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In den Pariser Banlieues streiten sich Araber und Schwarze—um Mädchen

Im französischen Facebook wurde die Jagdsaison auf „Arabermädchen mit Schwarzen“ eröffnet—denn wer lieber mit einem Schwarzen als mit einem Araber ausgeht, gilt als Verräterin.

Kanye West und Kim Kardashian, die angeblichen Idole der „Arabermädchen der Schwarzen“.

Anstatt mich wie üblich von einer Wikipedia-Seite zur anderen zu hangeln, um die Zeit totzuschlagen, habe ich eines Abends entschlossen, mal durch verschiedene Facebook-Seiten zu browsen. Eigentlich ist das eine eher langweilige Beschäftigung, aber hin und wieder stößt man auf Diskussionsgruppen mit hohem Suchtfaktor. So bin ich auch bei „Facemouk“ gelandet, einem echten Facebook mitten in Facebook, mit 70 000 Mitgliedern, die fast im Minutentakt etwas posten.

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Facemouk ist ein Unterschlupf für die Jugendlichen aus der französischen Banlieue. Als ich mich in die vielen Posts stürzte, fiel mir auf, dass die Vororte über ein heikles Thema debattierten: den „beurettes à khel“. So werden junge, nordafrikanische Mädchen genannt, die Schwarze Typen klarmachen. Die Arabermädchen der Schwarzen halt.

Mittlerweile gibt es mehrere Facebook-Gruppen (wie „Anti beurette à khel“, die Gruppe, die gegen diese Arabermädchen der Schwarzen ist, „Les beurettes utilisent l’Islam pour justifier leurs débauches“, die Gruppe die behauptet, Arabermädchen nutzen den Islam, um ihre Unzucht zu begründen, oder die Gruppe „Anti beurette et collabeur“, die Arabermädchen mit einem Faible für Schwarze als Verräter brandmarkt). Diese Gruppen haben knapp 2 000 bis 3 000 Likes und sind vollgestopft mit Beleidigungen gegen jene Jugendliche, denen vorgeworfen wird, „ihre Landsleute verraten zu haben“.

Diesen Mädchen wird vor allem vorgeworfen, das Kopftuch nur zu tragen, um ihr „unsittliches Verhalten“ besser verstecken zu können, und sich von traditionellen Werten zu entfernen (in dem sie Nacktfotos von sich zeigen, Zigarette und Alkohol in der Hand halten, in Shisha-Bars gehen und so weiter) und ihre Liebeleien mit Schwarzen mit Ausreden wie „Er ist Moslem, es ist also alles gut“ (was so viel heißt wie „Ihr habt mir gar nichts zu sagen, nur Allah kann über uns urteilen“) begründen. Dieses Argument wird „die Bilal-Ausrede“ genannt—Bilal ist der Name des einzigen schwarzen Gefährten Mohammeds.

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Typische Facebook-Propaganda. Die Mädchen sagen: „Bilal war schwarz, Ihr Rassisten“ und „Weil er Moslem ist, können wir ihm den Schwanz lutschen“.

Auf diese Cyber-Gruppen wird nun eine wahre Hexenjagd ausgeübt: Namen dieser „Arabermädchen der Schwarzen“ werden dort gepostet, manchmal sogar zusammen mit deren Telefonnummern, gleichzeitig wird jungen, schwarzen Männern offen vorgeworfen, so viele nordafrikanische Mädchen wie möglich schwängern zu wollen, nur damit es morgen eine Mehrheit an hellhäutigen afrikanischen Kindern in den Vororten gibt.

Ich habe mich mit Haissam (Name geändert) unterhalten, der einen Teil seiner Freizeit in einer Genossenschaft des Pariser Vorortes Aubervilliers verbringt. Haissam ist 32 Jahre alt, und es macht ihn fertig zu sehen, wie „Jugendliche sich wegen eines so unnötigen Themas zerstreiten“.

VICE: Ist diese „beurette à khel“-Krise neu?
Haissam: Ich kann mich nicht daran erinnern, so etwas vorher jemals gesehen zu haben. Dass es schon immer eine Art Rivalität zwischen Nordafrikanern und Schwarzen gab, stimmt, aber als ich jünger war, wurde darüber noch nicht so intensiv gesprochen. Wir konnten uns noch relativ grenzwertige Dinge an den Kopf werfen, aber wir hatten immer eine stillschweigende Vereinbarung: wir wussten auch, dass es nie wirklich ernst gemeint war. Heute bemerke ich eine echte Anspannung unter den jungen Leuten, die ich betreue. Es ist nicht so, als ob die Jungs nicht mehr miteinander klarkommen würden, sie bleiben eigentlich Freunde. Was die Mädchen angeht, gibt es unter ihnen aber einen wahren Bruch.

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Was wirft man ihnen denn vor?
Man wirft ihnen vor, sich zu sehr zu schminken, spät Abends noch wegzugehen, zu trinken, zu rauchen und den Islam als Ausrede zu nutzen, um sich ein besseres Gewissen zu verschaffen. „Die Arabermädchen der Schwarzen“ sollen angeblich mit jungen Schwarzen ausgehen, weil sie Nordafrikaner für zu verschlossen, für Hinterwäldler und Rumkommandiererer halten.

Wenn ihre älteren Brüder sie dann kritisieren, antworten sie: „Er ist vielleicht schwarz, aber er ist Moslem, also kannst du mich nicht über mich urteilen. Nur Allah kann über uns urteilen“,  und das macht ihre Brüder wütend. Ihnen zufolge nutzen die „Arabermädchen der Schwarzen“ ihre schwarzen muslimischen Freunde als Ausrede, um sich amüsieren zu können.

„Laut der Arabermädchen ist es ok, mit einem Schwarzen Schischa zu rauchen, weil Bilal schwarz ist.“

In dem Song „Blokkk Identitaire“ featuring Medine, der die Absurdität der Konflikte zwischen Schwarzen und Arabern anprangern soll, sagt Youssoupha ironischerweise „Ihr steinigt sie lieber, aber ihnen gefallen unsere Attacken zwischen ihre Nieren“…
Ja. Ich höre auch immer öfter, dass es an Stars wie Angelina Jolie und Brat Pitt liegt, dass Jugendliche immer mehr hellhäutige Schwarze zur Welt bringen wollen. Angeblich ist das der neue Trend. Ein Baby mit Herkunft kommt nicht so hinterwäldlerisch rüber. Ich habe auch gehört, dass die „Arabischen Mädchen der Schwarzen“ Kim Kardashian-Fans sind, die ist ja mit Kanye West zusammen, und, dass Schwarze wegen US-Rap jetzt beliebt sind. Ein junges Mädchen hat mir mal erklärt, dass Schwarze mehr Style hätten.

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Wie sieht das denn im Alltag aus?
Wenn ein nordafrikanisches Mädchen neben einem schwarzen Jungen herläuft, wird man mit dem Finger auf sie zeigen und sie mit bescheuerten Sätzen wie „Hey Zahia!“ oder „Geht ihr euch verstecken, um Babys zu machen?“  beleidigen. Bei den „Anti-Arabermädchen der Schwarzen“ gibt es ein wahres Gefühl von Verrat, und es wird immer versucht, die Jugendlichen dafür verantwortlich zu machen. Es gibt mittlerweile schon den Gedankengang „Bist du mit einem Franzosen zusammen, versuchst du dich zu verwestlichen“, jetzt ist es noch schlimmer. Und da das Phänomen gerade zum permanenten Konflikt wird, gibt es auch Schwarze, die immer wieder Öl ins Feuer gießen in dem sie sagen „Ja ja, wir werden eure kleinen Schwestern schwängern und morgen wird es keine Araber mehr geben“. Das kann man gerade im Internet lesen, aber das hört man auch im echten Leben.

Facebook-Gruppen wie die „Anti-Arabermädchen und Verräter“ scheinen dem Ganzen noch eine extra Portion Ärger zu verpassen. 
Ja, Sozial-Netzwerke verschlimmern dieses Phänomen, vor allem wegen der Denunziation, die im Netz stattfindet. Wenn man diese Masse an Fotos der „Mädchen die ihre Leute verraten haben“ sieht, bekommt man das Gefühl, das Phänomen wird schon fast zu einer Besessenheit. Im echten Leben sieht man viele Gruppen Jugendlicher verschiedenster Herkunft, die kein Problem mit dem haben, was ihre Freundinnen machen. Es scheint auch so, als ob dieses „Arabermädchen der Schwarzen“ eher ein Pariser Ding ist und, dass das Phänomen in anderen Vororten Frankreichs den Leute noch nicht so das Gehirn gewaschen hat. Aber das wird sich leider noch ändern.

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Das heißt?
Wegen dieser Facebook-Gruppen halt. Vorher haben diese Gruppen nur ein paar genervte Typen vereint. Heute kommen aber immer mehr Leute dazu, darunter auch Mädchen, die Arabermädchen auf dem Kieker haben, die angeblich keinen Respekt vor sich selber haben und die Gemeinschaft blamieren.  Gruppen wie „Facemouk“, die diese „Arabermädchen der Schwarzen“ kritisieren, kommen nicht nur speziell aus Paris. Auch in den Vororten von Lyon und Marseille hört man über die Sozialen Netzwerke von dem Thema. Vor ein paar Tagen hat der Rapper El Matador sogar einen Song über das Thema im Netz veröffentlicht.

Was erzählt er in dem Song?
Er beschreibt diese „Arabermädchen der Schwarzen. „Sie lieben Make-Up, in Clubs zu gehen, Shisha zu rauchen und ihre Frisuren auf Instagram zu zeigen. Sie träumen davon, in einer Reality-TV-Show mitzuspielen. Sie mögen Schwarze.“ Das ist im Großen und Ganzen die Message.

Links: die „Arabermädchen“ schmeißen sich an Schwarze ran, weil die soviel cooler sind. Rechts suchen die jungen, sitzengelassenen Mütter nach einem braven Araber, der sie heiratet.

Man gibt auch Typen ein paar Tipps : „Fallt nicht auf die Arabermädchen der Schwarzen rein, die so tun, als würden sie sich niederlassen wollen“. 
Ja, weil man sagt, dass „Arabermädchen der Schwarzen“ sich von ihrem schwarzen Freund trennen und alleinerziehende Mütter werden, sobald sie Kinder bekommen haben. Man wirft ihnen vor, ihren schlechten Ruf um jeden Preis verstecken zu wollen, und dann rechtschaffene Moslems zu verführen, als ob nichts gewesen wäre. Noch mal, dieses Bild ist zum Teil eine Phantasie. Aber mit dieser Phantasie zu spielen verstärkt den Hass gegen die „Arabermädchen der Schwarzen“ umso mehr.

Es begründet den Konflikt und schafft verschiedene Camps, verschiedene Seiten. Und während sich die Vororte spalten, bleiben die Ungleichheiten bestehen, ohne dass auch nur irgendeiner mal aus seiner Scheiße rauskommt. Das versuche ich den jungen Leuten klarzumachen, wenn ich sie dabei erwische, über dieses Thema zu sprechen, aber meine Reaktion finden sie zum Totlachen. „Du verstehst es nicht, das ist super ernst“, antworten sie mir.