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(Halb-)Legale Räusche: Modafinil

Eine Droge, die hauptsächlich von Bomberpiloten, Lastwagenfahrern, Narkolepsie-Patienten und schmierigen Silicon Valley-Typen genommen wird.
Foto von VICE Media

Die schlimmste Droge unserer Zeit ist ja für viele anhaltende Nüchternheit. Weil aber soziale Ächtung, Beschaffungskriminalität und komplette Abhängigkeit fast genauso schlimm sind, haben wir in unseren rauschverliebten Jugendtagen alle das eine oder andere Mal zu (halb-)legalen Alternativen gegriffen. Deshalb packen wir ab heute die schwammigsten und schönsten Erinnerungen an unsere „Barely Legal Highs" aus-also zu Räuschen, die zumindest zu der jeweiligen Zeit oder in der jeweiligen Gegend legal waren. Heute: Modafinil.

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Es gibt Drogen, an denen klebt Blut. Es gibt Drogen, die lassen dich glauben, du würdest von Aliens seziert. Es gibt Drogen, die machen Spass—und es gibt Drogen, die keinen Spass machen sollen.

Ein zuverlässiges Zeichen dafür, dass eine Droge keinen Spass machen soll, ist es, wenn sie hauptsächlich von Bomberpiloten, Lastwagenfahrern, Narkolepsie-Patienten und schmierigen Silicon Valley-Typen genommen wird. Dave Aspery gehört zur letzteren Gruppe. In einem Artikel spricht er sich dafür aus, dass alle Modafinil schlucken sollen, weil man dadurch nicht nur viel mehr Arbeit erledigen kann, sondern auch zum Übermenschen wird. Nicht umsonst war Modafinil das Vorbild für den Transhumanistenporno Limitless.

Als ich Asperys Artikel las, hatte ich gerade mit dem Studium angefangen und noch die Illusion, dass das Studieren aus mir ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft machen würde. Ich las nicht nur die Pflicht-, sondern auch die Zusatzlektüren. Ja, so war ich.

Modafinil ist in der Schweiz rezeptpflichtig und ich hätte meinen Hausarzt kaum davon überzeugen können, dass ich dauernd grundlos einschlafe. Also machte ich es so, wie es alle machen: Ich bestellte mir ein paar Tabletten auf einer indischen Webseite.

Zwei Wochen später lag ein schmuddeliges Paket in meinem Briefkasten. Ich kam mir vor wie ein Kleinkind, das zum ersten Mal Süssigkeiten stiehlt.

Foto von Thierry Ehrmann; Flickr; CC BY 2.0

Ich schluckte eine ganze Tablette—die maximale empfohlene Dosis—und schrieb mir auf eine Liste, was ich alles erledigen wollte. Die Liste war sehr lang. Immerhin sollte die Substanz gute 16 Stunden im Blut bleiben.

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Modafinil wirkt erstaunlich schnell. Zurück in der Küche, machte ich mir ein paar Spiegeleier mit Speck und Kaffee. Aber als ich dann essen wollte, merkte ich, wie sehr mich mein Frühstück anwiderte. Essen, dachte ich, total ineffizient. Kostet nur wertvolle Lebenszeit. Schliesslich nahm ich doch ein paar Bissen. Es fühlte sich an, als würde ich auf ungewaschenen Socken herumkauen.

Auf dem Weg zur Uni merkte ich, dass ich die Welt wie durch einen Tunnel wahrnahm. Alles wurde zu einem Rauschen. Mein einziges Lebensziel war es, den Hörsaal zu erreichen. Der Kaffee machte mich noch nervöser. Die Leute auf der Strasse gingen mir auf die Nerven. Weshalb versperrten sie mir den Weg?

Während der Vorlesung fühlte ich mich wie ein Computer, dem jemand einen neuen Prozessor eingebaut hatte. Ich verstand jedes Wort des Dozenten. Dabei wusste der vermutlich nicht einmal selbst, was er da erzählte. Ich hämmerte mit steigender Geschwindigkeit Notizen in meinen Laptop. Die Leute neben mir schauten mir—so hatte ich das Gefühl—mitleidig zu, aber das war mir egal.

Foto von Geoff Greer; Flickr; CC BY-SA 2.0

Nach der Vorlesung verzog ich mich gleich in die Bibliothek, um meine Pflichtlektüre für die nächsten paar Wochen durchzuackern. Ich glaube, es war Immanuel Kant. Endlich hatte ich das Gefühl, zu verstehen, was er hatte sagen wollen. Da fiel mir ein, dass ich mich mit einer Kommilitonin zu Kaffee am Rhein verabredet hatte. Hastig würgte ich in der Mensa ein Joghurt runter und rannte durch die Altstadt. Dabei kam ich mir vor wie ein gigantischer schwebender Kopf. Der Rest meines Körpers war bloss eine Maschine, die dem Kopf gehorchen musste.

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Meine Kommilitonin sass bereits am Rheinufer, zwei Kaffeebecher neben sich. Ich grinste sie und begann, mit ihr zu flirten, bzw. das zu tun, was man unter Modafinileinfluss dafür hält. Der Kaffee machte alles noch schlimmer. Ich redete immer schneller, im Tonfall eines Tatort-Kommissars beim Verhör. Ihr Lächeln war schon lange verschwunden. Plötzlich verspürte ich den Drang, ihre Nase anzustarren. Ich erklärte ihr, dass mir alles so vorkomme, wie wenn bei einem YouTube-Video die Auflösung erhöht worden wäre. Darum könne ich auch sehen, dass sie ihr Make-Up schludrig aufgetragen hat. Sie meinte, sie müsse nun gehen. Das war mir egal. Ich war schon wieder in der Bibliothek. Meine Konzentration lasergleich. Trotzdem war da ein Schwindelgefühl im Kopf und ein dumpfer Schmerz im Rücken.

Foto von VICE Media

Am Abend fand im Studentenheim, in das ich grade frisch eingezogen war, eine grosse Party statt. Da musste ich hin! Ich torkelte den ganzen Abend von Person zu Person und redete alle zu, als wäre ich auf einem Networkingevent für HSG-Absolventen. Dabei muss ich Unmengen getrunken haben, ohne es zu merken, denn auf Modafinil spürt man die Wirkung des Alkohols nicht richtig. Ich verlor zwar alle Hemmungen, drückte mich aber weiterhin so eloquent aus wie Thomas Mann beim Zigarrenrauchen.

Irgendwann wachte ich dann in meinem Bett auf und musste erst einmal kotzen. In der Küche fragte mich ein Mitbewohner, ob ich heute noch gleich schlecht gelaunt wie gestern sei.

Fazit: Ich würde niemandem Modafinil empfehlen, der sich nicht in einen empathiebefreiten Schleimbeutel verwandeln will.

Florian auf Twitter: @AdamCSchwarz

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