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Warum Nachrichten ohne die sogenannten ‚Fixer‘ so gar nicht existieren würden

Ohne freiberufliche Journalisten wie dem immer noch inhaftierten Mohammed Ismael Rasool bleiben uns anstelle von Fakten nur Tatsachenverdrehungen, Gerüchte und vom Staat überwachte Medien.
Mohammed Ismael Rasool (links) | Foto: VICE News

Ich verrate euch jetzt mal ein kleines, schmutziges Geheimnis über Journalisten: Wir sind nicht allwissend. Klar, man kann uns mitten in einem Kriegsgebiet, in einer Naturkatastrophe oder in einem totalitären Staat absetzen und wir liefern eine Story—aber das liegt nicht daran, dass wir schlauer oder mutiger sind als alle anderen Menschen.

Der Grund dafür ist wohl eher, dass wir einen guten Mittelsmann—im Journalismus-Jargon auch ‚Fixer' genannt—gefunden haben.

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Falls du nicht im Nachrichtenbereich arbeitest, dann sagt dir der Ausdruck Fixer womöglich nichts und dir ist auch gar nicht bewusst, welche immens wichtige Rolle diese ortsansässigen, freiberuflichen Journalisten für die internationale Berichterstattung spielen.

Dabei fungieren die Fixer nicht nur als Übersetzer der lokalen Sprache, sondern klären uns auch über die örtlichen Gepflogenheiten, Konflikte und Schwierigkeiten auf. Sie verschaffen uns Zugang sowohl zu wichtigen Regierungsvertretern als auch zu Rebellentruppen, die von der Regierung gehasst werden. Ausländische Journalisten sind vor allem im Bezug auf ihre Sicherheit von den Fixern abhängig, denn die wissen in haarigen Situation genau, wann man die Kamera laufen lassen kann—und wann man lieber selbst laufen sollte.

Kurz gesagt: Fixer und andere freiberufliche Journalisten sind das Herzblut des unabhängigen Journalismus. Leider sind sie auch gleichzeitig am meisten dem Risiko ausgesetzt, eingesperrt, entführt oder ermordet zu werden. Dem Committee to Protect Journalism zufolge wurden 2014 weltweit etwa 68 freiberufliche Journalisten ins Gefängnis gesteckt und 13 umgebracht.

Der aus Istanbul stammende Mohammed Ismael Rasool—von uns nur Rasool genannt—ist ein Paradebeispiel für diese entscheidende Rolle, die ortsansässige, freiberufliche Journalisten beim Sammeln von Nachrichten spielen. Rasool übersetzte für ein VICE-News-Team, das über die andauernden Kämpfe im Südosten der Türkei berichten sollte. Dann wurden er und seine VICE-Kollegen Philip Pendlebury und Jake Hanrahan von der türkischen Polizei verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Ihnen wurde vorgeworfen, eine Terrororganisation zu unterstützen.

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Nach elf Tagen Haft wurden Jake und Philip wieder freigelassen, aber Rasool befindet sich immer noch hinter Gittern. Diese Ungerechtigkeit schockiert uns. Rasool ist ein bewährter und charakterfester Journalist. Er hat seinen Master im Fach International Relations an der Fatih University in Istanbul gemacht. Im Gegensatz zu so vielen anderen Menschen kommt bei Rasool das gesellschaftliche Umfeld immer zuerst und er hat sich ganz der Aufgabe verschrieben, die Geschichten der Leute zu erzählen, deren Stimmen nur selten Gehör finden.

Ohne Journalisten wie Rasool bleiben uns nur politische Tatsachenverdrehungen, Gerüchte und streng vom Staat überwachte Medien—anstelle von professionell berichteten sowie belegbaren Fakten.

Wir bei VICE News behandeln die freiberuflichen Journalisten, mit denen wir vor Ort zusammenarbeiten, wie eigene Angestellte. Diese Verpflichtung haben wir Anfang des Jahres unterstrichen, als wir zusammen mit anderen großen Nachrichtenagenturen (darunter Associated Press, Reuters und Agence France-Presse) eine Vielzahl von weltweit geltenden Vorgaben zum Schutz von freiberuflichen Kollegen befürworteten. Diese Vorgaben heben zwei Dinge hervor: zum einen die Anerkennung der wichtigen Arbeit der Fixer und zum anderen unsere Verantwortung, die wir diesen Menschen in Krisenzeiten gegenüber haben.

Und wir befinden uns derzeit in einer Krise.

Jetzt gerade sitzt Rasool in einem türkischen Gefängnis—und das nur, weil er seinen Job als Journalist gemacht hat. Er wollte uns dabei helfen, die Welt, in der wir leben, besser zu verstehen. Und während wir weiterhin intensiv für seine Freilassung kämpfen, ist uns auch bewusst, dass seine Gefangenschaft viel mehr Leute betrifft als nur seine Kollegen oder seine Familie. Diese Sache geht jeden Menschen etwas an, dem Nachrichten am Herzen liegen und der der Meinung ist, dass diese Welt bei freiem Informationsfluss sicherer und gerechter ist.

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Ohne Journalisten wie Rasool bekommen wir von den Ereignissen, die unser Leben und unsere Lebensgrundlagen beeinflussen, nichts mit. Ohne Journalisten wie Rasool bleiben uns nur politische Tatsachenverdrehungen, Gerüchte und streng vom Staat überwachte Medien—anstelle von professionell berichteten sowie belegbaren Fakten.

Diese Krise kann jedoch abgewendet werden.

Ich bitte euch darum, diesen Fall sehr persönlich zu nehmen—für Rasool, für die vielen Journalisten, die sich auf der ganzen Welt in ähnlichen Situationen befinden, und für die Nachrichten, auf die ihr euch verlasst. Kontaktiert eure örtlichen Regierungsvertreter und lasst sie wissen, wie ihr zu der Inhaftierung Rasools steht. Macht euch die sozialen Netzwerke zu Nutze, um eure Freunde über Rasools Schicksal und über die wackelnde Pressefreiheit aufzuklären. Rasool kann sich nicht selbst gegen die unfaire Behandlung aussprechen und genau deshalb müssen wir das für ihn tun.

Jason Mojica ist der Chefredakteur von VICE News.