FYI.

This story is over 5 years old.

News

Schwulenhass in Uganda

Homosexuell zu sein, ist in Uganda ein großes Problem. Groß im Sinne von: Wage es, deinen Freund/deine Freundin auf offener Straße zu küssen und ihr kommt beide ins Gefängnis.
Ryan Bassil
London, GB

Wenn man nicht gerade von heiligen Büchern aufs Übelste fehlgeleitet wurde oder einer dieser Wichser ist, die Menschen, die anders sind, nicht mögen, weil sie merkwürdig sind und ihnen Angst einjagen, dann ist Homosexualität die kleinste Sache der Welt. Ähnlich wie der letzte Film von Jean-Luc Godard oder das eine Mal, als du 2007 über eine lose Gehwegplatte gestolpert bist.

In Uganda sieht die Sache allerdings etwas anders aus. Homosexuell zu sein, ist dort ein großes Problem. Groß im Sinne von: Wage es, deinen Freund/deine Freundin auf offener Straße zu küssen und ihr kommt beide ins Gefängnis.

Anzeige

Die Regierung von Uganda ist gerade dabei, einen Gesetzesentwurf zu verabschieden, der Homosexualität mit langen Haftstrafen versieht.
Jeder, der die homosexuelle Gemeinschaft unterstützt (auch die Menschen, die HIV-Tests anbieten), soll mit sieben Jahren Gefängnis und Bürger, die es versäumen, ihnen bekannte Homosexuelle innerhalb von 24 Stunden zu melden, mit drei Jahren Haft bestraft werden. Letztes Jahr hat die Zeitung Rolling Stone—Gott sei Dank, Nicht DER Rolling Stone, sondern eine Zeitung aus Uganda, die den gleichen Namen hat—einen Artikel veröffentlicht, welcher 100 Männer als schwul entlarvte und sie als Terrorristen abstempelte.
Ich habe versucht, Giles Muhome zu erreichen, den leitenden Redakteur der Rolling Stone, aber offenbar ist der Gute den kompletten Monat über ausgebucht und hatte nicht mal fünf Minuten Zeit, um mit mir zu sprechen. Ein Vollzeit-Vollpfosten zu sein, erscheint mir ziemlich stressig. Stattdessen sprach ich mit den Filmemacherinnen Katy Wright und Malika Zouhali-Worrall, die kürzlich den Film Call Me Kuchu produziert haben, der das Wirken und Leben einer Gruppe ugandischer Schwulenaktivisten dokumentiert.

VICE: Hey, ich hab mir gerade euren Film angesehen—ziemlich harter Stoff. Wie sieht die Situation in Uganda momentan aus?
Malika Zouhali-Worrall: Das Gesetz wurde wieder ins Parlament von Uganda aufgenommen. Im Moment wird es von einem Ausschuss überprüft. Es gibt Monate, da hören wir überhaupt nichts davon und dann taucht es plötzlich wieder auf. Wie denkt der Präsident über das Gesetz?
Wir haben den Eindruck, dass der Präsident nicht wirklich scharf darauf ist, das Gesetz zu verabschieden. Manchmal kommt uns das Ganze wie ein politisches Spiel vor. Es scheint, als würden Mitglieder seiner Partei es nur deshalb auf den Tisch bringen, weil sie ihm eins auswischen wollen. Außerdem wirkt es so, als würden sie es aus anderen Gründen vorantreiben. Es geht ihnen nicht nur darum, Homosexuelle einzusperren, da stecken auch andere Motive hinter. Welche Motive?
Es gibt verschiedene politische Gründe, die nichts mit der Ideologie des Gesetzes zu tun haben. Natürlich gibt es Menschen wie David Bahat, der das Gesetz verfasst hat, und Pastor Martin Ssempa, der fest daran glaubt. Aber manchmal scheint es, als würden sie es aufgrund parteiinterner oder anderer politischer Gründe, die eigentlich nichts damit zu tun haben, auf den Tisch bringen. Im Film wird angedeutet, dass Homophobie von einem amerikanischen Pastor nach Uganda gebracht wurde. Denkt ihr, dass darin ein Funken Wahrheit steckt?
Katy Wright: Es ist schwierig, genau zu sagen, woher die Homophobie kommt. Aber ich würde auf jeden Fall sagen, dass amerikanische Evangelikale den Zorn entfacht haben. Nicht nur, was die Homophobie betrifft, auch das Hängen verdanken wir ihnen. Malika: Es gibt diesen einen amerikanischen Pastor, um genau zu sein, Scott Lively. Viele Aktivisten und mit der Materie vertraute Journalisten sind der festen Überzeugung, dass er, was den Rahmen und die Wortwahl des Anti-Homosexuellen-Gesetzes betrifft, eine  tragende Rolle spielt. Vor allem weil in den USA deshalb sogar ein Verfahren gegen ihn läuft. Ich habe versucht, Giles zu kontaktieren, und alles, was er zu sagen hatte, war: „Das ugandische Parlament, welches absolut unabhängig ist, wird über das Gesetz entscheiden. Wie in jeder anderen Demokratie auch repräsentiert der Gesetzgeber den Willen des Volkes. Wir sollten uns also mit der Entscheidung abfinden.“
Denkt ihr, er fällt auf seine alten homophoben Ansichten zurück?
Katy: Giles’ Worte haben eine weite Reichweite, weshalb die ganze schwulenfeindliche Phrasendrescherei zu vielen Menschen vorgedrungen ist. Aber ich hatte nie das Gefühl, seine Homophobie wäre im gleichen Maße tief verwurzelt, wie sie es bei einigen religiösen Leuten ist. Die Pastoren, die nicht an Homosexualität glauben, tun das, weil es ihrer Interpretation der Bibel entspricht.
Deshalb kann man vielleicht verstehen, warum sie ein Problem damit haben. Aber bei Giles bin ich mir sicher, dass es nichts damit zu tun hat, wie er die Bibel interpretiert. Ich denke, es kommt ihm schlicht und ergreifend gelegen. Er hat sich auf eine Sache gestürzt, von der er glaubte, sie würde sich gut verkaufen und ihm einen Haufen Publicity bringen.

Dann kam die große Gegenreaktion, oder?
Ja, und seine Zeitung war schnell vergriffen. Die Kehrtwende überrascht mich nicht, denn sobald es irgendetwas Neues gibt, über das man cool schreiben kann, wird er das machen. Er hat das also nur für die Verkaufszahlen getan?
Malika: Ja, er ist Opportunist durch und durch. Was hat seine Zeitung getan, um die öffentliche Aufmerksam zu ergattern?
Sie haben so viel Angst geschürt wie möglich. Zuerst erzählten sie den Leuten, dass Schwule ihre Kinder rekrutieren würden, indem sie sie in den Schulen vergewaltigen, was so ähnlich klingt wie das, was in den USA in den 60ern verbreitet wurde. Giles’ nächster Schritt bestand darin, Homosexuelle für Terroranschläge verantwortlich zu machen. Um die Bevölkerung dazu zu bringen, das Gesetz zu begrüßen, musst du den Leuten weismachen, dass Homosexuelle Verbrechen begehen, die schlimm genug sind, um dafür hingerichtet oder lebenslänglich inhaftiert zu werden. Gibt es in Uganda irgendein Gesetz, das die Privatsphäre schützt?
Katy: Das ist letztendlich das, was zum Schluss des Gerichtsverfahrens im Film beschlossen wurde. Grund für die gerichtliche Anordnung war die Art und Weise, auf die die Zeitung die Privatsphäre der Menschen verletzt hat. Es war ein großer Erfolg für die Kuchu-Gemeinde. Sie greifen nach jedem Strohhalm, der sich ihnen innerhalb der ugandischen Gesellschaft bietet. Wie sich herausstellte, ist das Gericht einer dieser Strohhalme.   Hat die Rolling Stone seit dem Unterlassungsurteil weitere kontroverse Artikel veröffentlicht?
Malika: Nein, seit der Gerichtsverhandlung hat die Rolling Stone keine kontroversen Sachen mehr veröffentlicht. Um ehrlich zu sein, glaube ich sogar, es gibt sie nicht mehr. Das Urteil hat den Leuten klar gemacht, dass an der Rolling Stone etwas nicht stimmte. Das zentrale Anliegen der Zeitung bestand darin, homosexuelle Menschen zu outen und seit ihnen das nicht mehr möglich ist, haben sie aufgehört, zu veröffentlichen. Gab es in letzter Zeit Gewalt gegen Aktivisten?
Nein. Die Dinge gehen ihren normalen Lauf—sie werden von Polizisten belästigt, festgenommen und verlieren ihre Jobs. Aber im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die Aktivistengemeinschaft stärker wird und dass sich ihre Position innerhalb der Gesellschaft verbessert. Im August veranstalteten sie ihre erste Gay Pride. Es war eine sehr kleine Veranstaltung, aber für sie war es eine ziemlich große Sache. Cool, es freut mich, das zu hören. Vielen Dank!