dem Wasserstrahl zu sehen. Seinen Penis holt er aber nur jedes zweite Mal raus. “Unter dem laufenden Wasser hält meine Erektion nicht so lange”, erklärt der Tänzer. “Nackt zu sein, macht mir aber nichts mehr aus. Durch die Duschwände sieht man das Publikum sowieso kaum. Eigentlich ist es so, als würde ich zu Hause duschen – nur viel sexyer und mit mehr Seife.”

Wie er erzählt, ist Andrea bei Männern genauso beliebt wie bei Frauen. Ungebetene Berührungen seien ihm dabei relativ egal: “Das ist schon irgendwie komisch, aber ich habe mich daran gewöhnt”, sagt er. “Ich schiebe die Hände der Typen dann einfach weg. Aber auch Frauen langen gerne zu. Ein bisschen lästig, aber es geht schon.”

Schließlich ist es für Andrea Zeit, unter die Dusche zu springen und der Menge das zu geben, was sie will. Nach der Show schlendert er oben ohne durch die Bar und ist mit seinem Handy beschäftigt. Der Tänzer zieht viele Blicke auf sich. Drei Männer fragen ihn, ob sie ein Foto mit ihm machen dürfen. Ein anderer Fan legt ihm die Hand um den Nacken und will ihm einen Kuss geben. “Dich mag ich mit am liebsten!”, ruft er dabei. Eine junge Frau, vielleicht Mitte 20, tritt heran. “Sie ist immer hier”, sagt Andrea lächelnd, “und klopft an das Fenster der Dusche und zeigt mir ihre Brüste. Da muss ich immer lachen.”

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Stripper Andrea macht ein Foto mit einem Fan
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