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Will mich die katholische Kirche jetzt umbringen oder nicht?

Erst ein Mordaufruf und dann eine Nicht-Entschuldigung. Läuft super.
Bischof Huonder (mitte) findet, dass „praktizierende" Homosexuelle den Tod verdient haben. Foto: Imago / EQ Images

OK, ignorieren wir einfach mal die Absurdität der Situation: ein alter Mann im Maxi-Rock, der sich verpflichtet hat, niemals in seinem Leben Sex zu haben, spricht geschlagene 48 Minuten über die Fortpflanzungsorgane anderer Menschen und wie und warum sie wann miteinander schlafen dürfen.

Anhand verschiedener Bibelstellen hält der Schweizer Bischof Huonder am vergangenen Freitag beim Kongress des Forums Deutscher Katholiken in Fulda einen Vortrag über Sexualmoral. Dabei zitiert er zwei Texte aus Levitikus, einmal 18,22 „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel." Und 20,13: „Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen." Für Huonder sind diese beiden Bibelstellen entscheidend „für den Umgang mit der Sexualität, in unserem Fall gilt das für die gleichgeschlechtliche Praxis." Und weiter: „Die beiden Stellen würden genügen, um dem Umgang mit der Homosexualität die rechte Wende zu geben."

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Die „rechte Wende" ist also die Todesstrafe für „praktizierende" Homosexuelle. Einerseits muss man Huonder zu Gute halten, dass er nicht um den heißen Brei herumredet. Im Gegensatz zum Papst, der einerseits behauptet, er habe nichts gegen Homosexuelle, dann aber verlauten lässt, die Öffnung der Ehe für alle in Irland sei eine Niederlage für die Menschheit. Dass der Papst eine gute PR-Abteilung hat, ist kein Geheimnis, das ändert aber nichts am eigentlich Thema: der Sexualmoral der Kirche, die sich auf Regeln aus der Bronzezeit beruft.

Aber ist ja alles nicht so schlimm. Huonder hat sich schließlich entschuldigt. In einer Presseerklärung lässt er verlauten:

„Ich bedaure, wenn mein 50minütiger Vortrag in Fulda vom 2. August 2015, der sich mit den biblischen Grundlagen zu Ehe und Familie beschäftigt, in den Medien vereinzelt als Herabsetzung homosexueller Menschen verstanden wurde. So war es nicht gemeint."

Mordaufruf, Herabsetzung. Alles das Gleiche. Und wie es denn jetzt genau gemeint war und wie man das von Huonder Gesagte irgendwie anders interpretieren könnte, erklärt er leider nicht. Bei wem er sich entschuldigt, bleibt ebenfalls vage. Bei sich selbst, weil er sich so unklar ausgedrückt hat? Bei den Medien, weil sie seine Worte nicht richtig wiedergegeben haben (haben sie, sein Vortrag ist hier abrufbar. Die fragliche Passage beginnt bei Minute 21.)? Ich fühle mich jedenfalls nicht angesprochen.

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Was Huonder hier abliefert, ist eine klassische Nicht-Entschuldigung. Er entschuldigt sich nämlich nicht dafür, was er gesagt hat (Menschen, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, müssen sterben. Nur falls es jemand vergessen haben sollte.). Sondern nur dafür, dass sein Vortrag vielleicht von Einzelnen falsch verstanden wurde. Das heißt, er übernimmt keine Verantwortung und gibt nicht mal vor, dass seine Meinung vielleicht nicht richtig sein könnte. Das einzige, wofür er sich entschuldigt, liegt nicht mal in seiner Hand, nämlich das angebliche Falschverstehen durch die Medien. Wie denn jetzt sein Vortrag richtig verstanden werden kann und was er gemeint hat, wenn er (in anderen Worten) sagt: „Männer, die mit Männern schlafen, und Frauen, die mit Frauen schlafen, müssen sterben, weil es in der Bibel steht, und das ist alles, was man wissen muss" bleibt offen.

Aber Huonders Stellungnahme geht ja noch weiter. Er schreibt nämlich, dass er, „wenn es um Homosexualität geht, ganz beim Katechismus der katholischen Kirche" steht, und zitiert den dann auch ausgiebig: Homosexualität ist eine Prüfung für die „Betroffenen" und Homosexuellen „ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen." Quasi wie einem Leprakranken. Homosexuelle „verstoßen gegen das natürliche Gesetz", wenn sie Sex haben, und deshalb: „Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen." Man unterscheidet also zwischen Sünde und Sünder. Solange ich niemals mehr Sex mit einem Mann habe, ist alles super. Wenn doch (und sagen wir's mal so: Die Chancen stehen ziemlich, ziemlich gut) ist Bischof Huonder gern der Erste, der einen Stein wirft.

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Sagt er auch genauso:

„Die beiden Texte legen mit vielen anderen Stellen der heiligen Schrift die göttliche Ordnung vor, welche für den Umgang mit der Sexualität gilt. In unserem Fall geht es um die gleichgeschlechtliche Praxis."

Statt sich also dafür zu entschuldigen, dass er aufgerufen hat, Homosexuelle mit dem Tod zu bestrafen, ist das, was er als Entschuldigung verkauft, viel mehr eine Rechtfertigung für das, was er gesagt hat, mit Hilfe der aktuellen Lehrmeinung der katholischen Kirche und ganz im Sinne des Papstes.

Stefan ist auch auf Twitter praktizierender Homosexueller.


Foto oben: Imago/EQ Images