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Ein Tag im Leben eines Speed-Dealers

Jon hat den Rückspiegel ständig im Blick und die Ware ist sicher am linken Hinterrad seines Autos verstaut.

„Normalerweise ist es feucht, wenn ich es bekomme", sagt mir Jon. „Das ist der beste Teil."

Er bereitet ein paar Lines auf einer abgenutzten CD-Hülle vor, die offensichtlich schon oft als Unterlage herhalten musste.

Koks gefällt mir schon seit einer ganze Weile nicht mehr. Die Leute sind nicht mehr auf diese Art von Rausch aus, sie wollen etwas Spannenderes. Speed ist wieder total beliebt", erzählt er mir, während er kleine blau-gelbe Tütchen mit Amphetaminpulver füllt.

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„Jedes Tütchen wiegt genau ein Gramm—nicht mehr, nicht weniger—inklusive dem Eigengewicht des Tütchens. Du musst das in der Packung wiegen, sonst verklebst du dir die Wage mit dem ganzen Zeug."

Jon ist ein Speed-Dealer, der in einem kleinen Dorf in der Nähe von Bilbao lebt. „Speed war hier immer schon beliebt. Ich erinnere mich noch daran, dass—bevor ich im Gefängnis gelandet bin—in jeder Bar mindestens ein Typ war, der das Zeug verkauft hat. Ich halte mich inzwischen nur noch an einer einzigen Bar auf. Die Leute vertrauen mir, weil sie wissen, dass mein Speed viel bessere Qualität hat als der Scheiß, den die Leute hier sonst so verkaufen. Denen macht es auch nichts aus, dass es noch feucht ist."

Nachdem er seine Tütchen gefüllt hat, sagt er mir, dass er los zu seiner Stammkneipe will, und fragt, ob ich nicht mitkommen möchte. Da ich durchaus neugierig bin, wie der Arbeitsalltag in so einem Betätigungsfeld aussieht, sage ich sofort zu.

Als wir in dem Laden ankommen, schafft er es noch nicht einmal, sich hinzusetzen, bevor der Kellner ihm ein Bier in die Hand drückt. Fast gleichzeitig kommt ein großer, mittelalter Mann auf ihn zu.

„Der Kerl hier ist der Beste. Früher hat er immer bei mir gekauft, aber jetzt hat er eine Familie. Er hat kein Interesse mehr daran, sich Zeug zu holen. Ach, scheiß drauf, ich geb's ihm einfach so", sagt Jon.

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Der Mann nimmt das kleine ‚Tütchen Schlaflosigkeit', wie es hier genannt wird, und sagt: „Heute Abend ist eine Party. Wenn ich feiern gehe, dann so richtig." Als er dann fragt, ob das Zeug feucht ist, antwortet Jon nur: „Warum zur Hölle fragst du mich das? Du weißt genau, was es bei mir gibt."

Er verschwindet in einem der Klos, aber nicht für lange. Als er wieder rauskommt, geht er direkt zur Bar und fängt an, laut zu rufen: „Niemand kann es so gut wie der hier! Kumpel, gib mir ein paar Blättchen, ich muss das Zeug trocknen. Der Scheiß von ihm wird jedes Mal feuchter. Würdest du nicht so stinken, hätte ich gesagt, dass du damit unter der Dusche warst."

„Hör auf, dich zu beschweren. Du weißt genau, was du von mir bekommst", antwortet Jon angepisst.

Innerhalb der nächsten Stunde kommen noch sieben weitere Leute auf Jon zu, die etwas kaufen wollen. Einer von ihnen schaut mich von oben bis unten an und fragt, wer ich bin. Jon versichert ihm, dass ich OK bin und man mir vertrauen kann.

Eine Sache, die alle Kunden hier miteinander gemein haben, ist die, dass sie alle exakt dem gleichen Ritual folgen: Sie reden mit Jon, gehen aufs Klo und kommen mit einem leicht tränenden Auge zurück. Ich schätze mal, so lässt sich erkennen, welches Nasenloch sie verwendet haben.

Es dauert keine drei Stunden, bis Jon komplett ausverkauft ist. „Ich habe drei Jahre im Untergrund verbracht, weil mich die Bullen mal mit anderthalb Kilogramm Speed erwischt haben. Ich bin mir total sicher, dass mich irgendjemand fertigmachen wollte. Jemand hat mich verpfiffen, verstehst du? Die Typen heutzutage haben alle keinen Respekt. Sie wissen, dass sie schnelles Geld machen können und denen ist es egal, mit wem sie es zu tun haben. Die verkaufen Dreck."

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Als ich ihn nach seiner Zeit im Gefängnis frage, ändert sich sein Tonfall. „Ich will darüber nicht sprechen. Es war absolut beschissen", antwortet er, während er an seinem Bier nippt. „Seit diesem Trip muss ich ständig mit den Augen im Hinterkopf herumlaufen. Wenn die mich schnappen, bekomme ich richtig großen Stress. Das würde dann als Rückfall gelten und einige Jahre im Knast bedeuten. Ich will noch nicht mal darüber nachdenken. Deswegen verkaufe ich auch nur in so einem kleinen Rahmen. Ich mache es auch nie nachts. Das ist die Zeit, in der sie dich erwischen."

„Wo wir gerade dabei sind, es ist fast schon 18 Uhr. Ich gehe besser nach Hause und hole noch mehr. Bald werden hier noch mehr Leute auftauchen."

Wir fahren mit seinem klapprigen Auto zu seinem Haus an den Ausläufern des Ortes. Er öffnet das Eisfach seines Kühlschranks und nimmt einen großen Beutel Speed heraus. 200 Gramm reichen anscheinend für einen ganzen Monat.

Er befüllt etwa 20 kleine Tütchen und wiegt jedes einzelne davon genau ab. „Das hier hat 0,1g zu viel, also nehme ich etwas raus. Das hier ist auch etwas zu schwer, aber ich lasse es einfach drin, dann denken die, ich wäre großzügig."

Er holt einen Magneten aus seiner Tasche und packt die Tütchen darein—zusammen mit einem anderen Magneten. Sobald wir draußen sind, befestigt er das Paket an der Innenseite des linken Hinterrads seines Autos. „Es wird nicht abfallen und wenn sie uns anhalten, dann sagen wir einfach, dass es nicht uns gehört. Die haben keine Beweise. Die können nichts gegen uns sagen."

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Jon ist wachsam. Im Auto läuft keine Musik und eins seiner Augen haftet ständig am Rückspiegel. Wir umrunden ein paar Häuserblöcke mehr als eigentlich nötig, nur um sicherzugehen, dass uns niemand verfolgt.

Natürlich möchte er mir nicht verraten, wo er sein Speed kauft. „Ich kann dir nur sagen, dass ich es aus dem Norden von Gipuzka herbringe—von einem kleinen Dorf mit vielen Schiffen. Du wirst aber keine Orte oder Namen von mir erfahren. Das wäre mein Ende—die können Spitzel gar nicht leiden. Eines Tages wird es großen Stress geben", sagt er, während er dabei mahnend seinen Finger erhebt.

Zurück in der Bar gehen die Leute ein und aus, man grüßt sich und gibt Jon die Hand—das Geld dabei schon geschickt zwischen den Fingern platziert. Jon fragt immer nach Zigaretten und lässt dann ein kleines „Geschenk" in der Packung zurück. Es ist recht offensichtlich, dass Jons Kunden keine Drogensüchtigen sind. Die meisten von ihnen machen einen recht gepflegten und respektablen Eindruck.

„Es wäre nicht schwer für mich, auch ernsthaftes Geld damit zu verdienen, aber ich möchte das Risiko einfach nicht eingehen. Ich komme mit der kleinen Menge, die ich jeden Monat verkaufe, ganz gut über die Runden. Es ist besser, ein paar vertrauenswürdige Kunden zu haben, als sein Geschäft auszuweiten und an wildfremde Leute auf irgendwelchen Partys zu verkaufen. Das reizt mich nicht", erklärt er.

Während wir uns über die Qualität des Stoffes unterhalten, der heutzutage im Umlauf ist, kommt ein gut gekleideter, grauhaariger Mann zu uns rüber und fragt nach ein paar Gramm. Der Typ hat nur einen 50 Euro Schein, also kauft er uns ein Runde und eine Schachtel Kippen und gibt die 30 Euro Wechselgeld an Jon. Als er auf dem Klo verschwindet, sagt Jon: „Der Typ ist ein Bastard!"

„Er zieht sich nur so an, damit er vertrauensvoll aussieht. Er weiß genau, dass hier niemand Spielchen mit mir spielt. Ohne Geld gibt es keinen Stoff. So einfach ist das."

Unser grauhaariger Freund taucht schnell wieder auf. Ihm ist aufgefallen, dass er nichts dabei hat, womit er das Speed ziehen kann. Er wendet sich an Jon und fragt, ob er ihm kurz einen Schein leihen kann.

„Nein, auf keinen Fall. Kannst du vergessen", lautet die Antwort.

Er verschwindet wieder auf dem Klo, ist aber nach einem kurzen Moment schon wieder da. Er schaut Jon in die Augen und sagt: „Gib mir ein Blättchen, Kumpel. Das Zeug ist scheiße feucht!"