Schach meets Champions League – so war es beim 'League of Legends'-WM-Finale in Berlin
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Schach meets Champions League – so war es beim 'League of Legends'-WM-Finale in Berlin

Bei eSport-Events gibt es verrückte Kostüme, Preisgelder in Millionenhöhe und die ganz großen Emotionen. Wir haben uns das mal angeguckt.

3.000 Menschen sitzen dicht an dicht in einer spärlich beleuchteten Halle. Die Blicke fest auf die Bildschirme geheftet, die an mehreren Stellen von der Decke hängen. Das Publikum besteht größtenteils aus jungen Männern, irgendwo zwischen 15 und 25, die meisten von ihnen halten große aufblasbare Plastikkeulen von einem der Sponsoren in den Händen. Wir befinden uns bei The Main, einer Public-Viewing-Veranstaltung zu einem eSports-Event, das nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt in der Mercedes Benz Arena stattfindet. Zu sehen ist League of Legends, ein Echtzeit-Strategiespiel, bei dem ihr in einer arenaähnlich aufgebauten, räumlich ziemlich begrenzten Welt versucht, die Basis des gegnerischen Teams zu zerstören. Statt wild aufeinander einzuhacken, müsst ihr eure Charaktere allerdings konsequent aufleveln und Ressourcen sammeln. Falls einer von euch früher Age of Empires gespielt hat: so ähnlich, nur komplexer.

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Alle Fotos: Grey Hutton

Heute geht es um viel. Beim Summoner's Cup soll das beste League of Legends-Team der Welt gekürt werden. Mit SKTelecom T1 und den KOO Tigers haben es zwei koreanische Mannschaften ins Finale geschafft. SKT hat den Preis bereits einmal gewonnen und gilt als Favorit auf den Titel. „Die gewinnen immer alles", flüstert einer der Zuschauer seinem Freund zu. Heute könnte dieses „alles" neben dem Titel als LoL-Weltmeister und einem ziemlich großen Pokal außerdem eine Million US-Dollar sein. Solche Summen sind im eSports-Bereich nichts Ungewöhnliches; dass derart große Entscheide in der deutschen Hauptstadt stattfinden, allerdings schon. Vielleicht waren die Tickets für das Fan-Event deswegen in weniger als 24 Stunden ausverkauft.

Einige sind ganze acht Stunden mit dem Regionalexpress durch Deutschland gebummelt, um sich die Entscheidung mit anderen LoL-Begeisterten anzugucken. Weitere tragen in IKEA-Tüten Isomatten mit sich herum—scheinbar wird nicht nur vor Justin-Bieber-Konzerten und Apple Stores gecampt, um den besten Platz in der Schlange zu kriegen.

Man muss kein League of Legends-Experte sein, um die Faszination zu verstehen. Je länger man ebenso wie die anderen tausend auf den Bildschirm starrt, umso mehr glaubt man zu verstehen, was da gerade passiert. Warum sich ein Spieler für diesen Zug entschieden hat und wieso minutenlang auch mal so gar nichts zu passieren scheint. Wenn ein Angriff besonders spektakulär ist, brüllt und johlt die ganze Halle, manche springen sogar auf und stoßen die Faust in die Luft. Stellenweise fühlt man sich wie in der Fankurve eines Bundesligisten, nur dass die Fanrollen nicht ganz so klar verteilt scheinen. Gefreut wird sich—soweit sich das als Außenstehende beurteilen lässt—nämlich über jede gute Aktion. Egal von welchem Spieler oder Team sie denn nun kommt.

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Im krassen Gegensatz dazu: die starren Gesichter der Pro-Gamer selbst. Hochkonzentriert und ohne jegliche Regung „Faker is on a killing spree!" steht dick und fett in der Mitte des Bildschirms, als dem SKT-Mitglied gerade besonders viele Gegner zum Opfer fallen. Doch als die Kamera zum Spieler selbst schwenkt, scheint sich der nicht einmal ein triumphales Grinsen gönnen zu wollen.

Ich bin beeindruckt. Nicht nur auf spielerischer, sondern auch auf menschlicher Ebene. Es muss wahnsinnig anstrengend sein, über Stunden hinweg derart konzentriert zu bleiben. Das ist es eben auch: Im Gegensatz zu Sportarten wie Fußball oder Basketball läuft keine Uhr mit, die bestimmt, wann das Match vorbei ist. Wenn sich die gegnerischen Team ebenbürtig sind, kann eine Runde also durchaus über eine Stunde dauern. Im Finale wird im „Best of 5"-Modus gespielt. Gewinnt also eine Mannschaft drei Runden, ist der Wettbewerb beendet und der Sieger steht fest. Und am frühen Nachmittag sieht es auch fast so aus, als wäre die Veranstaltung doch schneller zu Ende als gedacht.

SKT hat die ersten beiden Runden für sich entschieden. Der positiven Stimmung in der Halle (und dem Wursthunger der Anwesenden) tut das zwar keinen Abbruch, ein bisschen spannender könnte das Ganze aber doch irgendwie sein. Als die KOO Tigers Runde 3 aber ebenso überraschend wie souverän für sich entscheiden, tobt die Halle—und ich bin emotional involviert. Wem gönne ich den Sieg mehr? Dem Underdog oder der perfekt geölten Erfolgsmaschine? Ich weiß es einfach nicht und registriere zum ersten Mal, dass ziemlich viele Leute verkleidet zum Public Viewing gekommen sind. Ist ja auch Halloween. Fast vergessen.

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Schlussendlich, nach vier Matches, gewinnt dann doch SKT, der Großteil des Publikums scheint mit diesem Ausgang zufrieden zu sein und wo beim Fußball spätestens jetzt Tränen der Wut und Verzweiflung fließen würden, umarmen sich die Pro-Gamer auf den Bildschirmen höflich, bevor die Verlierer im Konfettiregen die Bühne verlassen, damit die Sieger ihren Pokal entgegennehmen können. Beim Fan-Event haben die Anwesenden mittlerweile größtenteils ihre hart erkämpften Sitzplätze verlassen und drängeln sich vor die Bühne. Dort wird mit Verlosungsaktionen nämlich die Afterparty eingeleitet, bei der Community-Größen und deutsche eSportler das Finale besprechen—und anschließend mehrere Gaming-Größen aus der YouTube-Szene auch noch ihre LoL-Skills beweisen müssen.

Dass zwischen LeFloid, Fabian Siegismund und Co. und den koreanischen eSport-Superstars spielerische Welten liegen, ist offensichtlich. Die Zuschauer stört das aber nicht. Da wird geklatscht, wenn jemand eine gute Aktion bringt, gelacht, falls was schiefläuft und am Schluss scheint es irgendwie egal, welches Team nun besser war. Hauptsache, die sportliche Auseinandersetzung war spannend.

Vielleicht könnte sich der ein oder andere Aushilfs-Hooligan von dieser Fairness und diesem unaufgeregten Sportsgeist eine Scheibe abschneiden.

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