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Hat Frankfurt wirklich ein Problem mit sogenannter „Ausländerkriminalität”?

Auf Spurensuche in der Hauptstadt des Verbrechens.
Foto: Imago/Olaf Wagner

Ich kann nicht zählen, wie viele Menschen mir während meiner Kindheit im Hochtaunus davon abgeraten haben, nach Frankfurt zu fahren. Dem meist nicht sonderlich weit gereisten Provinzler galt die Stadt als „das gefürchtete Tal". Die Warnungen klangen fast immer gleich: „Was willst'n da? Da gibt's doch nur Kanaken, nur Kopptücher und Öl-Köppe!" Der jähe Untergang wurde Frankfurt daher prophezeit und einem selbst der Sturz ins Verderben, sollte man sich von der vermeintlich heilen Welt auf dem Berg ins Tal wagen.

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Stadtteile wie der Ben-Gurion-Ring im Norden Frankfurts, der Seckbacher Atzelberg und das Niederräder Mainfeld waren damals in der Tat noch heiße Pflaster, Offenbach galt als Vorstufe zur Dritten Welt. Doch wer im Dorf keine Lust auf die Feuerwehr hatte und nicht ewig an der Bong kleben wollte, musste irgendwann ins Tal, um was zu erleben.

Wohnblocks im angeblichen „Problemviertel" Ben-Gurion-Ring (Foto: Karsten11)

Was die Menschen auf dem Berg wohl heute über Frankfurt denken? 45 Prozent aller in Frankfurt lebenden Menschen haben inzwischen ausländische Wurzeln. Die Stadt baut ihren Ruf als „Hauptstadt des Verbrechens" Deutschlands in den Kriminalstatistiken von Jahr zu Jahr weiter aus und über 60 Prozent der Tatverdächtigen in Frankfurt in 2014 hatten einen Migrationshintergrund.

Jene Perspektive macht Gemüter empfänglicher für Warnungen vor einer „neuen Völkerwanderung" von bis zu 800 Millionen Flüchtlingen. Für Warnungen vor einem Bürgerkrieg und einer Kultur der Gewalt, die der Flüchtling angeblich in der Bundesrepublik verbreitet.

Daher fühlen sich immer mehr besorgte Bürger dazu berufen, Buch zu führen über jeden Fall oder jedes Gerücht der „Ausländerkriminalität". Auf www.messerstecher.wordpress.com listet ein unbekannter Autor penibel Zeitungsartikel über afghanische Messerstecher, schwarze Drogendealer, bosnische Straßenräuber auf. Den Autoren von journalistenwatch.com haben von Anfang Mai 2015 bis Ende Juni 2015 zwei Monate gereicht, um über 1.000 Fälle von vermeintlicher „Ausländerkriminalität" in der so genannten „Liste des Horrors" aufzuführen.

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Polizisten filzen einen Abhängigen im Bahnhofsviertel (Foto vom Autor)

Islam-Hasser Michael Mannheimer sieht sich selbst als großen Aufklärer in Sachen „Ausländerkriminalität". Ebenso sein Freund im Geiste Michael Stürzenberger, Bundesvorsitzender der rechtspopulistischen Kleinpartei „Die Freiheit" und Autor des Verschwörungsblogs „Politically Incorrect". „Stürzi", wie ihn seine Anhänger nennen, wird nie müde zu warnen, „dass in Nordafrika Hunderttausende Terroristen auf die Überfahrt warten". Dass ihm auf Demos in Frankfurt regelmäßig nur eine Handvoll der in der Stadt verbliebenen mindestens 350.000 Deutschen zuhört, scheint ihn nicht zu stören.

Der Rechtsintellektuelle Götz Kubitschek will mit Deutsche Opfer. Fremde Täter eine Art Schwarzbuch der „Ausländerkriminalität" geschrieben haben. Unter www.deutscheopfer.de führte er bis vor zwei Jahren einen dazugehörigen Blog. Warum er ihn einstellte, ist nicht bekannt.

Michael Stürzenberger bei „Widerstand Ost West" einer islamfeindlichen Demo im letzten Sommer in Frankfurt (Foto vom Autor)

Jene drei geistigen Väter der Lügenpresse-Rufe besorgen sich ihre „Beweise" jedoch nicht auf der Straße, in Brennpunkten oder in Asylbewerberheimen. Sie bedienen sich ähnlich wie die Autoren von journalistenwatch.com an Quellen, die sie andererseits als „System-Medien" verschmähen, darunter die Frankfurter Allgemeine, die Süddeutsche und Hunderte deutscher Lokalzeitungen.

Noisey: Wie abgehalfterte Promis im Internet gegen Flüchtlinge hetzen

Oft informieren sich Stürzenberger, Mannheimer und Kubitschek aber auch über Medien wie die für journalistische Standards nicht sonderlich gut bekannte Epoch Times, die neulich auf die sexuellen Bedürfnisse der Flüchtlinge aufmerksam machte. Weil unter diesen viele junge Männer seien, die ihre Lust notfalls illegal auslebten, warnte das Blatt vor einem bislang tabuisierten Ansturm der Vergewaltiger.

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Für weltfremde Rassisten und Brandstifter wie „Stürzi", Kubitschek und alle Chronisten von Ausländerverbrechen verkörpert der Migrant also per se alles Schlechte in der Welt und verseucht damit das im Vergleich zu seiner dahin siechenden Heimat noch halbwegs reine Deutschland, meinen die selbsternannten „Experten". Pegida-Anhänger, AfDler und Rechtsextreme bedienen sich jener Gerüchte, um Ängste zu schüren. Im besten Fall schleppt der besorgte Bürger als Reaktion für Angela Merkel und Sigmar Gabriel bestimmte Galgen auf Demos mit sich. Im schlimmsten fall sticht er der Kölner Sozialdezernentin mit einem Bowie-Messer in den Hals und zündet Flüchtlingsheime an.

Ein Kiosk im Frankfurter Gutleutviertel (Foto vom Autor)

Die blanken Zahlen zur „Ausländerkriminalität" mögen für manch einen Fakten schaffen. Wie die Zahlen zustande kommen und wie die Wirklichkeit aussieht, hinterfragen rechte Populisten so gut wie nie. Ich unterhalte mich mit dem Kriminologen Dr. Christian Walburg von der Uni Münster und er verweist auf Inhaltsanalysen, die gezeigt hätten, dass Migrationsfragen in den Medien lange Zeit recht einseitig und zum Teil auch dramatisierend im Zusammenhang mit „Problemen"—und überproportional häufig mit dem Thema Kriminalität—erörtert wurden. „Die vielfach alltägliche Normalität des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft, sowie ‚normale' oder besonders erfolgreiche ‚Integrationsverläufe' haben weniger Nachrichtenwert und wurden so wenig abgebildet", berichtet Walburg.

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Dass Ausländer von Natur aus kriminell seien, wollte man mir früher auch im Dorf weismachen. Abschrecken lassen habe ich mich davon nicht und bin irgendwann nach Offenbach gezogen. Dort sollten bereits Zustände herrschen, die Frankfurt erst noch bevorstünden. Für die Offenbach Post habe ich damals jeden Winkel der Stadt erkundet, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Eine einzige kriminelle Erfahrung mit einem Ausländer habe ich dort gemacht: Frühmorgens setzte sich ein freundlicher Araber zu mir ins S-Bahn-Abteil und schenkte mir ein Stück Hasch.

Dass ich nach einiger Zeit nach Frankfurt zog, war nicht die Schuld Offenbachs, sondern die meines Vermieters. In der Mainmetropole begab ich mich dann manchmal auf Auftrag und manchmal freiwillig in die damals noch von manchen „Brennpunkte" genannten Problemviertel am Rand der Stadt. Der Chefredakteur einer Lokalzeitung schickte mich für einen meiner ersten Aufträge nach Preungesheim, wo sich Migrantenkids angeblich mit Uzis bekriegen sollten. Beweise dafür konnte ich nie finden. Wen ich auch fragte—man schaute mich an, als suchte ich im Frankfurter Norden nach Atlantis.

Foto vom Autor

Ich beschäftigte mich damals mehr aus Faszination als aus Sorge um unser Land mit muslimischen Friedensrichtern und las Necla Keleks umstrittenes Buch Die verlorenen Söhne, in dem sie über integrationsunwillige junge Männer schreibt. U-Bahn-Schläger mit ausländischen Wurzeln sorgten damals noch alle paar Monate für Aufsehen in den Medien, an der Berliner Rütli-Schule liefen aufgrund der Jugendgewalt die Lehrer weg. Und auch Intensivtäter Mehmets Abschiebung lag noch nicht allzu lange zurück.

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In Frankfurt wähnte ich mich im Mekka aller Parallelgesellschaften, nur um kurz darauf festzustellen, dass Deutschlands angebliche „Hauptstadt der Kriminalität" ihrem schlechten Ruf nicht allzu gerecht wurde.

Zwar lebten dort weit mehr Ausländer oder Menschen mit Migrationshintergrund als noch in den 90ern. Die „Ausländerkriminalität" wurde von Jahr zu Jahr aber ein immer marginaleres Thema. Die Stadtpolitik hat Probleme mit der Wohnungsnot, fehlenden Hortplätzen, maroden Schulen und seit Jüngstem mit der Unterbringung von Flüchtlingen, nicht wirklich mit „Ausländerkriminalität".

Der Begriff Brennpunkt wurde aus dem Vokabular der Frankfurter gestrichen, einfach weil es keine Brennpunkte mehr gibt in der Stadt. Ich kenne aufgrund meiner Arbeit längst auch jeden Winkel der Mainmetropole und traue mich auch dorthin. Frankfurt ist vielmehr Deutschlands Aushängeschild friedlicher Multikulturalität, weil sich die Menschen dort immer wieder „dem Fremden" aus aller Herren Länder geöffnet haben. Im Taunus möchte ich nicht mehr leben, in Frankfurt schon.

Dealer in der Frankfurter Taunussstraße. (Foto vom Autor aus „Willkommen in Crack City")

Natürlich gibt es auch am Main libanesische Gangs, die lieber auf die Regeln der Straße setzen als auf die des Staates. Es gibt Drogendealer vom Balkan, die im Bahnhofsviertel für ein Crack-Problem sorgen, rumänische Straßendiebe und Sinti, die einem auf die Scheibe rotzen, wenn man für die unerwünschte Autowäsche nicht bezahlt. Auch gibt es in Frankfurt nach wie vor noch sicher eine kleine Armee so genannter integrationsunwilliger Jugendlicher.

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Statt jene Fälle von „Ausländerkriminalität" zu tabuisieren—denn so lautet oft der Vorwurf besorgter Bürger—stürzt sich die Presse hingegen regelrecht auf diese „bösen Migranten". In den 2000er Jahren lenkten aufsehenerregende Fälle wie eben Mehmet, die Rütli-Schule und der Angriff auf und Tod von Jonny K. die Aufmerksamkeit auf Fragen zu Jugendgewalt und Integrationsproblemen. „Die Liste etwa der TV-Talkshows, Bild-Schlagzeilen, Spiegel- und Focus-Titel sowie Sachbücher und sogar Spielfilme zum Thema ist lang. Oft prägten diese Debatten über Wochen das Bild von den Migrantenjugendlichen", sagt Dr. Christian Walburg. Besonders Straftaten junger Männer sorgten für Aufsehen in den Medien, „obwohl sie nur einen sehr kleinen Teil der Gesamtkriminalität ausmachen", wie Dr. Walburg erklärt. Folglich würde die „Wahrnehmung massiv überschätzt".

Auf journalistenwatch.com heißt es zwar, dass ein Fall wie zum Beispiel der eines „negroiden Masturbierers" nur die „Spitze des Eisbergs" sei und die „System-Medien" die Wahrheit verschleierten. Warum dann aber doch über 1.000 Fälle von „Ausländerkriminalität" in deutschen Tageszeitungen gefunden werden, sorgt für einen Widerspruch. Zumal der Presse von diesen Seiten vorgeworfen wird, dass diese sich allzu sehr an den Pressekodex halte, wonach die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt werden solle, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. In Hunderten Fällen in der „Liste des Horrors" nennen die zitierten Zeitungen Hautfarbe oder Nationalität der Täter, ohne dass diese im Zusammenhang mit der Tat stehen.

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Ein Beispiel für unausgewogene Presseberichterstattung, das Walburg bestätigt, sind die jugendlichen Intensivtäter mit Migrationshintergrund. Die sind gegenüber den jungen deutschen Intensivtätern seit Jahren in der Mehrzahl. Dass sich die Zahl der Intensivtäter mit Migrationshintergrund laut Kriminalstatistik in den letzten zehn Jahren von gut 10.000 auf rund 5.000 Fälle halbiert hat, war dagegen, wenn überhaupt, nur eine Randnotiz in den meisten deutschen Zeitungen. Ebenso selten wird erwähnt, dass vor allem erwachsene Einwanderer „insgesamt eher nicht vermehrt durch Straftaten" auffielen, wie Kriminologe Walburg ermittelt hat. „Erwachsene Migranten gelten eher sogar als besonders unauffällig", sagt er.

Ein Dealer mit zwei Kundinnen (Foto vom Autor)

Die Kriminalstatistiken lassen das Ausmaß der „Ausländerkriminalität" vielleicht erst einmal schrecklich erscheinen: Bei knapp 24 Prozent lag im Jahr 2014 der „Ausländeranteil" an den polizeilich registrierten Straftaten und die Anzahl nichtdeutscher Tatverdächtiger hat gegenüber dem Vorjahr um 14,7 Prozent zugenommen.

Verglichen mit dem Höchstwert von 27 Prozent im Jahr 1993 hat der „Ausländeranteil" an den Verbrechen in Deutschland innerhalb von etwas mehr als 20 Jahren jedoch abgenommen, zumal der Anteil an Bürgern mit ausländischen Wurzeln in Deutschland von 1993 bis 2014 von 8,6 Prozent auf 9 Prozent gestiegen ist.

Interessant ist dabei auch der Fakt, dass im Jahr 2012 rund 20 Prozent der als „Ausländer" registrierten Tatverdächten ihren Wohnsitz im Ausland hatten, es sich in jenen Fällen also um sogenannte grenzüberschreitende Kriminalität gehandelt hat. Der starke Anstieg der Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger ist laut der Kriminalstatistik von 2014 zudem vor allem auf ausländerrechtliche Verstöße zurückzuführen, sprich: Ein großer Teil der straffälligen Ausländer muss nicht unbedingt ein Kapitalverbrechen begangen haben. Es langt also auch, wenn ein somalischer Bauer, der aus seiner Heimat keine allzu große staatliche Zuwendung kennt, hierzulande aus schierer Verzweiflung schwarzarbeitet, weil er vielleicht nicht weiß, dass ihm auch die deutschen Behörden bei der Jobsuche behilflich sein können.

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Ein bedeutender Faktor der falschen öffentlichen Wahrnehmung sei auch, so Walburg, dass Migranten viel öfter angezeigt würden als Deutsche. „Auf Opferbefragungen beruhende Analysen zeigen mittlerweile recht einhellig, dass die Entscheidung über eine Strafanzeige in beträchtlichem Maße auch durch die Zuordnung des Täters zu einer als fremdethnisch definierten Gruppe bestimmt wird. Ist die ,soziale Distanz' zum Täter größer, gingen die Opfer eher zur Polizei", erklärt der Kriminologe. Menschen mit ausländischen Wurzeln werden also häufiger angezeigt, was aber nicht bedeuten muss, dass sie krimineller sind als Deutsche.

Zu denken geben sollten dabei die „Liste des Horrors" und ähnliche Seiten: Tausende Zeitungsartikel mit ausländischen Tatverdächtigen sorgen für ein dramatisches Bild. Ob aus dem Tatverdächtigen letztlich auch ein Angeklagter wurde, erfährt man in den meisten Fällen nicht. Dafür haben auch „Stürzi", Kubitschek und Co. keine Belege. Sprechen möchten sie darüber aber auch nicht: Mehrere Wochen sind verstrichen, seitdem ich ihnen die Chance gegeben habe, Stellung zu beziehen zu den haltlosen Vorwürfen.

Zurück nach Frankfurt: Natürlich begehen Menschen mit ausländischen Wurzeln hier einen großen Teil der Verbrechen, einfach weil sie so stark vertreten sind. Andererseits verhält man sich gegenüber der Mainmetropole nicht fair, wenn man nur mit den blanken Zahlen, weniger mit Fakten arbeitet. Tatsache nämlich ist, dass Frankfurt allein aufgrund seiner geografischen Lage für Verbrecher viel exponierter ist als die meisten anderen deutschen Städte. Viele Straftaten werden hier zudem am Flughafen registriert, Drogenhandel oder anderer Schmuggel, aber vor allem ausländerrechtliche Verstöße von Menschen, die aus aller Welt illegal einreisen, was in den meisten anderen deutschen Städten im Maße wie in Frankfurt gar nicht möglich ist. Zudem beherbergt die Stadt auch etliche Male im Jahr Hunderttausende Messegäste aus aller Welt, deren Vergehen auch in die Frankfurter Kriminalstatistik mit einfließen.

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Sei's drum, lassen wir Frankfurt mal die Stadt der „Ausländerkriminalität" sein. Allerdings ist die Zahl der Ausländer in einer Stadt noch lange nicht ausschlaggebend für die Zahl der Verbrechen. Das beweist das Beispiel Leipzig, wo sich viele besorgte Bürger noch sicher fühlen vor dem „bösen Fremden". Nur knapp 14 Prozent der in der sächsischen Stadt begangenen Verbrechen werden von Ausländern verübt. Mit 14.906 Verbrechen pro 100.000 Einwohner liegt Leipzig an fünfter Stelle in der Tabelle der bundesweit kriminellsten Städte, hinter Frankfurt, Berlin, Hannover und Köln. Der Deutsche, vor allem der vom Ausländer noch am meisten verschonte Ostdeutsche, kennt sich mit Verbrechen also auch gut aus. In westdeutschen Städten beschwert man sich dennoch weniger über Ausländer als in ostdeutschen.

So auch in Frankfurt. Bevor man also vor der „Ausländerkriminalität" warnt, sollte man sich vielleicht zuerst mit jenen Menschen auseinandersetzen, die ihr am meisten ausgesetzt sein müssten, und jene Menschen fragen, wie sehr sie die „Ausländerkriminalität" beschäftigt. Ein guter Ansprechpartner müsste ein alteingesessener Frankfurter sein, der die Stadt schon kannte, als sich die Zahl der Ausländer dort noch stark in Grenzen hielt. Doch im Ortsbeirat, einem Stadtteilparlament, in dem der besorgte Frankfurter die Probleme vor seiner Haustür ansprechen kann, geht es nie um kriminelle Ausländer. Aufs Maul gefallen ist der Frankfurter dabei nicht. Er würde ein „Ausländerproblem" ansprechen, wenn es eines gäbe.

Weil das so ist, hat auch die NDP in Frankfurt wenig Chancen. Bis Juni 2015 war sie in ganz Frankfurt nur durch Ortsbeiratsmitglied Jörg Krebs vertreten. Jahrelang saß dieser im Nieder-Eschbacher Ortsbeirat 15 und lauschte still, wie die übrigen Politiker über Trimm-dich-Pfade und Apfelskulpturen diskutierten. Krebs wartete jahrelang darauf, dass der Ben-Gurion-Ring im Stadtteil wieder zu jenem Brennpunkt würde, der er in den 90ern mal war.

Einmal witterte der Rechtsradikale seine Chance, als im April 2013 ein Mitglied einer Rockergang in einer Parkanlage im „Ring" erschossen wurde. Die Polizei berief daraufhin eine Krisensitzung ein, um die Bürger zu beruhigen, dass das Viertel unter Sonderbeobachtung stehe. Ich war damals auch auf der Sitzung und einer alten Dame aus dem „Ring" wurde die Panik damals zu bunt. Sie stand auf und fragte die Polizei, warum man dem Viertel ein Problem andichte, das dieses nicht habe. „Was wollen sie hier eigentlich?", fragte die Dame die verdutzten Beamten, „dieser Mord hätte auch an jedem anderen Ort geschehen können. Hier im Viertel leben die Nationen von Jahr zu Jahr besser zusammen. Und daran ändert auch der Mord nichts!"

Frankfurt sollte in vieler Hinsicht als bestes Beispiel gelten, wie sehr mit den Warnungen vor der „Ausländerkriminalität" übertrieben wird. Man kann sie allerdings auch heraufbeschwören. Denn das Einzige, das in den letzten Wochen und Monaten explosionsartig angestiegen ist, sind die Verbrechen gegen Ausländer. Flüchtlingsheime brennen, Ausländer werden beschimpft, bespuckt, geschlagen und in einer Berliner U-Bahn sogar angepisst.

Verantwortlich dafür sind auch Michael Stürzenberger, Götz Kubitschek und ihre Mitstreiter, ach und Horst Seehofer so langsam auch. Wenn es bald zu einem neuen Solingen, einem neuen Mölln kommt, haben jene Leute spätestens dann Blut an ihren Händen.


Titelfoto: Imago/Olaf Wagner