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THE CROWN AND SCEPTER ISSUE

Krieg ums Gras im Reservat

Amerikanische Ureinwohner in Kalifornien verbieten Marihuana, um die Umwelt zu retten—und sich selbst.

Aus der Crown and Scepter Issue

Wenn du an der entlegenen Südspitze des Yurok-Reservats im kalifornischen Humboldt County nach Growern suchst, dann beginnst du die Suche vielleicht bei Pearson's, einem überladenen Lebensmittelladen am Zusammenfluss der Flüsse Klamath und Trinity. Das Geschäft ist in Weitchpec, einem Dorf, das ansonsten nur aus einer Schule, einem Stammesamt und vereinzelten Häusern besteht. Im Juni streifte ich durch die Regalgänge und sah Batterien, Messer, Hundefutter, Planen, Bohrspitzen, Luftgewehre und riesige Schokoriegel. Fotos von Babys zierten die Wände und von Männern, die Fische größer als Babys hielten und manchmal sogar Fische größer als sie selbst. Ich stutzte, als ich im Zeitschriftenregal eine Ausgabe der High Times sah. Die Besitzerin beobachtete mich. „Verkaufen Sie viele hiervon?"

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„Das ist fast das Einzige, das ich verkaufe", antwortete sie. „Grashefte und Pornos."

Sie war klein, mit kleinen Augen, die durch ihre runde Brille noch kleiner wirkten, und sie lächelte auf eine Art, die zugleich freundlich und misstrauisch wirkte. Sie hieß Karen Pearson und ihrer Familie gehörte der Laden seit 64 Jahren. Ich wollte sie nach den Razzien fragen, die Mitglieder des Stamms der Yurok in letzter Zeit gegen Grasbauern durchgeführt hatten, aber weil ich nicht wusste, auf wessen Seite sie war, blätterte ich stattdessen das Magazin durch. „Wir sind hier alle Grower", sagte sie. Ich sah auf. „Na ja, ich baue nicht mehr an. Nur ein paar Pflanzen, als ich jung war." Als ich sie später nach ihrer Meinung fragte, seufzte sie. „Die Kleinbauern machen mir nichts aus", sagte sie. „Aber was die großen Grower machen, ist einfach nicht in Ordnung."

Seit 1996 ist in Kalifornien der Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke erlaubt, doch 2014 begannen die Yurok ihre Bestrebungen, jegliches Marihuana aus dem Reservat zu entfernen. Der Hauptgrund war das Wasser: Die kalifornische Dürre war bereits in ihrem dritten Jahr und hatte den Klamath so austrocknen lassen, dass der Lachsbestand, von dem der Stamm schon lange abhängig ist, kurz vor dem Zusammenbruch stand. Stammesbehörden der Yurok meinten, Grasbauern würden zur Krise beitragen, indem sie Zuflüsse des Klamath für ihre Bewässerung nutzten. In jenem Sommer startete der Stamm Operation Yurok, eine groß angelegte Reihe von Razzien, bei der die kalifornische Nationalgarde ebenfalls zum Einsatz kam. Seither ist die Region Schauplatz eines paradoxen Kriegs: Während viele US-Bundesstaaten dabei sind, Marihuana zu legalisieren, helfen die Behörden von Humboldt County (einem Ort, der in den 1960ern für sein Cannabis bekannt war) bei seiner Vernichtung. Man sagte mir, die Wasserversorgung des Stamms hänge davon ab.

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Ein paar Tage zuvor hatte ich das Stammesmitglied Carlton Gibbens bei der Trinkwasserverteilung begleitet, um zu sehen, wie schlimm die Lage war. Es war ein heißer Tag, die Klimaanlage des Autos war kaputt und als wir auf den Highway 169 fuhren, perlte Schweiß von Gibbens' Schläfen. Die einspurige Straße wand sich durch dichten Wald, der ab und an die Sicht auf den Klamath freigab. Der Sommer hatte gerade erst begonnen, doch ich konnte sehen, dass die Dürre ihre Spuren hinterlassen hatte. Der Fluss sah eingefallen aus. Wo sonst Stromschnellen waren, stachen Steine hervor und Algen blühten, wo das Wasser sich nur langsam bewegte. (Forscher spekulieren, die Algen würden von Marihuanadünger verursacht.) Laut der Wasserversorgungsbehörde Bureau of Reclamation war der Wasserstand gefährlich niedrig. Wissenschaftler warnten, ein weiteres Absinken würde Lachse dazu bringen, die warmen Untiefen zu verlassen und sich in den kühlen, aber überlaufenen Mündungen der Zuflüsse zu versammeln. Dort würden sie aneinander reiben und somit tödliche Parasiten verbreiten. Ein Fischsterben wäre verheerend für den Stamm—das wusste man aus Erfahrung.

Gibbens ist Vermessungstechniker, doch wie viele Angestellte des Stamms hat er im Alltag diverse Pflichten zu erfüllen. An zwei Tagen der Woche liefert er Wasser an Einwohner, die keinen Anschluss an die gemeinschaftlichen Tanks haben, was auf die meisten zutrifft. Da diese Leute ihr Wasser direkt aus Quellen und Bächen holen, können sie schneller auf dem Trockenen sitzen. Vor zwei Sommern trockneten viele Bäche aus und die Einwohner mussten Wasser aus einem Notfalltank in Weitchpec holen, woran die Grasbauern sicher nicht unschuldig waren. Um ihre Pflanzen zu bewässern, leiten die Grower Wasser aus denselben Klamath-Zuflüssen, die auch Einwohner versorgen und Fischen Zuflucht bieten. Oft stauen sie ganze Bäche und leiten sie um. Ohne Genehmigung sind große Umleitungen illegal, was als Rechtfertigung für die Razzien dient. Der Stamm schätzt, dass im Laufe eines Jahres auf dem Reservat 100.000 Marihuanapflanzen wachsen. Eine einzige Pflanze verbraucht laut Regierungsinformationen bis zu 22,7 Liter Wasser am Tag. Jedes Jahr werden somit Millionen Liter für Cannabis verwendet, die ansonsten durch das Reservat fließen könnten.

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Karen Pearson hinter dem Ladentresen ihres Lebensmittelgeschäfts in Weitchpec, Kalifornien

Wir kamen an ein altes, mit Kletterrosen überwachsenes Holzhaus auf einer Lichtung. Eine Frau schüttelte auf der Veranda einen Teppich aus. Als wir näherkamen, ging sie hinein und ein Mann kam heraus. Er stellte sich als Edward Mays* vor. Letzten Sommer, sagte er, sei der Bach in der Nähe seines Hauses fast ausgetrocknet, doch nach den Razzien sei er wieder geflossen. Ich fragte Mays nach seiner Meinung zu den Razzien. „Hat mich kein bisschen gestört", sagte er. Die Grower „kommen einfach hierher, machen das große Geld und gehen wieder. Hab' sie ohnehin noch nie gemocht."

Die meisten Leute, denen ich an jenem Tag begegnete, wollten nicht über die Grasbauern sprechen, oder überhaupt mit mir reden. Das war das Wesen des Reservats: Die Leute wollten für sich sein.

Doch ich hatte auch den Verdacht, dass viele aus Angst schwiegen. Kurz vor meinem Besuch hatte sich das Gerücht verbreitet, mehrere junge Yurok seien mit Waffen bedroht worden, als sie zu nah an eine Anbaufläche in Mitchell Hill gekommen waren. Andere erzählten mir von ungeklärten Vermisstenfällen und Morden, die man wie Unfälle habe aussehen lassen. Dann gab es das Risiko, als Heuchler dazustehen. Wer nicht selbst anbaute, hatte Freunde oder Familie, die es taten. Die Spannung der Razzien war ein Ergebnis eben dieser Intimität: Der Stamm nahm seine eigenen Leute hoch. Vielleicht war das der Grund dafür, dass die meisten meiner Interviewpartner weder die Grasbauern noch den Stamm verurteilten und sich stattdessen nur vorsichtig äußerten.

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Selbst Gibbens schränkte ein: „Bei Einheimischen habe ich nichts dagegen, wenn jemand sich seine 50 Pflanzen oder so hält, aber ich mag es nicht, wenn Außenseiter hierher kommen und ein ganzes Wassersystem blockieren." Als ich fragte, ob er von anderen Stammesmitgliedern wisse, deren Wasser ihnen wegen Marihuana vorenthalten worden war, erzählte er von einem Mann, der in der Nähe der Spitze des Mitchell Hill wohnte und oft die Grower über sich konfrontierte. Später ging ich den Berg hinauf, um ihn zu suchen, doch als ich an ein Kabel kam, das jemand zwischen zwei Bäume gespannt hatte, hielt ich an. Am ersten Baum hing ein Schild auf dem stand: „Ich bin für Waffenkontrolle … ich nutze beide Hände." Auf dem zweiten stand: „Hier ist nichts, für das es sich zu sterben lohnt."

Die Geschichte, wie Gras aufs Reservat gelangte, beginnt mit Holz. Nachdem die Klamath River Indian Reservation 1855 gegründet wurde, verkaufte man den Großteil des Yurok-Landes an weiße Siedler und Holzfirmen. (1988, als das Reservat umstrukturiert und umbenannt wurde, und man den Yurok erlaubte, eine eigene Stammesregierung zu bilden, waren bereits 90 Prozent des Reservats verkauft worden). Die Holzindustrie blühte für den Großteil des 20. Jahrhunderts, doch in den 1970ern flaute das Geschäft aufgrund der schlechten Immobilienpreise und internationaler Konkurrenz ab. Viele nun arbeitslose Holzfäller wollten die Region nicht verlassen und wandten sich dem Marihuana zu. Soweit man weiß, war der erste Bewohner des Reservats, der dies tat, ein weißer Holzfäller namens Noble Niles. Niles hatte eine Yurok geheiratet und Land in der Nähe des Dorfs Pecwan gekauft. Gras verkaufte sich damals zu einem guten Preis, und Niles war ein guter Grower. In seinem Nachruf wurde er als „Meistergärtner" bezeichnet. „Er war berühmt", sagte mir Leonard Masten, der Yurok-Polizeichef. „Seine Pflanzen waren immer die größten und besten."

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Timothy Littlefield, der sogenannte „Pate des Weeds" , im Yurok-Reservat

Andere Ureinwohnerfamilien wandten sich diesem Geschäft zu, doch meist nur im kleinen Rahmen. Die Pflanzen reichten aus, um die Rechnungen zu bezahlen und Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Doch der wichtigste Lebensunterhalt der Yurok war schon immer die Fischerei. Traditionell verwalteten die Yurok den Zugang zu Fanggründen nach komplexen Gesetzen, doch im 19. Jahrhundert schränkten kommerzielle Fischereien, Dämme und die Regierung ihre Rechte ein. 1934 wurde es den Yurok komplett verboten, kommerziell oder mit Stellnetzen zu fischen, sodass viele Yurok inhaftiert und ihre Fänge konfisziert wurden, bis der Oberste Gerichtshof der USA 38 Jahre später das Recht des Stamms auf Fischerei bestätigte. Die Regierungen des Stamms, des Bundesstaats und der USA stritten weiter über Fischereirechte, bis 1994 das Bureau of Indian Affairs sowie der US Fish and Wildlife Service den Yurok die Verwaltung der kommerziellen Fischerei in dem Fluss überließen. Heute sind viele Stammesmitglieder ausgebildete kommerzielle Fischer, andere überwachen und verwalten die Fischerei. Es ist die einzige Industrie, die es außer dem Cannabis im Reservat gibt.

Nachdem Kalifornien 1996 medizinisches Marihuana legalisierte, florierte das Grasgewerbe im Yurok-Gebiet. Laut Troy Fletcher, dem geschäftsführenden Direktor des Stamms, lockte die Chance auf größere Profite eine andere Art Grasbauer an: keine Familienunternehmen, sondern umherreisende Geschäftsleute, die Yurok-Ressourcen ausnutzen wollten. Die meisten waren weiße US-Bürger, doch es gab auch viele Einwanderer aus Laos, Vietnam und Zentralamerika. Anstatt ein paar Hundert Pflanzen anzubauen, züchteten sie Tausende für kalifornische Marihuana-Apotheken und weitere, illegale Märkte in den USA. Manchen Schätzungen zufolge stammen zwei Drittel des in den USA konsumierten Marihuanas aus Kalifornien—und das Beste davon aus Humboldt County.

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Der Boom fiel in etwa mit der schlimmsten Dürre zusammen, die Kalifornien in mehr als einem Jahrtausend erlebt hatte. Humboldt County ist eines der feuchtesten Countys im Staat, doch der mangelnde Niederschlag hat dem Flussgebiet des Klamath dennoch geschadet. Im September florierten nach einem besonders trockenen Winter Parasiten in den warmen Untiefen des Klamath, was 70.000 Königslachse auf dem Weg zu ihren Laichgründen das Leben kostete. Das Fischsterben war verheerend für die Yurok und ihre kommerzielle Fischerei. Der Stamm war zu drastischen Maßnahmen gezwungen, um sicherzugehen, dass in Zukunft genug Wasser im Fluss blieb. Hierzu gehörte eine Vereinbarung mit Farmern in Oregon und Kalifornien, Dämme stromaufwärts zu entfernen, sodass mehr Wasser in den Klamath floss. Und ein Marihuanaverbot.

Im Februar 2014, vor dem Höhepunkt der aktuellen Dürre, verabschiedete der Stammesrat der Yurok ein Gesetz, um eine Null-Toleranz-Haltung durchzusetzen. Grasbauern konnte mit Bußgeldern und Beschlagnahme von Besitz gedroht werden. Laut Fletcher hat der Rat dem Gesetz zugestimmt, weil er eingesehen habe, dass das Anbaugewerbe sich geändert hat. „Es hat nichts mit medizinischer Nutzung zu tun", sagte mir Fletcher. „Und auch nicht mit Privatgebrauch. Es ist eine Industrie, und zwar eine, die außer Kontrolle ist." Andere Ratsmitglieder teilten diese Ansicht. Nur eine Rätin, Mindy Natt (eine Enkelin von Noble Niles), enthielt sich bei der Wahl, da sie erkannte, dass Familien wie ihre eigene sich angesichts Arbeitslosigkeitsraten von bis zu 80 Prozent auf das Gras verlassen. Doch selbst sie hatte Verständnis für die Haltung des Rats, dass „es einige große Unternehmer gibt, die nicht aus der Gegend sind, und wir wollen sie raushaben". Sie fügte hinzu: „Unsere Fische sind im Moment wichtiger als Marihuana."

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Der Stamm hatte nicht die Mittel, das Gesetz selbst durchzusetzen, und kämpfte zuerst damit, bei bundesstaatlichen und staatlichen Behörden Unterstützung zu finden. Angeblich teilte das Büro des U.S. Attorney Fletcher mit, es werde keine Grasbauern verfolgen, die weniger als 1.000 Pflanzen haben. Im April 2014, nur drei Monate nachdem Gouverneur Jerry Brown aufgrund der sich verschlimmernden Dürre für ganz Kalifornien den Notstand ausgerufen hatte, flehte der Stamm den Staat an, ihm zu helfen, die Grower des Reservats zu verweisen. Brown rief die kalifornische Nationalgarde zum Einschreiten auf. In jenem Juli führten die Garde, das Polizeirevier des Sheriffs von Humboldt County, das Bureau of Indian Affairs und die Stammespolizei gemeinsam Razzien auf 43 Anbauflächen durch und zerstörten mehr als 15.000 Pflanzen. Die Zahlen waren klein im Verhältnis zu den Dimensionen, die das Gewerbe auf dem Reservat angenommen hatte, doch der Erfolg ermutigte die Stammesbehörden. Die Yurok-Rätin und Ehefrau des Polizeichefs, Susan Masten, verkündete: „Wir werden uns nächstes Jahr wieder die Grasbauern vornehmen, und im Jahr darauf, bis sie aufgehört haben, Wasser aus dem Klamath zu stehlen."

Yurok-Stammesrat Thomas Wilson steuert sein Boot auf dem Trinity River, gleich oberhalb seines Zusammenflusses mit dem Klamath. Beide Flüsse sind von der kalifornischen Dürre betroffen.

Wen auch immer man im Reservat fragt, die größten Grower dort sind zweifellos die Littlefields. Sylvia Littlefield, ein Mitglied der Yurok, bis sie letztes Jahr im Protest gegen das Marihuanaverbot den Stamm verließ, und ihr Mann Roscoe sind inzwischen beide über 80. Ihr Sohn Timothy, noch immer Yurok-Mitglied, betreibt mutmaßlich das Familienunternehmen. Niemand—nicht einmal die Beamten, die bereits Razzien bei der Familie durchgeführt hatten—wusste, wie viele Pflanzen die Littlefields hatten, doch die meisten schätzten, es seien viele Tausende. Die bloße Erwähnung ihres Namens rief bei den Einheimischen eine Mischung aus Gelächter, Angst und Neid hervor. „Zieh' dir Stiefel an, denn die Scheiße wird tief", sagte eine Frau, als ich nach Roscoe fragte. Man sagte mir, ich solle mich Timothy niemals nähern, denn „er wird schießen". Die Leute erzählten Geschichten über den Reichtum der Familie, über ihre Häuser und Swimmingpools und Flachbildfernseher und ihren Auftritt in einer Folge der TV-Serie Pot Cops vor zwei Jahren. Ich hatte die Episode gesehen und Timothy, ein exzentrischer Einsiedler, dessen „Medizin" von Polizisten zerhackt wurde, hatte mir zugegebenermaßen ein wenig leidgetan. Andere teilten mein Mitleid nicht. Laut ihren Kritikern verkörperten die Littlefields alles, was mit dem Marihuana schiefgelaufen war: ein Familienunternehmen, das zur Industrie geworden war, vom Überleben zum Exzess. „Sie haben es zu weit getrieben", hörte ich mehr als einmal.

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Eines Morgens bat ich in Pearsons Laden um Timothys Nummer und rief an. Er klang in Eile aber fröhlich. Ob ich ihn bei Pot Cops gesehen hätte? „Oh, gut!", rief er, als ich dies bejahte. „Ich zeige dir meine Pflanzen. Ich habe wunderschöne Pflanzen."

Die Straße den Berg hinauf wand sich wie ein Korkenzieher. Hoch über dem Fluss fand ich ein angelehntes Tor, das den Weg zu einer runtergekommenen Hütte freigab. Sie stand auf einer Terrasse über zwei gelben Schulbussen. Ein Hund kam bellend herausgerannt, gefolgt von Timothy, einem Mann in den Sechzigern, mit einem weißen Bart und einer getönten runden Brille. Er trug von Kopf bis Fuß Tarnkleidung. Sein Hemd war in den engen Gürtel gesteckt und in seiner Brusttasche steckte eine Dose Mountain Dew. „Willst du etwas Schönes sehen?", fragte er. Ich folgte ihm zu einem Treibhaus auf einer oberen Terrasse. Ein Ventilator summte. Der Hund erleichterte sich. Timothy zog die Plastikplanen zurück und atmete ein. Ein Geruch von Fruchtbarkeit schlug uns entgegen. „Gefällt dir das?", fragte er. Ich musste einen Schritt zurücksetzen, um einzuatmen. Ich sah Timothy an. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der so selbstzufrieden aussah.

Ich wunderte mich inzwischen über seinen Eifer. Warum zeigte er seine Pflanzen einer Fremden? Er war nicht so verrückt, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, oder vielleicht kam mir sein Wahnsinn einfach nicht echt vor. Als ich zum Beispiel fragte, warum der Stamm seiner Meinung nach Marihuana verboten habe, sagte er zuerst: „Sie sind Kommunisten." Doch dann fügte er hinzu, der Stamm wolle verhindern, dass Grower die Grundstückspreise in die Höhe treiben, da er das an weiße Siedler verlorene Land zurückkaufen wolle. Das klang nach einer vernünftigen Erklärung, wie sie der Stamm selbst vielleicht anbieten würde. („Nicht wirklich", sagte Fletcher später, als ich ihn darauf ansprach.) Ich fragte mich, ob Timothys Exzentrizität eine Maske für seinen wirklichen Geschäftssinn darstellte, so wie seine Ansammlung von halb verfallenen Holzschuppen seinen Reichtum versteckte. Ja, genau: Wo war all das Geld hin? Wo waren die Fernseher und Swimmingpools?

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Als wir mit den Terrassen fertig waren, führte mich Timothy über einen Hügel zum Haus seiner Eltern. Es war dunkel und eng, mit Familienfotos an den Wänden und auf den Regalen und einem mit Medikamenten übersäten Couchtisch. Sylvia aß im Wohnzimmer Müsli mit Milch und Beeren. Sie wirkte adrett in Pulli, Jeans und sauberen Turnschuhen. Roscoe hingegen sah krank aus. Er kam mit einer Gehhilfe aus dem Schlafzimmer; ein paar statisch aufgeladene weiße Haarbüschel standen von seinem Kopf ab. Die meiste Zeit redete Sylvia.

Ihr Mann war Sohn einer Rancher-Familie aus Oklahoma, die zur Zeit der großen Staubstürme in den 1930ern nach Bakersfield, Kalifornien, geflohen war. Sylvia selbst stammte von dem Reservat. Nachdem sie und Roscoe in den 50ern geheiratet hatten, versuchten sie sich das erste Mal dort niederzulassen, doch sie kamen nur schwer über die Runden und zogen bald zu den Ölfeldern Alaskas. In den 70ern kehrten sie zum Reservat zurück, um dort Rinder und Schweine zu halten. Etwa zur selben Zeit hatten sie bei einer Party am Fluss ihre erste Begegnung mit Marihuana. „Wir wussten nur, was man uns gesagt hatte", erinnerte sich Sylvia. „Nämlich, dass Marihuana schlecht sei. Ich habe kaum jemandem in die Augen sehen können, so fehl am Platz fühlte ich mich." Sie trauten sich nicht, den Kuchen zu essen, doch als es spät wurde, fiel Sylvia auf, wie ruhig die Party war. „Wir waren an einem steilen Hang, und sie haben sich auf ihren Jacken zurückgelehnt, als hätten sie Polstersessel. Ich werde es nie vergessen. Ich sehe sie immer noch vor mir, wie sie alle ganz entspannt Spaß haben. Eine der besten Partys, auf denen ich je gewesen bin."

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Roscoe sprach die Gastgeberin auf den Grasanbau an. Sie schlug vor, er solle es mit 40 Pflanzen probieren; er pflanzte 400 an. Als die Polizei in jenem Sommer 1978 eine Razzia bei ihm durchführte, hielt die Gemeinde zu den Beamten. „Die Leute sagten: ‚Schämt euch. Ihr habt zu viel angebaut'", sagte Sylvia. „Wenn wir nur 40 angepflanzt hätten, dann hätte die Polizei uns in Ruhe gelassen, aber Roscoe war überambitioniert."

Im Laufe der Zeit wurde ihre Operation sogar noch größer, doch Einzelheiten darüber wollten weder Timothy noch seine Eltern besprechen. Als ich fragte, wie viele Pflanzen Timothy habe, antwortete er ohne zu zögern: „Neunundneunzig." (Humboldt County erlaubt jedem Grower bis zu 99 Pflanzen im Jahr, entweder für den Eigenkonsum oder Konsum durch einen weiteren Inhaber einer Lizenz für medizinisches Marihuana, der sich in der Pflege des Growers befindet.) Das war, nachdem ich das Treibhaus, die Terrassen und die zwei Schulbusse mit Pflanzenlichtern gesehen hatte, die allesamt schon mehrere Hundert Pflanzen enthalten mussten. (Timothy behauptete später, alle Pflanzen auf seinem Grundstück außer den erlaubten 99 Marihuanapflanzen seien eigentlich Tabak.) Als ich Timothy fragte, wie er sein Gras verkaufe, bestand er darauf, es nur für sich, seine Familie und Mitarbeiter mit Lizenz anzubauen. Ich fragte Sylvia, wer die Käufer seien, und sie sagte: „Ich weiß es nicht. Wir hatten Leute im ganzen Land!" Einige Jahre lang, sagte sie, sei ein Mann in einem Flugzeug aus Ukiah in Mendocino County gekommen, und sie hätten ihm die Ernte per Truck gebracht. Sylvia hielt inne, nachdem sie dies erwähnt hatte. „Ich will mich nicht selbst belasten", sagte sie.

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Ich fragte Sylvia, warum der Stamm ihrer Meinung nach Gras verboten habe, und sie erklärte, 1988 habe sich alles geändert, als es dem Stamm erlaubt wurde, eine eigene Regierung zu bilden. „Es stieg ihnen zu Kopf", sagte sie über den Stammesrat. „Sie sind militant gegen ihre eigenen Leute geworden." Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon von anderen Mitgliedern Kritik an der Strategie der Yurok gehört, doch niemand war so eifrig in seiner Kritik wie die Littlefields. Sie glaubten, das Verbot sei ein kalkuliertes Manöver, um dafür zu sorgen, dass die Menschen arm und auf die Regierung angewiesen blieben. Wasser erwähnten sie kaum. „Das Wasser?", wiederholte Sylvia auf meine Frage hin. „Oh, ich weiß nicht. Wir scheinen einen endlosen Vorrat zu haben."

Mitte Juni wohnte ich einer Versammlung im hellen, luftigen Stammesbüro bei. Es lag im Ort Klamath, wo der Fluss auf den Pazifik trifft, 35 Kilometer nördlich von Weitchpec.

Funktionäre und Forscher des Stamms diskutierten, ob Trinkwasser rationiert oder die Wassertanks der Gemeinde geleert werden sollten. Die erste Option, so schlossen sie, sei nicht gut; Rationierung würde bedeuten, der Stamm müsse jeden Tag die Tanks ein- und ausschalten, wofür es an Personal mangelte, und die häufigen Druckwechsel könnten dazu führen, dass der Inhalt der Rohre in die Tanks zurückfloss und damit eventuell den gesamten Vorrat kontaminierte. Also wählten sie die zweite Option. Sie fragten sich, ob das Wasser noch reichen würde, bis ein paar Wochen später eine neue Reihe von Marihuanarazzien durchgeführt würde. Ein Mann schlug vor, in der Zwischenzeit die Bäche abzulaufen und die Leitungen der illegalen Grower zu beseitigen. „Sicher, dass das eine gute Idee ist?", fragte Dara Zimmerman, Wasserbauingenieurin beim Indian Health Service.

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„Wir können euch nicht in den Wald schicken, wo diese Leute mit ihren Waffen warten", versicherte Dean Baker, der Direktor für öffentliche Bauvorhaben der Yurok, dem Team. „So etwas ist nicht Teil eurer Aufgaben."

Ein Helikopter transportiert Marihuana, das bei den Razzien im Reservat konfisziert wurde.

Nach der Versammlung traf ich mich mit Fletcher in seinem Büro. Er trug T-Shirt und Stoffhose und wirkte wie ein überaus nüchterner und entschlossener Mann. Er sagte mir, die Dürre sei zwar ein Hauptgrund für das Marihuanaverbot, doch die Auswirkungen der Industrie auf die Stammeskultur seien mindestens genauso ausschlaggebend. „Es herrscht Angst", sagte er. „Leute, die im Wald einfach nur Eicheln und Korbmaterial sammeln oder zeremonielle Stätten besuchen wollten, wurden schon von schwer bewaffneten Personen angesprochen und verfolgt."

Ich konnte mir schlecht vorstellen, wie die harmlos wirkenden Littlefields ihre Stammesbrüder und -schwestern mit Waffen bedrohten, doch Sylvia belehrte mich eines Besseren. „Roscoe und ich sind in einem Alter, wo Leute wissen, dass wir ihnen nicht wehtun können", sagte sie. „Aber unsere Familie könnte." Bei anderen Grasbauern saß der Finger lockerer am Abzug. Carlton Gibbens, der oft über die Hügelketten über dem Klamath fuhr, hatte mir erzählt, wie er einmal eine Abkürzung durch das Land eines Freundes genommen hatte. Als er Warnschüsse hörte, wurde ihm klar, dass sein Freund das Land verpachtet hatte. „Man kann sich in den Wäldern hier nicht mehr so frei bewegen wie früher", hatte Gibbens gesagt.

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Der erste Sommer der Razzien war nicht so effektiv gewesen, wie Fletcher gehofft hatte. Kurz zuvor hatten die Behörden bereits von Razzien betroffene Grundstücke überflogen und genauso dichten Pflanzenbewuchs festgestellt wie in den Vorjahren. Entweder hatten die Grasbauern die Razzien nicht ernst genommen, oder sie hatten ihr Land an neue Grower weitergegeben, die vielleicht nichts von dem Verbot wussten. Es gab auch neue Lichtungen und Straßen und Anzeichen dafür, dass Grasbauern unterirdisch bauten. Fletcher ließ sich davon jedoch nicht beirren. Er sagte, der Stamm würde so lange Razzien durchführen, bis die Grower aufhörten anzubauen, oder bis sie wegzögen. Ansonsten würden sie große Bußgelder ansammeln und die Beschlagnahme ihres Grundstücks riskieren.

Ich fragte Fletcher, ob der Stamm Prioritäten im Hinblick auf die Art der Grasbauern habe, auf die er abziele. „Die Strategie ist, alles mitzunehmen, was wir nur können", sagte er. Immerhin sei es ein Null-Toleranz-Gesetz. „Es ist ja nicht so, als wären unsere Mitglieder nicht darin verstrickt", gab er zu. „Manche von ihnen sind involviert, und wenn sie erwischt werden, dann müssen sie die Konsequenzen tragen. Aber letzten Endes wiegen die Auswirkungen auf Umwelt und Kultur schwerer als ein paar wirtschaftliche Möglichkeiten. Außerdem entsteht durch diese Aktivitäten ein allgemeines Gefühl der Gesetzlosigkeit. Die Leute sagen, Marihuana sei nicht wie Meth oder Heroin—das ist wahr, aber diese Drogen gibt es oft dort, wo es Marihuana gibt." (Stammesmitglieder erzählten mir, Marihuana sei in dem Reservat so etwas wie eine Währung geworden, die gegen härtere Drogen getauscht werde.) „Wir haben genug gesellschaftliche Hürden", fuhr er fort. „Und diese gesunden Aktivitäten wie Fischen und Eicheln sammeln, die Menschen helfen, sich selbst zu finden, und die unsere Werte an Kinder und Enkel weitergeben—wenn die betroffen sind, dann ist der Schaden größer, weil unsere Gemeinschaft schon seit Generation so viel erleiden muss."

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Bei unserer Unterhaltung fiel mir auf, dass Fletcher eine gewisse Phrase immer wieder benutzte. Marihuana, sagte er, sei „eine Bedrohung der Gesundheit und des Wohlergehens dieser Gemeinde". Ich vermutete, dass er das tat, weil der Stamm sich gesetzlich auf dünnem Eis bewegt. Das meiste Land, das für den Grasanbau genutzt wird, gehört zwar geografisch zum Reservat, befindet sich allerdings in Privatbesitz. Der Stamm kann die Nutzung dieser Grundstücke also nicht regulieren. Außer, wie ein Urteil des Obersten Gerichtshofs von 1981, Montana v. United States, besagt, „das Verhalten gefährdet (…) die Gesundheit und das Wohlergehen des Stamms oder hat sonstige direkte Auswirkungen darauf."

Es hat sich bisher kein nennenswerter Widerstand gegen den Stamm geregt. Viele Grower pflanzen ohnehin mehr als erlaubt, und das Klandestine haftet dem Gewerbe noch immer an, doch die wenigen kritischen Stimmen haben alle die „Montana-Ausnahme" angegriffen. Vor Kurzem erst erhielt das Stammesgericht einen Brief, in dem dieser Fall zitiert war. Er kam von einer anonymen Organisation von Grasbauern, die nicht Ureinwohner waren und die in der als Iron Gate bekannten Gegend des Reservats lebten. Vor den Razzien „war Iron Gate ein großes Rätsel", sagte mir Leonard Masten, der Polizeichef der Yurok, denn die Bewohner ließen das Tor nie offen.

Ich fand mich eines Tages durch Zufall dort wieder. Terray Sylvester, der Fotograf, mit dem ich reiste, hatte einen jungen weißen Mann kennengelernt, der uns zu sich eingeladen hatte. Wir sollten ihn „am Eisentor" treffen. Also warteten wir eines Nachmittags an dem schlichten braunen Tor, bis er in einer Staubwolke auf einem Quad ankam.

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Er hieß C. J. und er hatte für uns ein Treffen mit Stormy Menning arrangiert, der zufällig der Absender des Briefs war. Menning wohnte ein gutes Stück den Berg hinauf, in einem rustikalen, zweistöckigen Haus. Er ließ sich 1979 in Iron Gate nieder, um als Holzfäller zu arbeiten, nachdem er mit einer schlimmen posttraumatischen Belastungsstörung aus Vietnam zurückgekehrt war. Jahre später kaufte er Land. Er zog drei Kinder groß, die heute erwachsen sind, doch mir wurde klar, dass er für mehrere junge Grower eine Vaterfigur darstellte, darunter C. J., der seit fast zehn Jahren auf dem Berg lebte. C. J. war von seinem Cousin Tommy rekrutiert worden, der wiederum ein Freund von Mennings Sohn war. Dann beging Tommy Selbstmord—er war kurz zuvor aus dem Irak zurückgekehrt—und Mennings Sohn hielt es nicht aus zu bleiben. Heute leben auf dem Berg nur Menning, C. J. und dessen Freundin sowie noch ein paar andere verstreute Grasbauern.

Menning zeigte uns einen schwarzen Aktenkoffer, in dem sich eine neunseitige Analyse des Verbots befand, vermutlich von jemandem verfasst, der Expertenwissen zu Ureinwohnergesetzen hatte. Nach seiner Razzia am 29. Juli 2014 fand er sein Haus fast unberührt vor, was er seiner Stellung in der Gemeinschaft zuschreibt, denn er ist Arbeitgeber vieler Stammesmitglieder. Doch seine 37 Pflanzen waren zerstört. „Nach der Razzia", erinnert er sich, „hörte ich nichts. Ich schickte ein paar Briefe, in denen ich fragte, was der Stamm auf meinem Land macht, doch ich erhielt nie eine Antwort." In jenem Oktober besuchte Menning die Versammlung des County-Rats von Humboldt County, wo der Stamm die Razzien besprechen wollte. „Der CEO wurde so wütend, dass er mir sogar drohte: ‚Verlassen Sie sich darauf, dass wir nächstes Jahr wiederkommen.'" (Laut den Videoaufnahmen waren Fletchers genaue Worte: „Es ist mir egal, wie viele Leute angeblich ordnungsgemäß Marihuana für medizinische Zwecke anbauen … Wir werden weiter bei diesem Herren vorbeisehen, wenn er weiter anbaut.")

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Ein paar Dinge verwirrten mich an Mennings Geschichte, zum Beispiel seine Behauptung, er habe nur 37 Pflanzen, dafür aber viele Angestellte gehabt. Als ich ihn auf Wasser ansprach, erklärte er wortreich, seines käme aus einer Quelle, doch er leite den Rest in den Fluss, also entrichte er „Spenden an die Fische". Doch ich konnte auch seinen Frust verstehen. Er hatte 30 Jahre lang ungestört auf dem Berg gelebt und nahm auch die großen Grower nicht in Schutz. „Sie kommen nur hierher, um im Sommer das Land auszubeuten", erklärte er. „Die sind es, die uns hier alles vermiesen." Es war dasselbe Argument, das ich schon von vielen Yurok gehört hatte: gute Grower gegen schlechte. Menning fand, der Stamm solle es dem County überlassen, die Cannabisgesetze durchzusetzen und die Großbauern loszuwerden. Das Problem ist, wie Fletcher bereits bei der Ratsversammlung betonte, dass das County selbst außerhalb des Reservats nicht die Mittel dazu hat. „Wenn es heißt, Marihuana ließe sich verantwortlich anbauen", sagte Fletcher, „dann fragen wir, wer das durchsetzen soll."

Bevor wir Iron Gate verließen, hielten wir bei C. J. Er wartete in einem Sperrholzhäuschen, das er als das „Klubhaus" bezeichnete. Es lief fröhlicher Punkrock. Es gab Sofas, eine Bar und eine Fotowand. C. J. hantierte hinter der Bar, während ich die Fotos studierte. Die meisten Leute waren in ihren Zwanzigern und sahen aus, als hätten sie eine Menge Spaß.

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Einige Stunden später machten wir uns auf zum Tor. C. J. rannte johlend voraus, die Arme ausgebreitet. Ich dachte über Krieg, Drogen, Dürre, geraubtes Land und verlorene Existenzen nach, und mir wurde klar, dass auf diesem Berg so viel Unrecht zusammenkam, dass man ohne das Wasserproblem schwer hätte sagen können, wer denn nun recht hatte. C. J. ließ uns durch das Tor und sagte: „Sorgt dafür, dass diese Ureinwohner wissen, mit wem sie es verdammt noch mal zu tun haben."

C. J. am Eingang zu Iron Gate

An einem kühlen Dienstagmorgen im Juli traf ich bei der Feuerwehr von Tulley Creek, nordwestlich von Weitchpec, ein, um den Razzien beizuwohnen. Etwa 60 Nationalgardisten, Hilfssheriffs des Countys und Stammespolizisten schlürften Kaffee und aßen frittiertes Brot an Klapptischen—eine festliche Zusammenkunft trotz der Waffen und schusssicheren Westen. Die Razzien hatten am Vortag in Mitchell Hill angefangen. Unter den ersten Zielen war Edward Mays gewesen, das Stammesmitglied, dem ich mit Carlton Gibbens begegnet war. Hinter seinem Haus, so ein Beamter, hätten sie ein Feld aus frisch geschnittenen Cannabisstümpfen gefunden, die Buds hätten zum Trocknen im Wald gehangen. Es war mit ein paar Hundert Pflanzen nur eine kleine Operation gewesen—bei einem weiteren Ziel in der Nähe der Spitze des Bergs hatten die Beamten 10.000 Pflanzen zerstört.

Um 8 Uhr versammelte sich unser Konvoi und fuhr nach Süden auf einen bewaldeten Bergrücken zu. Es gab 14 Fahrzeuge; ich fuhr mit den Beamten des Umweltamts. Die Orte, die wir besuchen würden, befanden sich am Rand des Yurok-Territoriums, zwischen dem Reservat und dem National Forest, also übernahmen County-Behörden die Führung. Wenn ein Tor verschlossen war, schweißten sie es durch. Auf dem Bergrücken hielten wir plötzlich: Grower hatten einen breiten Graben ausgehoben, um uns aufzuhalten. Der Morgen war dunkel und Nebel bewegte sich geisterhaft zwischen den Bäumen. Die Beamten standen schweigend am Rand des Grabens, und dann kletterte einer hinein und stellte fest, dass dieser doppelt so tief war wie er selbst groß. Dahinter gab es einen zweiten Graben, und dahinter einen dritten, beide so tief wie der erste. Wir warteten—ich wusste nicht, auf was—und dann bahnten sich die Männer im Gänsemarsch einen Weg durch das Unterholz abseits der Gräben und liefen zu Fuß weiter.

Die Operation war die eindrucksvollste, die ich je gesehen hatte. Es gab neun Reihen, perfekt unterteilt, jede mit Plastikrohren, Draht und Lichtern ausgestattet. Insgesamt waren es 5.000 Pflanzen. Niemand war vor Ort, doch in einem kleinen Lager fanden die Beamten eine warme Kanne Kaffee und nasse Handtücher auf einer Wäscheleine. Das Bewässerungssystem war herausgezogen worden, doch ein Biologe, Scott Bauer, entdeckte ein Rohr im Laub. Dieses führte zu einem Wassertank, dann zu einem kleinen Bach, der zu einem Teich angestaut worden war. Weiter den Bergrücken hinauf fand Bauer, wonach er gesucht hatte: das Quellgebiet des Miners Creek, eines Hauptzuflusses des Klamath, und schwarze Rohre, nicht dicker als sein Unterarm, die seiner Schätzung nach ein Fünftel des Stroms abzweigten. „Das mag nicht nach viel aussehen", sagte er mir später, „aber wenn du den Bach entlangläufst, dann ist da ein Rohr nach dem anderen für Gras. Bei dem Anblick weißt du sofort, warum es hier kein Wasser mehr gibt."

Erst am dritten Tag kamen wir an einen mir vertrauten Ort. An jenem Morgen hörte ich, wie ein Beamter fragte, ob wir einen Grabenbagger bräuchten. „Fahren wir bei Littlefields vorbei?", fragte der Kommandant. In der Tat. „Dann packen wir mal die Kettensägen aus."

Im vorigen Sommer hatten die Littlefields Bäume über die Straße gefällt, um die Razzien aufzuhalten (Timothy behauptete, er habe nur „Holz geschlagen"), doch dieses Jahr war zur Überraschung der Beamten der Weg frei. Ich fuhr mit dem Yurok-Polizeichef Leonard Masten, der das Ganze mit einer Mischung aus Genugtuung und Verwirrung zu betrachten schien. „Die gehören zu den Leuten, denen es einfach egal ist", sagte er, als wir an Timothys Hütte ankamen. Das Tor stand offen und ein mir unbekannter junger Mann stand Wache, doch wir fuhren weiter die Straße hinauf.

Stattdessen hielten wir bei einem neuen Grower namens James Looney. Ein paar Tage zuvor hatte Timothy Looney vorgeschlagen, mich herumzuführen, was er nur zu gern tat. Er war in den Dreißigern, groß und breitschultrig, mit einer tiefen Stimme und tätowierten Armen. Er sei aus Stockton, hatte er gesagt, „der Mordhauptstadt Kaliforniens", und er wäre „wahrscheinlich in den Knast gewandert", wenn ihm nicht ein Freund von dem zu verpachtenden Grundstück auf dem Berg erzählt hätte. Das war drei Jahre zuvor gewesen. Looney hatte seitdem relativ erfolgreich Ärger gemieden, denn im Vorjahr hatte der Stamm bei ihm keine Razzia durchgeführt. „Es war irgendwie peinlich. Ich hatte die kleinsten Pflanzen auf dem Berg", sagte er mir und gab zu, ein schlechter Grower zu sein. Nicht wie Timothy, den er „den verdammten Paten des Weeds" nannte. Doch bei meiner Führung über seine Felder hatte ich große, gesunde Pflanzen gesehen; er hatte sich gebessert.

Mein Blick traf kurz Looneys, als er und sein Geschäftspartner vom Nachbarstamm der Hupa abgeführt wurden, doch er sah weg. Die Razzia war blitzschnell vorüber. Ich beobachtete von einer höheren Terrasse, wie die Männer das Gewächshaus in unter einer Minute ausräumten. Dann folgte ich einem Umweltbeamten zu einem unauffällig im Wald versteckten Wassertank.

Looney hatte mir seinen Tank gezeigt. „Das Wasser hier ist gut, direkt aus dem Berg", hatte er gesagt. Daran musste ich später denken, als mir eine ältere Yurok von der Quelle erzählte, von der ihre Familie früher immer trank. Sie nannten sie „Tante Daisys Trinkquelle", denn die Tante hatte aus einem Bambusrohr einen Trog gemacht und ihn unter dem Quell auf die Steine gestellt. Das Wasser war so kalt, dass auf Gefäßen sofort Kondenswasser perlte.

An Looneys Tank war auch Kondenswasser gewesen. „Fühlst du das?", hatte er gefragt und seine Hand hineingetaucht. Dann hatte er sich hingekniet, eine Klemme von einem kleinen Schlauch entfernt und getrunken.

Gesetzeshü­ter schneiden Marihuana­pflanzen auf James Looneys Grundstück.

Insgesamt waren bei den Razzien 55.000 Pflanzen zerstört worden. Eine Razzia war so groß und das Grundstück so entlegen gewesen, dass die Beamten sich von einem Hubschrauber abseilen mussten. „Das sind die Littlefields", war sich Masten sicher. Er meinte, die Razzien des Vorjahrs hätten sie mutig werden lassen und nun würden sie weiter außerhalb anbauen. Doch als ich Timothy fragte, bestand er darauf, die Anbaufläche gehöre ihm nicht. Das Ausmaß der Aufgabe der Yurok erinnerte mich an etwas, das ein örtlicher Drogenpolizist gesagt hatte, als ich gefragt hatte, ob die Razzien seiner Meinung nach einen Unterschied machen würden: „In Iowa kriegen die Krähen etwas vom Mais ab. Wir sind die Krähen."

Wenn es das einzige Ziel des Stamms war, dass der Klamath wieder mehr Wasser führt, war er erfolgreich. Zuflüsse, die früher dieses Jahr gestaut waren, fließen wieder und der Sommer verlief ohne Fischsterben. Am Ende hatte ich jedoch den Eindruck, der Kreuzzug der Yurok habe nichts mit Fischen, Land oder Wasser zu tun, sondern vielmehr mit der Zukunft des Stamms. Der Stammesrat Thomas Wilson hatte dieses Argument zu Anfang meines Besuchs vorgebracht. Er sagte, er sei zehn Jahre lang der Partner von Noble Niles gewesen. Nun sei sein Sohn Grower. Es belastete Wilson, dass seine Kinder durch das Aufwachsen im Reservat Wohlstand mit Marihuana assoziierten. „Mein Sohn glaubt, er wird in der Grasszene groß rauskommen", sagte Wilson. „Die Jungen freuen sich, dass sie 20 Dollar die Stunde bekommen. Ich sage ihnen: ‚Sie nutzen dich und deine Arbeitskraft und du kriegst nur 20 die Stunde?'" Vielleicht waren die Razzien auch das Ergebnis eines Wunschs nach einem Neuanfang, einem Reservat ohne Gras.

An meinem letzten Tag im Reservat traf ich James Looney auf dem Parkplatz von Pearson's. Er sagte, er habe ein paar Stunden im County-Gefängnis verbracht, bevor man ihn ohne Kaution freigelassen habe. Ich beteuerte, dass ich ihn nicht verraten hatte. „Als Erstes dachte ich, Littlefield hat mich reingelegt", gab er zu, „denn sein Zeug haben sie nicht angerührt." Doch er versicherte mir: „Alles gut. Ich habe immer noch 400 Pflanzen." Dann entschuldigte er sich, denn er habe noch zu tun, und fuhr wieder auf den Berg.

Zusätzliche Berichterstattung von Terray Sylvester.