Bilder von der blutigen Stürmung der Braunkohlegrube Garzweiler

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Bilder von der blutigen Stürmung der Braunkohlegrube Garzweiler

Am Samstag haben Hunderte Aktivisten die Braunkohlegrube Garzweiler gestürmt. Dafür haben sie einen hohen Preis bezahlt.

Zielgerade. Ein Pulk von mehreren hundert Menschen hastet jubelnd durch den kohlschwarzen Boden der Grube. Durch die Luft hallen Parolen wie „Wir wollen Kohlebagger klauen und den Tagebau demolieren", und „No Justice! No Peace!". Hinter ihnen laufen Polizisten, die sie einfangen wollen, aber die Menschen in den weißen Maleranzügen sind ihnen in dem unwegsamen Gelände deutlich ein paar Schritte voraus.

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Die Szene spielte sich am Samstagmorgen in der Braunkohlegrube Garzweiler westlich von Köln ab. Die Menschen in den weißen Anzügen sind gekommen, um ein Zeichen gegen den Tagebau hier zu setzen, den sie für umweltschädlich und anachronistisch halten. Aber es sollte keine normale Demonstration werden: Stattdessen war der Plan, durch das Besetzen der riesigen Bagger den Abbau zum Stillstand zu bringen.

Die Aktivisten haben bald das große Förderband überwunden, das sie noch von ihrem Ziel Baggern trennt. Aber gerade als die überdimensionierten Kohlebagger bereits in Sichtweite sind, tauchen Polizisten auf RWE-Pick-Ups auf. Motorisiert gelingt es ihnen, vor die Laufenden zu gelangen, wo sie schnell eine Kette bilden. In der undurchsichtigen Staubwolke setzen die Polizisten rücksichtslos Schlagstöcke und Pfefferspray ein, die meisten Aktivisten werden gestoppt. Aber nicht alle. Ein paar schaffen es durch die Linie und klettern wenige hundert Meter weiter auf den Bagger—der Tagebau steht still.

Der RWE-Tagebau „Garzweiler 2" nahe Köln bildet das Herzstück des rheinischen Braunkohlegebiets, und damit der „größten CO2-Schleuder Europas", so Pressesprecherin Mona einige Stunden später. Die Grube ist eine riesige Sandwüste, und für die meisten der hier Anwesenden eine bezeichnende Spur der Verwüstung: Für die Ausweitung des Tagebaus mussten zig Hektar Wald gerodet, zunehmend sogar ganze Dörfer geräumt werden.

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Doch auch die Doppelmoral der Bundesregierung treibt an diesem Tag die Menschen aus ganz Europa in die Grube: Schon vor Jahren als „Klimakanzlerin" gefeiert, setzte Merkel den Kohleausstieg auf die Agenda, versuchte, sich nicht zuletzt beim G7-Gipfel in Elmau als Vorreiterin zu beweisen. Die Bilanz der letzten Jahre aber liest sich ernüchternd: Die Emissionen sind kontinuierlich und rapide gestiegen, und das klägliche Scheitern eines ohnehin eher kompromissbehafteten Klimapakets bezeichnet die Übermacht fossiler Konzerne wie RWE, denen weder Parlamente noch Gewerkschaften etwas entgegenzusetzen haben.

Deshalb nehmen die Umweltaktivisten der Gegend den Kampf selber auf. Wenige Kilometer weiter beweist sich seit Jahren auch die militante Besetzung des Hambacher Forsts, der so vor der Rodung geschützt werden konnte: Der Protest steckt hier nicht in den Kinderschuhen. Die Aktion „Ende Gelände" aber legt die Messlatte deutlich höher.

Im Morgengrauen machten sich bis zu tausend AktivistInnen auf, um die Kohlegrube zu besetzen und den Betrieb lahmzulegen. In vier verschiedenen Gruppen („Fingern") strömen sie schließlich über diverse Schleich- und Umwege auf das Gelände. Ab dann dreht sich alles um Geschwindigkeit: Die Aktivisten müssen rennen, Ketten bilden, Polizeiketten durchfließen, Schlagstöcken und Pfefferspray ausweichen und es vor allem vermeiden, von der Polizei einkassiert zu werden.

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Die Polizei reagierte mit roher Gewalt auf den zivilen Ungehorsam: Nicht nur kam es zu exzessivem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray, Sani-Protokolle dokumentieren Knochenbrüche und Platzwunden. Am Ende des Tages wurden sechs Personen mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Auch Journalisten wurde mit massiver Repression begegnet, Einzelne durften über mehrere Stunden mit Kabelbindern gefesselt den Kohlestaub schnuppern.

Der kollektive Regelübertritt aller Beteiligten war bewusst und gezielt, die RWE AG beweist sich daher am Ende des Tages eher ungnädig. Es hagelte über 800 Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch. Einige Fotografen sehen sich mit dem bizarren Vorwurf konfrontiert, sie hätten Polizeibeamte ausspioniert.

Auch Aktivisten, die nicht zu den Kohlebaggern gelangt waren, fanden sich im klassischen Polizeikessel wieder—die Einsatzkräfte bekamen Unterstützung von RWE-Geräten, LKWs und mies gelaunten Mitarbeitern. Aber selbst nach der Räumung lässt sich die Stimmung nicht mehr drücken. Die Nachrichten der Gesamtlage sind auch hier längst angekommen: Mehrere Bagger sind besetzt, die Grube steht still. Obwohl sie dafür einen hohen Blutzoll bezahlen mussten: Für die Aktivisten war die Aktion ein voller Erfolg.