FYI.

This story is over 5 years old.

News

„Früher hat man so was ,Zigeunerlager' genannt“

Die CSU will Balkan-Flüchtlinge zukünftig in Sonderlager sperren. Warum das eine entsetzliche Idee ist, hat uns der bayerische Flüchtlingsrat erklärt.
Ein Roma-Flüchtling in einem Lager in Griechenland. Foto: imago/Invision

Horst Seehofer hat es wieder geschafft: Nachdem Bayerns Ministerpräsident angekündigt hat, dass er zwei neue Lager für Flüchtlinge mit geringen Bleibeaussichten errichten lassen will, in denen vor allem Flüchtlinge aus dem Balkan unterkommen sollen, hagelt es von allen Seiten Kritik.

Der Plan sei eine „Schande für Bayern", empörte sich die Fraktionschefin der bayerischen Grünen, von den Jusos wurde das Projekt als „rechte Entgleisung" bezeichnet. Der bayerische Flüchtlingsrat erklärte in einer Pressemitteilung, „die Pläne der CSU diskriminieren Asylsuchende aufs Massivste und machen das Asylrecht zur Farce." Das sind ziemlich starke Worte selbst in einem Bundesland, in dem sich Opposition und CSU gerne mal heftige Schlagabtausche liefern.

Anzeige

Um herauszufinden, was genau ihn an dem Vorhaben so wütend macht, habe ich Alexander Thal vom Flüchtlingsrat angerufen.

VICE: Was genau beinhaltet der Vorschlag der bayerischen Regierung?
Alexander Thal: Zuerst, dass Bayern diese Sonderlager für Balkanflüchtlinge einrichtet. Das werden zwei große Abschiebelager werden, in die die Flüchtlinge schon vor Beginn des Asylverfahrens sortiert werden. Die mit schlechten Chancen, sprich die Balkan-Flüchtlinge, die packt man alle in diese Sonderlager.

Horst Seehofer. Foto: imago/Sven Simon

Alles, um die Leute abzuschrecken und sie unter Druck zu setzen, auszureisen. Das ist die Linie, die mittlerweile völlig unverhohlen gefahren wird. Das ist echt bitter.

Was kritisieren Sie daran?
Diese Art von Lagerunterbringung, die ist einfach nicht menschenwürdig. Wenn ich über 1000 Leute in einem Lager habe, dann ist das ein Chaos. Das muss ein reiches Bundesland wie Bayer anders hinkriegen—und kriegt es auch anders hin. Das ist einfach eine widerwärtige Sanktion, um Migration zu steuern.

Bei vielen dieser Flüchtlinge handelt es sich um Roma, oder?
Ja, das ist ja besonders krass. Bei den Flüchtlingen aus Serbien sind es bis zu 95 Prozent. Das ist die am meisten verfolgte Minderheit in ganz Europa! Die Lebensbedingungen auf dem Balkan sind für die Menschen wirklich extrem schlecht. Die Diskriminierung ist so groß, dass man einen Teil von ihnen eigentlich nach der Genfer Flüchtlingskonvention wegen einer gruppenspezifischen Verfolgung anerkennen könnte. Das passiert in Deutschland nicht, weil ein immenser politischer Druck auf dem Bundesamt [für Migration] liegt, die Leute schnellstmöglich wieder abzuschieben. In anderen EU-Ländern sind die Anerkennungsquoten für Balkan-Flüchtlinge viel höher.

Anzeige

Wenn wir jetzt also die Nachfahren der Opfer des nationalsozialistischen Völkermords hier in Sammellager stecken—das können wir nicht machen! Mir fehlen die Worte, wie so was man so kaltschnäuzig beschließen kann. Früher hat man so was „Zigeunerlager" genannt, wir können das nicht wieder einführen.

Die CSU behauptet aber, es gehe darum, mehr Platz für Kriegsflüchtlinge zu schaffen, wenn man Leute schneller nach Hause schickt, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Können Sie das nachvollziehen?
Wir leben in einem Rechtsstaat. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, ein faires Verfahren zu kriegen. Das hier ist nicht fair—es wird vor der genauen Prüfung entschieden, ob jemand gute oder schlechte Chancen hat. Sie brauchen sich nicht vorstellen, dass die Asylanträge von Balkanflüchtlingen danach noch ernsthaft geprüft werden.

Natürlich muss man zugeben, dass da Leute dabei sind, die nicht kommen, weil sie verfolgt sind, sondern weil sie in korrupten, kaputten Ländern leben, in denen sich einfach keine Perspektiven ergeben. Was man da machen kann und muss, ist, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Aber uns auf schnelle Abschiebung zu konzentrieren und die Leute durch schlechte Lebensbedingungen unter Druck zu setzen, das ist einfach die falsche Antwort.

Liegt das nicht auch ein bisschen daran, dass in Bayern besonders viele Flüchtlinge ankommen?
Ja, aber die Flüchtlinge wollen da ja gar nicht hin, die werden ja aus den Zügen geholt. Bayern ist dann für die Unterbringung zuständig, muss die Leute registrieren und in andere Bundesländer weiter verteilen.

Dabei müssten die die Leute einfach nur dorthin fahren lassen, wo sie hinwollen. Wenn jemand Verwandte in Hannover hat, soll er doch einfach zu seinen Verwandten fahren. Die Dublin-Verordnung ist sowieso ein toter Gaul, der hier immer noch geritten wird—und dann kommt halt sowas bei raus.

Glauben Sie, dass die Lager so unangenehm werden, dass sie auf Abschreckung ausgelegt sind?
Genau darauf wird es angelegt. Aber die Leute werden trotzdem kommen, das sind die Erfahrung, die wir in den letzten Jahrzehnten bayerischer Flüchtlingspolitik gemacht haben. Bis vor zwei Jahren stand in der bayerischen Verordnung, dass die Gemeinschaftsunterbringung die „Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland" fördern soll. Jetzt haben sie es gestrichen, aber der Geist ist immer noch da. Die machen die Leute fertig, bis sie verschwinden.

Was würden Sie Horst Seehofer sagen, wenn er vor Ihnen stehen würde?
Ich würde ihm sagen, er soll sich schämen. Dass er überhaupt auf solche Ideen kommt, Flüchtlinge so menschenunwürdig zu behandeln.

Was glauben Sie, warum die CSU diese Politik verfolgt?
Das ist das Problem in Bayern, dass Franz Josef Strauß immer gesagt hat: Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Es ist klar, dass man so versucht, den rechten Rand abzudichten. Deswegen werden die Sprüche auch immer krasser, und alle hauen immer in dieselbe Kerbe: Die bösen Balkan-Flüchtlinge, die den guten Syrern die Plätze wegnehmen. Ich glaube, das hat wenig mit den Flüchtlingen selber zu tun und ganz viel mit der Angst, nach rechts Stimmen zu verlieren.