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Dieser Typ glaubt, Nordkorea ist kein böses Land

Vielleicht ist eine sozialistische Diktatur gar nicht so schlimm, wie wir immer denken. Zumindest glaubt das Moritz Kotheder. Trotz Menschenrechtsverletzungen, Kriegspropaganda und Atomwaffen ist Nordkorea für ihn ein cooles Land.

Die nordkoreanische Regierung hat neuerdings einen deutschen Propagandabeauftragten. Na ja, nicht ganz. Aber fast. Er heißt Moritz Kotheder, ist 18 und wohnt bei seinen Eltern. Der bekennende Sozialist betreibt die beinahe offizielle Seite der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea in Deutschland. Im Auftrag von Diktator Kim Jong-un macht er das allerdings nicht. Vielmehr ist es eine Herzensangelegenheit.

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Moritz ist ein kritischer Typ. Er glaubt nicht alles, was ihm die Mainstreammedien über das Land seiner Träume erzählen. Deswegen hat er sich zur Aufgabe gemacht, das Image von Nordkorea aufzupolieren und zu zeigen, dass es den Nordkoreanern gar nicht so beschissen geht, wie die Medien uns immer weis machen wollen.

Eigens hierfür gründete er mit Hilfe von nordkoreanischen Newsseiten eine Pro-Nordkorea-Initiative auf Instagram und auf Facebook. Natürlich weiß er auch, dass Nordkorea seine Bevölkerung einseitig informiert und zensiert. Aber Deutschland und die USA seien ja auch nicht wirklich transparenter und auch Nordkorea hat gewisse Grundrechte in ihrer Verfassung.

Besonders begeistert war Moritz, als Kim Jong-un den amerikanischen Basketballspieler Dennis Rodman eingeladen hat. „Da hat er mal öffentlich gezeigt, dass die nordkoreanische Bevölkerung nicht gegen die amerikanische Bevölkerung ist, sondern nur gegen die Führung der Amerikaner. Also gegen die Regierung.“

Während Gleichaltrige davon träumen, nach New York oder Los Angeles auszuwandern, würde Moritz lieber nach Pjöngjang gehen. Wir wollten von ihm wissen, was ihn sonst noch dazu bewegt hat, eine solche Seite ins Leben zu rufen.

Den Namen der Seite hat er inzwischen in „Northkorea_DPRK_Newssite“ umgetauft—aus Imagegründen wie er uns erzählt.

Ein Bild von Moritz' Facebook-Account—der 7. Kongress der Nordkoreanischen Kinderunion in Pjöngjang am 6. Juni 2013

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VICE: Hallo Moritz. Nordkorea ist für viele der Inbegriff des Bösen. Wie kamst auf die Idee, eine offizielle Nordkorea-Seite zu gründen? 
Moritz Kotheder: Ich war schon immer an dem Land und auch an der Politik im asiatischen Raum interessiert. Ich bin eher im linken Spektrum angesiedelt. Also, ich bin Sozialist. Und deswegen kam ich auf die Idee, dass ich mit der Seite aufzeigen könnte, dass Nordkorea nicht so ein böses Land ist, wie alle denken.

Woher bekommst du denn deine Informationen und die Bilder, die du auf der Seite postest? 
Das meiste kommt von nordkoreanischen Internetseiten.

Es gibt nordkoreanische Internetseiten? Und kannst du die verstehen? Oder sprichst du koreanisch? 
Ja, die gibt es tatsächlich. Koreanisch kann ich leider nicht, aber viele der Internetseiten sind sogar auf Deutsch oder Englisch. Nordkorea hat da schon eine Interpräsenz. (Seiten wie NaeNara oder Explore North Korea)

OK. Aber das ändert nichts daran, dass Nordkorea eine Diktatur ist, was ja auch allgemein bekannt ist. Hast du kein schlechtes Gewissen bei der Sache? Schließlich verletzt das Land Menschenrechte. 
Na ja, was heißt allgemein bekannt? Es gibt unsere Mainstreammedien, die einseitig über Nordkorea berichten. Was daran stimmt, muss man selber rausfinden. Ich hab mir beide Seiten angeschaut und so eine Art Mittelbild gebildet.

Kennst du Menschen, die aus Nordkorea kommen? 
Nein, nicht direkt. Aber seit neuestem habe ich eine Mitgliedschaft im nordkoreanischen Freundschaftsverein. Da könnte ich vielleicht ein paar Kontakte knüpfen. Aber bis jetzt habe ich noch keinen richtigen.

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Stell dir vor, du wärest ein einfacher nordkoreanischer Bauer. Glaubst du, du wärest ein glücklicher Mensch? 
Ja, ich denke schon, dass ich da genauso glücklich wäre wie hier. Ich denke auch, dass die Bevölkerung von Nordkorea deutlich glücklicher ist als die Bevölkerung von westlichen Ländern.

Woran, glaubst du, liegt das, dass die Menschen dort glücklicher sind?
Das liegt daran, dass die Gesellschaft anders aufgebaut ist. Das ist eine sozialistische Gesellschaft, die mehr auf ihre Bürger eingeht. Ich kenne die Schriften oder medialen Sachen aus Nordkorea. Und ich bin mir schon im Klaren darüber, dass vieles davon Propaganda ist. Aber man muss halt durch die Propaganda durchschauen und ein bisschen von der Wahrheit mitnehmen. Und so wie ich das sehe, ist in dem Land nichts schlimmer als in anderen Ländern. Sogar vielleicht besser.

Was genau denkst du ist dort besser?
Da gibt’s viele kleine Beispiele. Ich hab gehört, dass öffentliche Verkehrsmittel alle umsonst sind. Aber natürlich ist auch das Gemeinschaftsgefühl in dem Land ziemlich groß. Und die Altersvorsorge ist besser aufgebaut als bei uns. Da gibt’s weder Arbeitslose noch Menschen ohne Heim. Bei uns gibt es ja auch das Recht auf’s eigene Heim, aber trotzdem gibt es welche, die keine Wohnung oder kein Haus haben. Wenn bei uns im Gesetz steht, dass jeder das Recht auf eine eigene Wohnung hat, dann wird das trotzdem nicht eingehalten, aber da hat jeder eine Wohnung—und zwar umsonst.

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Warst du denn schon mal in Nordkorea? 
Nein, das war ich nicht.

Würdest du dort gerne leben? Nach dem Abi vielleicht nach Nordkorea ziehen?
Ja.

Kennst du unseren VICE Guide to Nordkorea? Oder hast du gehört, dass Dennis Rodman in Nordkorea war? Da waren wir auch dabei. 
Die kenn ich nicht. Aber, dass Dennis Rodman in Nordkorea war, weiß ich natürlich. War auch eine ziemlich gute Aktion von Kim Jong-un, dass er den eingeladen hat. Da hat er mal öffentlich gezeigt, dass die nordkoreanische Bevölkerung nicht gegen die amerikanische Bevölkerung ist, sondern nur gegen die Führung der Amerikaner. Also gegen die Regierung.

Vergleichst du das Land eigentlich auch mit anderen sozialisitischen Ländern, wie China oder unserer eigenen Vergangenheit? Also mit der DDR? 
Nordkorea hat einen Sonderstatus, was dadurch bedingt ist, dass das Land sich offiziell ja noch im Krieg befindet. Dadurch lässt sich auch die Konzentration auf’s eigene Land erklären. Zum Beispiel die verschiedenen Sicherheitsvorschriften, dass Touristen nur mit einem Führer rumlaufen dürfen. Das mag einem ziemlich übertrieben vorkommen, aber wenn man es sich genauer anschaut, wollen die damit nur verhindern, dass amerikanische Spione ins Land kommen—was schon öfter passiert ist.

Bist du selbst auch anti-amerikanisch eingestellt?
Ja, natürlich. Wenn für die Menschenrecht ist, sollte man anti-amerikanisch sein. Was zum Beispiel in Guantanamo oder überall auf der Welt von Amerikanern angerichtet wird, ist nicht tragbar.

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Bist du mit dieser Meinung alleine, oder glaubst du, das ist eine Stimmung, die allgemein existiert?
In den letzten Jahren hat sich das in Deutschland ein bisschen gesteigert. Die Menschen merken jetzt schon, dass das nicht das Land der Freiheit ist.

Glaubst du, Nordkorea würde Atomwaffen einsetzen? 
Ich sehe kein Problem darin, wenn Nordkorea ein oder zwei Atomwaffen hat. Und wenn sie von Amerika angegriffen werden, müssen sie sich natürlich verteidigen. Da gibt’s das Beispiel mit Libyen und Gaddafi. Als er sein Atomwaffenprogramm eingestellt hat, wurde er gestürzt, was ja auch von den Amis unterstützt wurde. Also braucht Nordkorea die Atomwaffe, um das Land zu erhalten und nicht angegriffen zu werden. Ansonsten halte ich es aber für ziemlich unwahrscheinlich, dass sie Atomwaffen einsetzen würden.

Du wohnst ja noch zu Hause. Was halten denn deine Eltern oder Bekannten davon, dass du dich so sehr für Nordkorea engagierst? 
Meine Eltern sind nicht negativ eingestellt. Aber die finden es nicht so gut, dass ich mich politisch engagiere. Und im Verwandten- und Bekanntenkreis besteht eher Interesse. Aber im Internet gibt’s natürlich viele Hater.

Cool. Danke, Moritz. 

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