Es ist schwierig geworden, am Wochenende tanzen zu gehen, ohne alle paar Minuten auf groteske Art und Weise angemacht zu werden. Wenn man Glück hat und es gibt eine Discokugel, wendet man am besten niemals den Blick von ihr ab. Jeder andere Blick durch den Raum wird als Signal interpretiert, das ein späteres „Dann halt nicht, du Bitch!" rechtfertigen könnte. Doch nicht alle auf der Suche sind so aggressiv drauf. So genannte Beta-Männchen studieren zuhause eifrig die Zeichen der sexbereiten Weibchen und wie sie diese strategisch ins Bett täuschen können.Aber Männer, die sich selbst Pick-Up-Artists nennen, sind keine Künstler. Sie sammeln sich in sogenannten „Pick-Up-Communities", die aus Männern besteht, die sich durch den Austausch von Tipps und Tricks, wie man(n) auf Frauen sexuell attraktiver wirkt, bessere Chancen in der Kunst der sexuellen Verführung versprechen. Sie kaschieren latente Kommunikationsprobleme mit einem neuen Begriff, der ihren unflexiblen Anmachtaktiken den Schein eines semi-seriösen Lebensberatungskurses verpasst und dabei trotzdem niemals mehr ist als getarnte Aufreiß-Armut auf halbem Weg zum sexuellen Belästiger.Die erfolgreichen Männer dieser Subkultur werden als Verführungskünstler (Pick-Up-Artist, kurz: PUA, Pick-Up-Master, kurz: PUM oder Pick-up-Guru, kurz: PUG) bezeichnet, Frauen heißen in dieser „Subkultur" die „Pick-Up-Cats". Und damit ihr versteht, wie solche Typen ticken (und damit ihr frühzeitig erkennt, ob ihr selbst einer seid), hier das Wichtigste, das ihr über PUAs wissen müsst.Er ist alleine. Er ist frustriert. Die „Bitches" im Club hauen mit seinem besten Freund ab, der noch bei seiner Mutter lebt, aber viermal die Woche ins Fitnesscenter geht, tätowiert ist und ein überdimensionales Ego hat. „Du darfst keine Schwäche zeigen", raunzt er mit testosterongeschwängerter Stimme dem Beta entgegen.Dann googelt er, wie alle Verzweifelten, und glaubt, die Lösung gefunden zu haben. Er findet zum Beispiel das „TAO OF BADASS", in dem beschrieben wird, wie auch aus dem Typ Zuckerberg ein Herzensbrecher werden kann.Er kann es nicht glauben, denn dieser Guru sieht aus wie er. Er erzählt ihm in einem cleveren Video-Sketch, wie schwierig er es immer hatte wenn er Frauen aufreißen wollte. Beschreibt Szenarien, die ihm sehr peinlich waren und Ängste, mit denen sich beinahe jeder identifizieren kann. Dass er bei Frauen kein Wort rausbrachte, außer bei den sehr hässlichen. Noch während der Guru von seiner Wandlung erzählt, entwickelt der werdende PUA bereits Allmachtsfantasien dazu, wie sich sein Leben nun für immer ändern wird und wie sein riesiges Hirn vielleicht doch sein kleines Ego ausgleichen kann. Mit „Pick-Up"-Strategien und Step by Step-Lösungen durch Austausch mit Gleichgesinnten wird er nächstes Mal nicht alleine nachhause gehen und sich traurige Rap-Songs reinziehen müssen.Prinzipiell baut die Industrie hinter den Aufreißern darauf auf, verunsicherten Bubis und Männern das Gefühl zu geben, die Frau sei eine dumme Marionette. Die Ansichten und Praktiken werden von einigen Unternehmen in Seminaren, Workshops, auf Kongressen sowie in Büchern und als DVD vermarktet. Von Lächerlichkeiten wie „das Selbstbewusstsein bereits am Anfang torpedieren", damit frau sich unsicher fühlt, und den Pick-Upper als überlegenen Alphamann ansieht bis zu „Wege, wie du sie mit drei Worten bereits in den ersten Sekunden rumkriegst, durch ein unterbewusstes Ansprechen auf einem animalischen Level, das sie selbst nicht verstehen kann", wird hier auf der ganzen Bandbreite gebullshittet. Es gibt Leitfäden, die erklären „wie man Frauen angreift, ohne dass sie sich aufregen können", oder wie man „Berührungen eskaliert", um attraktiv zu wirken. Außerdem Tipps für Wege aus der viel gefürchteten „Friendzone".Wenn man dem Tao der PUAs glauben darf, muss man sich also lediglich ein reaktionäres Buch kaufen, sich beim Lesen sehr stark einreden, man wäre ein Alphamann mit ausgeprägtem Gemächt und dass absolut alle „Targets", die sich Tarzan bisher verweigerten, ab sofort nichts lieber tun würden, als sich beziehungslos dem Risiko einer ungewünschten Schwangerschaft, diverser Geschlechtskrankheiten und eines gebrochenen Herzens auszusetzen—all just for the giant alpha-dick.Dabei vergessen die verzweifelten Beziehungs-Sucher nur zu gerne, dass auch schon Diätbücher schlecht funktionieren, wenn man nicht ganz nebenbei auch sein Verhalten ganz grundlegend ändert—und dass sie sich mit einem Pick-Up-Buch im Regal bei praktisch jedem Vertreter des begehrten Geschlechts automatisch disqualifizieren.
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- Selbstbewusstsein sollte auf etwas Solidem basieren. Basiert es auf einem Buch für, naja, etwas Zurückgebliebene, wird das durchscheinen.
- Du bist bereits der zehnte Typ an diesem Abend, der diese („Stelle eine Frage zu einem polarisierenden Thema") oder jene Strategie („Schicke deinen Wingman, der dich als Alpha positioniert") versucht hat. Es ist so langweilig, dass man sich fast ein „Na, öfters hier?" oder ein Zwinkern wünscht.
- Authentizität schlägt jedes Argument, das dir so ein Buch verkaufen will.
- „Negging", das heißt das bewusste Torpedieren des Egos von deinem „Target", wird meistens entweder durchschaut, oder endet damit, dass du für ein arrogantes Arschloch gehalten wirst.
- Wir bemerken es, wenn du uns immer wieder „versehentlich" berührst, und es nervt.
- Misogynie!
- Jede Frau, die einmal in einem Pick-Up-Forum unterwegs war, wird meilenweit rennen, wenn sie auch nur vermutet, du gehörst zu ihnen.
- Es gibt keine „Friendzone". Niemand schuldet dir Sex.
- Sexuelle Anziehung ist nicht einseitig „erzeugbar".
- Jedes Spielchen hat ein Ende.