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Synthetisches Weed lässt britische Häftlinge durchdrehen

Black Mamba verändert die Drogenkultur und treibt dem Gefängnispersonal den Angstschweiß auf die Stirn.

Hier baut sich jemand einen Joint mit synthetischem Gras. (Foto: YouTube-Screenshot) In der Vergangenheit hat man als frischgebackener Häftling womöglich erstmal eine ordentliche Tracht Prügel bezogen. Im Jahr 2015 haben sich die Dinge jedoch geändert: In mehreren britischen Gefängnissen gibt es ein neues Willkommensritual, nämlich einen Besuch in der „Mambulanz". In anderen Worten heißt das, dass man medizinisch behandelt werden muss, weil man es mit synthetischem Marihuana übertrieben hat.

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Es gibt zwar verschiedene Hersteller, aber die Häftlinge haben sich Black Mamba als Sammelbegriff ausgesucht, und dieser Name diente auch als Inspiration für die Mambulanz. Die Gefängnisaufseher hingegen bevorzugen den Ausdruck Spice—ein anderer Markenname für das gleiche Produkt. Er klingt bloß nicht so sehr nach Glamrock-Coverband.

Mamba wird immer beliebter, weil das Ganze in Urinproben nicht nachweisbar ist (falls eine solche Probe positiv ausfallen sollte, kann man als Gefängnisinsasse seinen Job verlieren, Privilegien los werden oder sogar noch ein paar zusätzliche Tage Haft absitzen). Drogenspürhunde waren auch nicht in der Lage, den Geruch bei Besuchern wahrzunehmen, also ist das Zeug theoretisch in jedem Gefängnis des Landes verfügbar. Da jedoch noch nicht so viele Leute Erfahrungen mit der synthetischen Droge gemacht haben, haut die Intensität von Sorten wie „Annihilation" neue Häftlinge erstmal richtig um und sie müssen letztendlich mambulant behandelt werden, weil sie die gleiche Menge wie bei einem normalen Joint wegrauchen. Die Sache ist nämlich die: Synthetisches Gras ist mit echtem Gras nicht vergleichbar. Das Ganze ist im Grunde einfach nur getrocknetes Pflanzenmaterial, das mit Chemikalien versetzt wurde, die die gleiche Wirkung wie THC haben sollen—das jedoch quasi nie schaffen.

Neue Insassen werden normalerweise von den anderen angestachelt, denn ein Frischling im Bezug auf synthetisches Gras ist schon sehr unterhaltsam. In einigen Fällen wird dem Zugedröhnten dann auch alles geklaut, was er am Körper trägt, denn sein Gehirn bekommt sowieso nichts mehr mit.

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Ein Häftling, der vor Kurzem eine Haftstrafe in zwei britischen Gefängnissen absitzen musste, hat mir Folgendes erzählt: „Da drin dreht sich jetzt alles nur noch um Mamba. Das Zeug lässt die Leute richtig durchdrehen—und zwar ganz unterschiedlich. Bei normalem Gras, Kokain oder Heroin weiß man zumindest noch, wie man sich im Rausch verhalten wird. Aber dieses Zeug ist der Teufel."

Dann meinte er noch: „Die Leute schauen einfach durch dich durch, verpassen dann der Wand eine Kopfnuss oder wollen sich mit dir und den Aufsehern prügeln. Am nächsten Tag haben sie dann keine Ahnung mehr, was eigentlich vorgefallen ist. Im Knast sagt man: ‚Wer Mamba raucht, kann auch gleich noch die Mambulanz rufen.' Da ist was dran. Nach ein paar Zügen lag ich zuckend auf dem Boden. Und der ganze Trakt weiß ebenfalls Bescheid. Jubel bricht los, wenn die Mambulanz anrückt."

Ambulanz-Teams und Gefängnisärzte wissen inzwischen, wie man die Leiden behandelt, die eine Überdosis Mamba mit sich bringt—darunter Bluthochdruck, Herzrasen, verschwommene Sicht, epileptische Anfälle, Halluzinationen, akute Psychose und Verlust der Schließmuskelkontrolle. Die Gefahr von Mamba besteht auch darin, dass die Auswirkungen quasi immer anders ausfallen: Bei vielen Konsumenten verursacht das Ganze sofort depressive Gedanken oder einen komatösen Zustand, während andere in extreme Angstzustände und Paranoia verfallen. Das führt dann oft zu Angriffen auf andere Häftlinge, Gefängniswärter oder Dinge, die sich eben gerade in unmittelbarer Nähe befinden.

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Die englische Prison Officers Association bezeichnet synthetisches Cannabis als das größte Problem für seine Mitglieder. Michael Rolfe ist ein Gefängnisaufseher in Kent und hat täglich mit den Folgen der Droge zu tun. Er sagte: „Jedes Gefängnis dieses Landes ist von Spice betroffen. Das ist ein weitreichendes Problem. Die einen Häftlinge nehmen Spice und andere verkaufen es. Dabei wird das Ganze manchmal sogar noch mit chemischen Drogen wie LSD und so weiter gestreckt, was die Konsumenten richtig wahnsinnig werden lässt. Dadurch bekommen wir Probleme, sie zu kontrollieren, und sie werden zu einer Gefahr für sich selbst. Dann sind wir quasi gezwungen einzugreifen."

Die LSD-Behauptung erscheint vielleicht etwas dubios, aber es besteht kein Zweifel daran, dass das synthetische Gras auch allein für Probleme sorgt. Rolfe fügte hinzu: „Es kommt häufig vor, dass wir die Häftlinge in einem rasenden Zustand vorfinden, und dann müssen wir etwas unternehmen."

Rolfe macht die Droge dafür verantwortlich, dass Gefängnisinsassen zum schlimmsten Albtraum der Aufseher werden: launisch, stärker und mit höherer Schmerztoleranz.

„Sie werden uns gegenüber handgreiflich, weil sie sich im Spice-Rausch befinden. Sie sind körperlich stärker und haben einen höheren Adrenalinspiegel als normal. Sie besitzen dazu noch mehr Ausdauer, was die Sache nicht gerade leichter macht."

Synthetisches Gras mit Spice-Aufdruck. Foto: Wikimedia Commons | Public Domain

Viele Gefängnisaufseher haben eine Geschichte in petto, in der es um Gewalt gegen sie oder einen Kollegen geht. Auch Michael bildet da keine Ausnahme.

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„Einer unserer leitenden Wärter wurde mal von einem Insassen angegriffen, der vorher Spice genommen hatte. Er schlug den besagten Wärter bewusstlos und hörte einfach nicht mehr auf. Nur durch den Mut eines anderen Angestellten konnte noch Schlimmeres verhindert werden. Der Aufseher ist jetzt auf einem Ohr taub und hat dazu noch sein Gleichgewichtsgefühl verloren. Er wird wohl nie wieder in seinen alten Job zurückkehren können und daran schuld ist nur Spice. Für Gefängnisangestellte herrscht jetzt also ein richtiges Klima der Angst, denn die Droge führt immer häufiger zu heftigen Übergriffen."

Der Gewinn, den man beim Verkauf von Mamba in Gefängnissen erzielt, ist riesig. Das hat sogar schon dazu geführt, dass manche Dealer irgendwelche zusätzlichen Straftaten begangen haben, um noch länger im Knast bleiben zu müssen. Manche Kriminelle lassen sich auch extra verhaften, um ebenfalls ein Stück vom Drogenkuchen abzukriegen. Knapp 30 Gramm Mamba kosten draußen ungefähr 140 Euro—im Gefängnis bekommt man für die gleiche Menge bis zu 2500 Euro. Mir wurde erzählt, dass ein sitzender Verbrecherboss seine Handlanger angewiesen hat, Kiffer-Läden auszurauben, damit seine Versorgungskette intakt bleibt. Man nimmt an, dass er so innerhalb von drei Monaten über 70.000 Euro verdient hat.

2010 gab es nur 15 Spice-Beschlagnahmungen, in den ersten sieben Monaten des Jahres 2014 waren es hingegen schon ganze 430. Neben diesem steilen Konsumanstieg haben finanzielle Kürzungen der Regierung das Problem noch weiter verschlimmert, denn so sind es immer weniger Gefängnisangestellte, die etwas gegen diese Krise unternehmen müssen.

Peter McParlin, der Vorsitzende der Prison Officers Association, sagte Folgendes: „Es gab in Gefängnissen zwar schon immer gewalttätige Übergriffe, aber inzwischen haben wir wieder ein Level erreicht, das es so seit 32 Jahren nicht mehr gegeben hat. Uns steht allerdings nur wenig Personal zur Verfügung und damit lässt sich die Gewalt nicht eindämmen. Die Kollegen müssen sich gegenseitig beschützen und es ist sogar schon vorgekommen, dass Insassen Gefängnisaufseher gerettet haben."

So wie es zur Zeit aussieht, kann man scheinbar nicht viel gegen das Problem des synthetischen Marihuanas ausrichten. Erst wenn Hunde darauf trainiert sind, das Zeug zu erschnüffeln—oder diese neuen Ganzkörper-Scanner der Flughäfen auch in Gefängnissen eingeführt werden—, wird die Zahl der Häftlinge, die von der Mambulanz abgeholt werden müssen, wieder zurückgehen.